Themen von Bauchspeicheldrüsenkrebs über Stadtentwicklung bis zur Bewegung der Erdkruste / Insgesamt rund 76 Millionen Euro für erste Förderperiode
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen 14 neue Graduiertenkollegs (GRK) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss, der per Videokonferenz tagte. Die neuen GRK werden ab Frühjahr 2022 zunächst viereinhalb Jahre mit insgesamt rund 76 Millionen Euro gefördert. Darin enthalten ist eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Unter den neuen Verbünden ist ein Internationales Graduiertenkolleg (IGK) mit einer Partneruniversität in Großbritannien.
Zusätzlich zu den 14 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 12 GRK für jeweils eine weitere Förderperiode. Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Aktuell fördert die DFG insgesamt 218 GRK, darunter 35 IGK.
Die 14 neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner):
Das Graduiertenkolleg „Contradiction Studies: Konstellationen, Heuristiken und Konzepte des Widersprüchlichen“ erforscht die Entstehung, Aushandlungen und Erklärungsgrenzen von Widerspruch. Dabei sollen Konstellationen von Widerspruch, Widerspruchsvermeidung, Widersprüchlichkeiten und Praktiken des Widersprechens systematisch analysiert und als Untersuchungsgegenstände der Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften etabliert werden. Mit seiner Arbeit will der Verbund auch zur Wertschätzung von Komplexität und Diversität in den häufig zugespitzten Konflikten der Gegenwart beitragen. (Universität Bremen, Sprecherin: Professorin Dr. Michi Knecht)
Beinprothesen und Exoskelette werden in der Medizin als „Assistenzsysteme“ bezeichnet. Bislang werden jedoch neue technologische Möglichkeiten aktiver Beinprothesen und -orthesen von Menschen mit Bewegungseinschränkungen eher zögerlich angenommen. Das Graduiertenkolleg „Nahtlose Integration von Assistenzsystemen für die natürliche Lokomotion des Menschen (LokoAssist)“ will daher solche Assistenzsysteme stärker an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpassen. Dabei sollen neue technologische Entwicklungen mit Aspekten des menschlichen Erlebens und Interagierens mit dem Assistenzsystem verknüpft werden. (TU Darmstadt, Sprecher: Professor Dr. André Seyfarth; ebenfalls antragstellend: Universität Heidelberg)
Das Internationale Graduiertenkolleg „Risikofaktoren und Pathomechanismen von affektiven Störungen“ untersucht, wie affektive Störungen entstehen, dazu zählen etwa bipolare Störungen, ADHS oder Depressionen. Bislang ist es eine Herausforderung, für diese psychiatrischen Erkrankungen verlässliche Diagnosen zu stellen, und es gibt nur eingeschränkte Therapiemöglichkeiten. Daher wollen die beteiligten Forscherinnen und Forscher in Dresden und London mit ihren Arbeiten zu einem besseren Verständnis affektiver Störungen beitragen. (TU Dresden, Sprecher: Professor Dr. Michael Bauer; Kooperationspartner: King‘s College London, Großbritannien)
Nanopartikel werden mittlerweile in vielen optischen und elektronischen Bauteilen eingesetzt. Zuletzt konzentrierte sich die Forschung darauf, nicht nur einzelne Nanopartikel, sondern größere Strukturen aufgebaut aus verschiedenen Nanopartikeln einzusetzen. Solche suprakolloidalen Strukturen besitzen Eigenschaften, die über jene der einzelnen Bausteine hinausgehen. Die Struktur-Eigenschafts-Beziehungen der zusammengefügten Partikel sind jedoch noch nicht ausreichend verstanden. Das Graduiertenkolleg „Suprakolloidale Strukturen: Von Materialien zu optischen und elektronischen Bauteilen“ will diese Forschungslücke schließen. (TU Dresden, Sprecher: Professor Dr. Andreas Fery)
Welche Formen und Funktionen des Sentimentalen gibt es? Und wie werden und wurden diese je nach ihren geschichtlichen oder kulturellen Kontexten verwendet? Das Graduiertenkolleg „Das Sentimentale in Literatur, Kultur und Politik“ definiert das Sentimentale als kommunikativen Code, der empathische Fähigkeiten aktivieren kann. Das Kolleg will untersuchen, wie dieser Code gerade in der Verschränkung von vermeintlich privaten Gefühlswelten und deren öffentlicher Zurschaustellung in den Bereichen Literatur, Kultur und Politik seine Wirkmacht entfaltet. (Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecherin: Professorin Dr. Heike Paul)
Chronische Entzündungen sind ein Risikofaktor für zahlreiche Tumorerkrankungen, darunter fällt auch das Pankreaskarzinom. Doch während die Auswirkungen des entzündlichen Mikromilieus bei bestehenden Tumoren an der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gut erforscht sind, weiß man noch wenig über die eigentliche Entstehung der Karzinome und welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Das Graduiertenkolleg „Entzündliche Einflüsse als Modulatoren der frühen Pankreaskarzinogenese (InCuPanC)“ will daher den Einfluss verschiedener entzündlicher Signale in der frühen Phase der Krebsentstehung systematisch entschlüsseln. So sollen neuartige Ansatzpunkte zur Früherkennung von Bauchspeicheldrüsenkrebs gefunden werden. (Universität Halle-Wittenberg, Sprecher: Professor Dr. Patrick Michl)
Das Graduiertenkolleg „Urban Future-Making: Handlungsspielräume professioneller Praxis in Zeit und Raum“ widmet sich Fragestellungen zur Gestaltung des städtischen Raums angesichts aktuell drängender Herausforderungen wie Bevölkerungswachstum, Klimawandel und Ressourcenverknappung. Diese zeigen sich zuvorderst in den Städten und wurden durch die Coronavirus-Pandemie noch verstärkt. Das Kolleg richtet seinen Fokus dabei speziell auf einzelne Akteursgruppen und will betrachten, inwieweit Personen aus Verwaltung, Planung und Wissenschaft – die sogenannten „urban future-makers“ – in der Lage sind, städtische Entwicklungen für diese Herausforderungen zu rüsten. (HafenCity Universität Hamburg, Sprecherin: Professorin Dr. Monika Grubbauer; ebenfalls antragstellend: TU Hamburg, Universität Hamburg)
Emotionen üben einen großen Einfluss auf Lern- und Gedächtnisprozesse aus. Dieser Einfluss kann zu verschiedenen psychischen Störungen beitragen, wobei der Zusammenhang noch nicht völlig verstanden ist. Das Graduiertenkolleg „Emotionales Lernen und Gedächtnis“ stellt daher die Erforschung derjenigen psychologischen und neuronalen Mechanismen in den Mittelpunkt seiner Arbeit, die emotionalen Lern- und Gedächtnisprozessen zugrunde liegen. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher wollen dabei überwiegend negative Emotionen in den Blick nehmen und ihre grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse möglichst rasch in die klinische Anwendung übertragen. (Universität Hamburg, Sprecher: Professor Dr. Lars Schwabe)
Unterschiedlichste Stressfaktoren wie Hitze oder hohe Salzkonzentrationen lösen in Zellen verblüffend ähnliche Reaktionen aus. Wie diese Reaktionen kombiniert und koordiniert werden, um Zellen gezielt gegen spezifische Stresssituationen zu schützen, ist jedoch noch nicht eingehend erforscht. Ziel des Graduiertenkollegs „STRESSistance: Molekulare Mechanismen der Stress-Resistenz von Membranen und Kompartimenten“ ist es daher, solche Antwort-„Routinen“ der Zellen zu untersuchen. Dabei soll vor allem die Ebene der Organellen und hier insbesondere ihrer Membranen betrachtet werden. (TU Kaiserslautern, Sprecher: Professor Dr. Johannes M. Herrmann)
Das Leben auf der Erde ist durch natürliche Rhythmen geprägt, die durch die Rotation der Erde um sich selbst und die Sonne entstehen. Die Evolution biologischer Uhren erlaubt die Anpassung an solche Rhythmen von Tag und Nacht oder Sommer und Winter. Nachweisbar sind diese Uhren auf der Ebene einzelner Zellen. Das Graduiertenkolleg „Biologische Uhren auf multiplen Zeitskalen“ untersucht deshalb Plasmamembranen und Zellkerne von Algen, Hefen und Insekten, um deren biologische Uhren vergleichend zu verstehen. Beteiligt sind sowohl Forscherinnen und Forscher aus Biologie und Zoologie als auch aus Mathematik, Physik und Systemtheorie. (Universität Kassel, Sprecherin: Professorin Dr. Monika Stengl)
Die Erdkruste bewegt sich horizontal und vertikal. Doch während die horizontalen Bewegungen der Kruste bereits sehr gut verstanden sind, sind rund um die vertikalen Bewegungsprozesse noch viele Fragen ungeklärt, etwa die nach ihren Ursachen. Das Graduiertenkolleg „Geophysikalische Modellierung vertikaler Bewegungsprozesse unter Verwendung von geodätischen und geologischen Beobachtungen als Randbedingung (UPLIFT)“ will deshalb die im Titel genannten Beobachtungsdaten zusammenführen. So sollen die verschiedenen sogenannten Uplift-Mechanismen, die durch die vertikale Bewegung der Erdkruste entstehen, näher erforscht werden. Dies soll Rückschlüsse in Bezug auf die Landschaftsentwicklung oder Erdbebenereignisse ermöglichen. (TU München, Sprecher: Professor Dr. Roland Pail; ebenfalls antragsstellend: LMU München)
Der Umbau der Städte mit nachhaltigen, naturnahen und den neuen Klimabedingungen angepassten urbanen Infrastrukturen steht im Mittelpunkt des Graduiertenkollegs „Urbane Grüne Infrastruktur – Wissenschaftliche Ausbildung kommender Expert*innen integrierter Stadtplanung“. Dazu haben sich Expertinnen und Experten aus den Bereichen Stadtplanung, Wasserforschung, Architektur, Ökologie und Umweltmedizin zusammengeschlossen. Sie wollen neben der Transformation städtischer Räume auch Klimaresilienz und Energieeffizienz sowie nachhaltiges Regenwassermanagement in den Blick nehmen. (TU München, Sprecher: Professor Dr. Stephan Pauleit)
Im Rahmen digitaler Plattform-Ökosysteme kooperieren Unternehmen und Menschen, die zwar unabhängig sind, sich von der Teilnahme aber einen gegenseitigen Vorteil versprechen. Plattformen wie AirBnB, Delivery Hero oder ImmoScout24 bilden solche digitalen Ökosysteme. Welche Bedeutung haben die Plattformen für übergeordnete sozioökonomische und ordnungspolitische Entwicklungen? Diese Frage will das Graduiertenkolleg „Digital Platform Ecosystems (DPE) – Digitale plattformbasierte Wertschöpfung und ihre Implikationen für Datenaustausch, Organisation und sozioökonomische Entwicklung“ beantworten und analysiert dazu beispielsweise die Austauschbeziehungen innerhalb des digitalen Plattform-Ökosystems, sowohl zwischen Plattform und affiliierten Unternehmen als auch zwischen Plattform und Individuen. (Universität Passau, Sprecher: Professor Dr. Jan Krämer)
„Transformationen von Wissenschaft und Technik seit 1800: Inhalte, Prozesse, Institutionen“ untersucht das gleichnamige Graduiertenkolleg und bearbeitet damit ein klassisches Thema der Wissenschaftsforschung in geschichtlicher, philosophischer und soziologischer Perspektive – allerdings mit einem neuen Ansatz. Denn die bisherigen Beschreibungsweisen sind zwar für sich genommen plausibel, werden aber der Komplexität der Entwicklung nicht gerecht. Das Kolleg erarbeitet daher eine umfassende Sicht der Dynamik von Wissenschaft und Technik und will dazu prüfen, inwiefern Diagnosen von Transformationen selbst Konstruktionen sind, die eine bestimmte Sicht der historischen Realität prägen. (Universität Wuppertal, Sprecher: Professor Dr. Volker Remmert)
Die zwölf für eine weitere Förderperiode verlängerten GRK
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner, mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Medienkontakt:
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Graduiertenkollegs.
Fachlicher Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Graduiertenkollegs finden sich unter: