Die Geschichte der Akten

Die lange Reise nach Bonn

Als die Akten der Berliner Notgemeinschaft, in 65 Kisten verpackt und als Beiladung zu britischen Militärfahrzeugen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn im Januar 1952 in Empfang genommen wurden, hatten sie eine lange Reise hinter sich. Über die Wege der Dokumente, vom Berliner Schloss über Evakuierungsorte in Mitteldeutschland bis hin zu einem Raum in der Freien Universität Berlin soll hier berichtet werden:

Die Notgemeinschaft in Berlin zog zweimal um: Direkt nach ihrer Gründung bezog die Notgemeinschaft 1921 Räumlichkeiten im Berliner Schloss. Im April 1935 wurde ihr „infolge der dringlich gewordenen Schaffung von Proberäumen für die Staatsoper“ gekündigt. Sie zog in das von ihr gekaufte Anwesen Matthäikirchplatz 6/8. Doch auch dieses Gebäude musste die Notgemeinschaft 1939 verlassen, da es in dem Areal lag, welches für die geplante „Nord-Süd-Achse“ der „Germania-Pläne“ umgebaut werden sollte. Die Notgemeinschaft kaufte sich ein Grundstück in Berlin-Steglitz, Grunewaldstraße 35, und baute dort ein Haus, „im Märkischen Herrenhausstil gehalten“, mit ca. 1.300 Quadratmetern.

Akten verschwinden schon im Nationalsozialismus

Schon während der Zeit des Nationalsozialismus verschwanden Akten: Mitte der dreißiger Jahre wurden Förderakten von Geförderten jüdischer Herkunft „entsorgt“, weil sie infolge ihrer „nichtarischen“ Herkunft als Antragsteller nicht mehr in Frage kamen.

Nach der Kriegsevakuierung

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges evakuierte die Notgemeinschaft „Büromaterial, karteimässige Unterlagen über die deutsche Wissenschaft und Apparate“ an verschiedenen Orten in Mitteldeutschland. Die Dokumente und Unterlagen wurden nun nach und nach zurückgeholt. Die Akten des Reichsforschungsrates, so die Auskunft des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Mentzel, im Zusammenhang einer Anfrage des Bundesfinanzministers 1954 hinsichtlich der Vermögensübertragung der Berliner Notgemeinschaft auf die Bonner Notgemeinschaft, wurden vom damaligen Leiter des Planungsamtes, Professor Osenberg, im März 1945 in sein Ausweichquartier nach Lindau im Harz mitgenommen und dort den Amerikanern übergeben. Die amerikanische Besatzungsmacht überführte die Akten in die USA, dort wurden sie an verschiedenen Stellen verteilt. Zwischen 1959 und 1974 erhielt die DFG mehrere Aktenrückgaben aus amerikanischem und englischem Gewahrsam. Anfang der 1980er Jahre gab die amerikanische Library of Congress Akten zurück.

1946 war Karl Griewank in seinem Bemühen erfolgreich, die von der amerikanischen Militärbehörde in der von ihr besetzten Grunewaldstraße 35 konfiszierten Akten freizubekommen. Die ehemalige Mitarbeiterin der Notgemeinschaft Frau Schönwald berichtete darüber 1951 dem Geschäftsführenden Vizepräsidenten der Bonner Notgemeinschaft Kurt Zierold, der sich zur Vorbereitung der Auflösung der Berliner Notgemeinschaft einen Überblick über ihren Aktenbestand verschaffen wollte, über das Schicksal der Akten:

„In dem Wirrwarr der Jahre 45, 46 usw. hatten wir einfach keine Möglichkeit, alle von uns aus dem Hause Grunewaldstrasse geretteten Sachen – und das war ja nur ein kleiner Teil im Vergleich zu dem, was wir bereits eingebüsst hatten – unterzubringen, wir mussten eine Auswahl treffen und viele Akten in die Makulatur geben. Ehe wir im Haus des Forschungsdienstes in Dahlem sesshaft wurden, waren wir gezwungen, mehrmals umzuziehen und uns dabei jedesmal zu verkleinern. (…) Wir haben mit Einwilligung von Herrn Prof. Griewank von den der Makulatur zugedachten Akten einen Teil als Heizmaterial in unsere Wohnungen geschafft, um noch einen Nutzen aus diese durch die Umstände leider gebotenen Vernichtung zu ziehen.“

Aussortiert wurden Duplikate von Schriftstücken, überflüssige und nicht mehr benötigte Abrechnungsvorgänge sowie nicht in die Akten der Notgemeinschaft gehörenden Vorgänge der ehemaligen Kriegswirtschaftsstelle des Reichsforschungsrates, deren Diensträume sich im gleichen Gebäude der damaligen Forschungsgemeinschaft befanden hatten.

Umzug der Akten nach Bonn

Auf der Mitgliederversammlung im Mai 1951 wurde die Notgemeinschaft aufgelöst und ihr Restvermögen auf die Bonner Notgemeinschaft übertragen.

Mit der Abwicklung der Berliner Notgemeinschaft wurde Rechtsanwalt Grüner, Syndikus der Freien Universität, beauftragt. Dieser brachte zum Ende des Jahres die Akten der Notgemeinschaft in einem Institut der Universität unter, da der einzig verbliebene Raum in der Podbielskiallee 25/27 zum 31. Dezember 1951 gekündigt wurde.

Rechtsanwalt Grüner übertrug der FU Berlin die zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände – so z.B. Schreibmaschinentische, Holz-Regale. Aber „ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass die zur Zeit in der Beschaffungsstelle der Freien Universität untergestellten 5 Schreibmaschinen Eigentum der Deutschen Forschungsgemeinschaft bleiben müssen.“

Schwierig gestaltete sich der Transport der Akten und der fünf Schreibmaschinen nach Bonn: Die für den Transport vorgesehene Firma Siemens & Halske lehnte den Auftrag ab, da sie „im Hinblick auf die an der Grenze zu erwartenden grossen Schwierigkeiten nicht in der Lage sei, den Transport der Akten“ zu übernehmen. Dafür erklärte sich die britische Besatzungsmacht in Koblenz bereit, die Kisten als Beiladung zu militärischen Fahrzeugen bei Fahrten von Berlin in die britische Zone mitzunehmen. Letztendlich wurden im Januar 1952 „65 Kisten mit Akten und Büchern nach Bad Godesberg transportiert und einige Zeit danach 5 Schreibmaschinen mit Luftpost nach Godesberg befördert.“

Die geretteten Akten wurden 1972 an das Bundesarchiv Koblenz übergeben. In den Jahren 1959, 1961 und 1962 erhielt das Bundesarchiv weitere Akten aus amerikanischen Archiven und Bibliotheken zurück.

Weitere Informationen

Historische Förderfälle in GEPRIS Historisch

Die im Jahr 2020 anlässlich des hundertsten Gründungstages der DFG-Vorgängereinrichtung „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ veröffentlichte Datenbank GEPRIS Historisch macht mehr als 50.000 Förderfälle der Jahre 1920 bis 1945 unter Beteiligung von über 13.000 Wissenschaftler*innen recherchierbar. Das System wird ergänzt um einen umfangreichen Textapparat, der in mehreren Kapiteln auch auf Fragestellungen mit Bezug zur NS-Zeit eingeht.

Hinweise zur genutzten Literatur und den Fundorten

Kontakt