Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2009 geht an vier Wissenschaftlerinnen und zwei Wissenschaftler. Sie sind aus 118 Vorschlägen ausgewählt worden. Der mit 16 000 Euro dotierte Preis wurde am 04. Juni 2009 in Bonn verliehen. Er zeichnet junge Wissenschaftler*innen in Anerkennung herausragender Leistungen aus.
André Bornemann hat bereits in jungen Jahren mit seinen Arbeiten in der Mikropaläontologie und Paläoozeanographie grundlegend neue Thesen für die Geowissenschaften entwickelt, die national wie international intensiv diskutiert werden. In ihnen konzentriert er sich vor allem auf die späte Jura- sowie die Kreidezeit. Dabei reichen seine Forschungen von Mikropaläontologie, Karbonatbudgets und den Entstehungsbedingungen von Schwarzschiefern bis hin zur Paläoklimaforschung. Aufsehen erregte vor allem seine in enger Zusammenarbeit mit namhaften Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelte These, dass in der Kreidezeit mit ihrer hohen Treibhausgaskonzentration Vereisungen möglich waren. Sein ungewöhnlich breiter methodischer Ansatz führte zu der Idee, die sehr warme Kreidezeit als Modell der Zukunft der Erde zu betrachten.
Ina Bornkessel-Schlesewsky erforscht, wie Sprachen funktionieren und im Gehirn verarbeitet werden. Ihre Arbeit richtet sich dabei auf das Zusammenspiel von morphosyntaktischen und semantischen Faktoren beim Satzverstehen. Im Fokus ihrer Forschung steht dabei die "Argumentstruktur". Neben Faktoren wie Wortstellung und Kasusmarkierung analysiert sie mithilfe neurowissenschaftlicher Verfahren auch semantische Eigenschaften wie Beliebtheit - ein Faktor, der in verschiedenen Sprachen völlig unterschiedliches Gewicht haben kann. Mit ihrer Forschung leistet die junge Forscherin - die bereits mit 22 Jahren promoviert wurde und 26-jährig die Leitung einer Max-Planck-Nachwuchsgruppe übernahm - substanzielle Beiträge zum Fachgebiet der menschlichen Sprachverarbeitung, die auch internationale Anerkennung erfahren.
Patrik L. Ferrari gilt als einer der weltweit besten Nachwuchswissenschaftler in der Wahrscheinlichkeitstheorie und statistischen Physik. Mit seinen Untersuchungen von anomalen Fluktuationen bei Prozessen in der sogenannten KPZ-Universalitätsklasse forscht er auf einem der zurzeit aktivsten und spannendsten Arbeitsfeldern im Schnittgebiet von mathematischer Stochastik und statistischer Physik, das er mit seinen bisherigen Arbeiten bereits nachhaltig beeinflusst und bereichert hat. Zu dieser Klasse gehören sehr wichtige und interessante Wachstumsmodelle wie zum Beispiel gerichtete Polymere, Perkolationsmodelle oder der Eden-Cluster. Die KPZ-Klasse steht auch in engen Beziehungen zur Theorie der Zufallsmatrizen. Für wichtige Prozesse der KPZ-Klasse hat Ferrari das Fluktuationsverhalten nachgewiesen und die Raum-Zeit-Korrelationen erforscht. Dabei leistete er auch wesentliche Beiträge, welche eine - noch nicht bewiesene - wichtige Universalitätsvermutung in diesem Bereich untermauern.
Heike Krebber gilt als besonders originelle Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der molekularen Biologie. Hervorgetan hat sie sich insbesondere mit Arbeiten zum Kern-Zytoplasma-Transport und der mRNP-Biogenese. Aufbauend auf Studien, die sie als Postdoktorandin in Harvard zum Transfer der genetischen Information in Zellen durchführte, gelang ihr die Entdeckung neuer Faktoren, die für den Export von Boten-Ribonukleinsäuren (mRNA) aus dem Zellkern notwendig sind. Ebenso konnte sie erstmalig zeigen, dass Kernexportfaktoren eine entscheidende Rolle bei der Translation spielen, also bei der Übersetzung der mRNA zur Herstellung von Proteinen. Krebber und ihr Forschungsteam identifizierten einen Faktor, der für die Beendigung der Proteinsynthese sehr bedeutsam ist, und schlagen ein neues Modell für den Mechanismus der Translation vor. Diese Arbeiten Krebbers - die seit neun Jahren eine Forschungsgruppe an der Universität Marburg leitet - wurden hochrangig publiziert und sorgten international für Aufsehen.
Gisela Lanza beschäftigt sich mit neuen Lösungswegen, um unübersichtliche und komplexe Zusammenhänge beim Anlauf industrieller Produktionsprozesse zu bewältigen. Ihre Arbeit zielt darauf, instabile Produktionsprozesse bereits im Planungsstadium und in der Anlaufphase zu simulieren und zu bewerten. So will sie zu effektiven Gegenmaßnahmen kommen - und am Ende eine kostengünstigere und qualitativ hochwertigere Produktion ermöglichen. Die von Lanza entwickelten Modelle und Simulationstechniken haben gleichermaßen wissenschaftliche Relevanz und wirtschaftliche Bedeutung in der industriellen Praxis. Seit 2008 hat die Ingenieurwissenschaftlerin eine "Shared Professorship" inne, in der sie ihre Lehr- und Forschungstätigkeit mit Managementtätigkeiten in Wirtschaftsunternehmen verbindet. Seither richtet sich ihre Forschung besonders auf das hochaktuelle Feld der globalen Produktion. Dabei profitiert sie nicht zuletzt von ihren internationalen Wissenschaftskooperationen und von ihrem ausgeprägten Verständnis fachferner Gebiete wie etwa der Informationstechnik und Statistik.
Angelika Lohwasser gilt im deutschsprachigen Raum als eine herausragende Forscherin auf dem Gebiet der Sudanarchäologie. Mit einem sehr breiten fachlichen wie auch inter- und transdisziplinären Ansatz analysiert sie Artefakte dieses interkulturellen antiken Raums. Dabei hat sie für ihr Fach neue Impulse und wegweisende Methoden entwickelt. Wegweisend ist beispielsweise ihre stark soziologische Herangehensweise, mit der sie geradezu einen Neuansatz der Ägyptologie bewirkte, ohne dabei das Gebiet der traditionellen Ägyptologie aus den Augen zu verlieren. Auch inhaltlich wandte sie sich innovativen Themen zu, so etwa der bislang unterschätzten Rolle der Frauen im Königreich von Kusch. Mit diesen Arbeiten hat Angelika Lohwasser ihrem Fach in Deutschland sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit zu einem höheren Stellenwert verholfen. Dazu trugen auch ihre zahlreichen Vorträge im deutschen und internationalen Raum bei, mit denen sie sich als erfolgreiche Wissenschaftskommunikatorin hervor tat. Auch als akademische Lehrerin hat sie sich bereits einen Namen gemacht.