Fünf Wissenschaftlerinnen und fünf Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit die wichtigste Auszeichnung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Das hat ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzter Auswahlausschuss jetzt in Bonn beschlossen. Die Preisträger*innen erhielten die mit je 20 000 Euro dotierte Auszeichnung am 29. Mai in Berlin.
Als Postdoktorandin forschte Jennifer Nina Andexer in einer der führenden Arbeitsgruppen im Bereich der chemischen Biologie an der Universität Cambridge, wo sie ihr fachliches und methodisches Spektrum umfassend erweiterte. So gelang es ihr, 2011 den Ruf auf eine Juniorprofessur an der Universität Freiburg zu erhalten, die sie bis heute innehat. Seither baute Andexer die Interdisziplinarität ihrer Forschung konsequent aus und widmete sich anspruchsvollen Themen aus dem Grenzgebiet der Enzymologie, Biochemie und der Biokatalyse. Insbesondere ihre Forschungsarbeiten zu Chorismatasen und vor allem zu SAM-abhängigen Enzymen haben in ihrem Fachgebiet größte Aufmerksamkeit erhalten. Mit ihren herausragenden und kreativen Forschungsergebnissen gelang es Andexer kürzlich, einen ERC Starting Grant zur weiteren Erforschung der Methyltransferasen einzuwerben.
Bereits in seiner Doktorarbeit an der Universität Marburg erzielte Alexey Chernikov hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der niedrigdimensionalen Halbleitersysteme. Während seines Postdoktorandenaufenthalts an der Columbia-Universität trieb er sodann das hochaktuelle Forschungsfeld der zweidimensionalen Festkörper signifikant voran. Chernikovs Arbeiten waren bahnbrechend für das derzeitige Verständnis von elementaren optischen Anregungen und insbesondere der sogenannten Exzitonen in atomar dünnen Monolagen. Chernikovs Erkenntnisse dienen als Grundlage für weiterführende experimentelle und theoretische Arbeiten auf diesem Forschungsgebiet, das er seit 2016 auch als Leiter einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe an der Universität Regensburg erfolgreich mitgestaltet.
Sascha Fahl erforscht in seinen Arbeiten, wie sich die Benutzbarkeit von IT-Systemen auf die IT-Sicherheit auswirkt. Er ist Vertretungsprofessor an der Leibniz Universität Hannover und leitet dort das Institut für IT-Sicherheit. Zuvor hat er unter anderem im Chrome Security Team bei Google gearbeitet und war Nachwuchsgruppenleiter an der Universität des Saarlandes. Die Forschung zur Benutzbarkeit beinhaltet neben informatischen Fragestellungen auch psychologische und soziologische Aspekte. In seiner Forschung zur IT-Sicherheit gelingt es Sascha Fahl, durch den Einsatz empirischer Methoden eine Brücke zwischen diesen Disziplinen zu schlagen.
Benedikt Göcke hat sich innerhalb weniger Jahre nach seinen Promotionen in Katholischer Theologie und Philosophie als ein herausragender Wissenschaftler an den Schnittstellen von Analytischer Philosophie, Religionsphilosophie und Wissenschaftstheorie erwiesen. Die Berufung auf die eigens für ihn eingerichtete Juniorprofessur für Religionsphilosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Bochum unterstreicht die Wertschätzung seiner Kreativität und neuartigen Impulse für den interdisziplinären Diskurs der Theologie. Göcke zählt zu den wenigen Philosophen und Theologen, die sich intensiv für einen Austausch zwischen „analytischen“ oder auch angelsächsisch geprägten und „hermeneutischen“ beziehungsweise kontintentaleuropäisch orientierten Diskursen einsetzen. Ein eigenständiges wissenschaftliches Profil zeigt Göckes Forschung auch bezüglich neuer Sichtweisen auf „klassische“ Topoi der Religionsphilosophie, Metaphysik und Anthropologie.
Valeska Hubers Forschung zur Globalgeschichte hat stets Grenzen überschritten, Diskussionen herausgefordert und dabei methodisch höchste Ansprüche erfüllt. Bereits mit ihrer unter dem Titel „Channelling Mobilities“ erschienenen Dissertation legte sie eine wegweisende Studie zur Geschichte des Nahen Ostens und der Migrationsgeschichte vor. Darin verknüpft sie konsequent lokale und globale Perspektiven, die in der Globalgeschichte häufig gefordert, aber selten herausgearbeitet werden. Ihr vielseitiges und internationales wissenschaftliches Profil erlangte Huber während des Studiums in London und Cambridge, ihrer Promotion bei Jürgen Osterhammel in Konstanz sowie bei Forschungsaufenthalten in London und Harvard. Seit 2017 leitet sie eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe zu Kommunikation und Informationsverbreitung in global vernetzten Regionen in Afrika und Asien – wiederum einem wichtigen und weitgehend unerforschten Gegenstand.
Neuere Entwicklungen in der experimentellen Genomik und Molekularbiologie haben ein leistungsstarkes Instrumentarium hervorgebracht, mit dem sich komplexe biologische Prozesse auch beim Menschen analysieren lassen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu lieferten Thijn Brummelkamp und Lucas Jae, die am Netherlands Cancer Institute zusammenarbeiteten. Zuvor studierte und promovierte Jae in England und den USA, heute ist er Gruppenleiter am Genzentrum der LMU München. Jaes Arbeiten auf dem Feld des Genome Engineering und der Biochemie haben dazu beigetragen, den Infektionsprozess von für den Menschen hochgradig letalen Viren wie etwa des Lassa-Virus zu entschlüsseln. Weiterhin ermöglicht die von Jae mitentwickelte Strategie zur umfassenden Mutagenese des menschlichen Genoms die Erforschung essenzieller Gene in humanen Zellen und bietet dadurch Ansätze für neuartige Therapien im Bereich der Tumorforschung.
Benjamin Kohlmann betreibt eine kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaft, indem er konsequent historische Kontexte einbezieht und auch fruchtbare Verbindungen zu seinem zweiten Fach, der Philosophie, zieht. Mit diesem Ansatz hat er in seiner bei der Oxford University Press erschienenen Dissertation die politische Situierung der britischen Literatur der 1930er-Jahre untersucht sowie in seiner 2017 abgeschlossenen Habilitation den Diskurs um den Wohlfahrtsstaat vom späten 18. Jahrhundert bis heute erforscht. Dass ihn Cambridge University Press mit der Herausgabe eines Sammelbands zur Literatur der 1930er-Jahre betraut hat, zeigt, dass Kohlmann als Experte für diese Zeit bereits international Anerkennung gefunden hat. Seine Arbeiten zeichnen sich durch ihre gesellschaftliche Relevanz aus, stellen die Bedeutung der Literatur für kulturelle Diskurse heraus und bieten in der Kombination von weniger kanonisierten Texten mit neu betrachteten stärker kanonisierten Texten ungewöhnliche und innovative Perspektiven.
Seit 2014 leitet Eva C. M. Nowack eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe zu „Frühen Schritten in der Evolution eines Organells“. Zuvor arbeitete sie vier Jahre als Postdoktorandin an der renommierten Carnegie Institution for Science in Stanford. Mit ihren Arbeiten hat Nowack wesentlich zu einem besseren Verständnis der Organellentstehung beigetragen. Bereits seit ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit der Entstehung von Zellorganellen aus prokaryotischen Vorläufern über Endosymbiose. Bekannt ist ein solcher Entstehungsweg für die Mitochondrien sowie für die Plastiden von Algen und höheren Pflanzen. Lange wurde für diese beiden Organellen jeweils ein einzelnes, ein bis zwei Milliarden Jahre zurückliegendes Ursprungsereignis angenommen. Nowack gelang es, eine evolutionär sehr viel jüngere Plastidenentstehung nachzuweisen. Sie konnte zeigen, dass das für die Fotosynthese wichtige Organell der Amöbe Paulinella chromatophora vor etwa 100 Millionen Jahren neu entstanden ist. Inzwischen forscht Nowack nach weiteren Organismen mit „evolutionär jungen“ Organellen.
Auf dem Gebiet der theoretischen Nachrichtentechnik arbeitet Antonia Wachter-Zeh. Ihre Errungenschaften in der Kanalcodierung sind dabei auf große Resonanz in der internationalen Community gestoßen, allen voran die Verwendung der Rang-Metric-Codes für die moderne Datenübertragung in Netzwerken. Diese erlaubt es nicht nur, fehlerbehaftete Informationen, die in Paketen über den Kanal verschickt werden, zu korrigieren, sondern gleichzeitig die Ausnutzung der Kapazität des Netzwerks zu verbessern. Damit ist eine Effizienzsteigerung der Übertragung bei gleichzeitiger Erhöhung der Zuverlässigkeit der Daten möglich. Wachter-Zeh gestaltet auf solche Weise und auf internationalem Niveau die schnell voranschreitende Informationstechnik durch ihre Beiträge mit. Während ihrer Promotionszeit in Ulm entstand der Kontakt zum Technion in Haifa, Israel, wo sie ihre Postdoc-Zeit verbrachte. 2016 wurde sie auf eine W2-Professur an der TU München berufen, kurz nachdem sie eine Emmy Noether-Förderung der DFG erhalten hatte.
In Anbetracht ihrer Karrierestufe als Nachwuchswissenschaftlerin hat Xiaoying Zhuang bereits eine führende Rolle auf dem Gebiet der Numerischen Mechanik inne. Als Postdoktorandin arbeitete sie in China und Norwegen, 2014 kam sie nach Deutschland und wurde ein Jahr später mit dem Sofja Kovalevskaja-Preis ausgezeichnet, was ihr die Gründung einer Nachwuchsgruppe an der Universität Hannover ermöglichte. In der numerischen Mechanik hat Zhuang neuartige und leistungsfähige Methoden zur Lösung partieller Differentialgleichung für komplexe materialwissenschaftliche Problemstellungen entwickelt. Während ihre frühen Arbeiten sich auf Anwendungen in der Geomechanik und Geotechnik konzentriert haben, forschte Zhuang danach erfolgreich an anderen komplexen Werkstoffen, darunter neuen polymeren Verbundwerkstoffen. Ihre Forschungsergebnisse wurden bereits in kommerzieller Software erfolgreich eingesetzt.