Themen von Interaktionsqualität des Grundschulunterrichts über neuartige Quanten-Lichtquellen bis zu allergischen Erkrankungen / Insgesamt rund 92 Millionen Euro für erste Förderperiode
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses 17 neue Graduiertenkollegs (GRK) ein. Dies beschloss der Bewilligungsausschuss für die Graduiertenkollegs, der wegen der Coronavirus-Pandemie per Videokonferenz tagte. Die neuen GRK werden ab Herbst 2021 zunächst viereinhalb Jahre mit insgesamt rund 92 Millionen Euro gefördert. Darin enthalten ist eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Fünf Verbünde sind Internationale Graduiertenkollegs (IGK) mit Partnern in Australien, Japan, Kanada und Südafrika.
Zusätzlich zu den 17 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 14 GRK für jeweils eine weitere Förderperiode. Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Aktuell fördert die DFG insgesamt 219 GRK, darunter 34 IGK.
Die 17 neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner):
Die Wechselwirkung von Polyelektrolyten, also Makromolekülen mit geladenen Gruppen, und verschiedenen zellulären oder Gewebssystemen untersucht das Internationale Graduiertenkolleg „Charging into the Future: Verständnis der Wechselwirkung von Polyelektrolyten mit Biosystemen“. Die Forschung am Berliner Standort konzentriert sich dabei vor allem auf grundlegende physikalische und chemische Fragen, während die beiden kanadischen Partneruniversitäten in Montréal und Vancouver die gewonnenen Erkenntnisse dazu nutzen wollen, Fragestellungen mit direkter pharmazeutischer Bedeutung anzugehen. (FU Berlin, Sprecher: Professor Dr. Rainer Haag; Kooperationspartner: Université McGill, Montréal; University of British Columbia, Vancouver, Kanada)
Unter dem Titel „Transformative Religion: Religion als situiertes Wissen in sozialen Transformationsprozessen“ will das deutsch-südafrikanische Graduiertenkolleg Beiträge zur Erforschung der komplexen Zusammenhänge zwischen Religion und Gesellschaft leisten und dabei insbesondere Länder des globalen Nordens mit denen des globalen Südens vergleichen. Welchen Einfluss übt Religion auf soziale Transformationsprozesse aus? Und wie wirken sich umgekehrt Transformationen in den globalen Gegenwartsgesellschaften auf Religion aus? In Fallstudien untersucht das Kolleg Religion als ein spezifisch situiertes Wissen sowie das Verhältnis von Religion und sozialer Transformation. (HU Berlin, Sprecher: Professor Dr. Torsten Meireis; Kooperationspartner: Universiteit Stellenbosch, Inyuvesi YakwaZulu-Natali (UKZN) und University of the Western Cape, alle Südafrika)
In den vergangenen Jahren wuchs die Erkenntnis, dass die Mikroumgebung im Gewebe für die Entwicklung und Funktion von Immunzellen von großer Bedeutung ist. Das Graduiertenkolleg „Immunmikrotop: Mikroumgebungsbedingte, metabolische und mikrobielle Signale zur Regulation der Immunzell-Pathogen-Interaktion“ will erforschen, ob die antimikrobielle Immunabwehr durch den Gewebekontext sowie die Mikromilieufaktoren und den Metabolismus am Ort der Infektion, die zusammen das „Immunmikrotop“ bilden, beeinflusst wird. (Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Professor Dr. Christian Bogdan)
Das Graduiertenkolleg „Dynamik kontrollierter atomarer und molekularer Systeme“ stellt die Untersuchung und Kontrolle der Elektronen- und Kerndynamik von Systemen in genau definierten Quantenzuständen in den Mittelpunkt seines Forschungsinteresses. Dazu zählen moderne Techniken zur Herstellung kontrollierter Atom-, Molekül- und Cluster-Anordnungen sowie zur Erzeugung und Charakterisierung ultrakurzer Lichtpulse. In einer Reihe sich ergänzender experimenteller und theoretischer Projekte wollen die beteiligten Forscherinnen und Forscher Wechselwirkungen und Dynamiken bei tiefen Temperaturen und auf ultrakurzen Zeiten analysieren. (Universität Freiburg, Sprecher: Professor Dr. Frank Stienkemeier)
Proteasen sind Enzyme, die innerhalb und zwischen Zellen zahlreiche wichtige Funktionen erfüllen, die Zellen in vielzelligen Organismen koordinieren und die Wechselwirkungen zwischen Erreger und Wirt bestimmen. Doch welche Rolle spielen sie bei Infektionen? Dieser Frage widmet sich das Graduiertenkolleg „Proteasen bei Pathogen und Wirt: Ihre Bedeutung bei Entzündung und Infektion – GRK-PRO“. Dazu beleuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Grundlagenforschung und Klinik zum einen die Bedeutung von Proteasen bei Entzündungen sowie zum anderen die molekularen Beziehungen zwischen Sequenz, Struktur und Funktion. (Universität Greifswald, Sprecherin: Professorin Dr. Barbara M. Bröker)
Nach der interaktiven Konstitution fachlichen Lernens fragt das Graduiertenkolleg „Fachlichkeit und Interaktionspraxis im Grundschulunterricht“. Es nimmt Fachlichkeit und Interaktionsqualität von Grundschulunterricht gleichermaßen und in ihrem Verhältnis in den Blick und beschäftigt sich mit Praktiken der Interaktionsorganisation, der inhaltlichen Strukturierung des Unterrichtsgegenstands und der Aufgabenbearbeitung im Unterricht. Durch die Analyse der Unterrichtspraxis im Deutsch- und Mathematikunterricht will das Kolleg die Grundlagen für eine vergleichende fachdidaktische Unterrichtsforschung legen, die spezifische und übergreifende Merkmale fachlichen Lernens identifizieren kann. (Universität Halle-Wittenberg, Sprecher: Professor Dr. Georg Breidenstein; ebenfalls antragstellend: Universität Kassel)
Biologische Prozesse werden durch fein abgestimmte aktivierende und hemmende Signale gesteuert. In diesen Signalwegen gibt es Kontrollpunkte, sogenannte Checkpoints, die laufende Prozesse unterbrechen, um eine eingehende Prüfung zu ermöglichen. Im Immunsystem wird durch Checkpoint-Blockade sowohl die Beseitigung eindringender Krankheitserreger und Krebszellen gestärkt als auch Gewebeschaden verursacht. Das Ziel des Graduiertenkollegs „Checkpoints der angeborenen Immunität bei Krebs und Gewebeschaden (In-Check)“ ist es, Checkpoints in Zellen der angeborenen Immunität näher zu betrachten. So könnten Therapien gegen Tumore und Gewebeschaden entwickelt werden, indem diese Checkpoints therapeutisch aktiviert oder blockiert werden. (Universität Heidelberg, Sprecherin: Professorin Dr. Adelheid Cerwenka)
Metaoberflächen bestehen aus maßgeschneiderten nanoskaligen optischen Elementen, sogenannten Meta-Atomen, die in einer Ebene angeordnet sind. Mit ihnen können die Eigenschaften von Lichtfeldern kontrolliert werden. Die meisten bisher realisierten Metaoberflächen waren jedoch rein passiv. Daher will das Internationale Graduiertenkolleg „Maßgeschneiderte Metaoberflächen – Erzeugung, Programmierung und Detektion von Licht“ aktive Metaoberflächen kreieren, die Licht emittieren, detektieren und dynamisch manipulieren können. Die Forscherinnen und Forscher aus Jena und Canberra wollen das Potenzial der Metaoberflächen ausnutzen, um die Voraussetzungen für neuartige (Quanten-)Lichtquellen, programmier-bare optische Systeme und verbesserte Detektoren zu schaffen. (Universität Jena, Sprecherin: Professorin Dr. Isabelle Staude; Kooperationspartner: The Australian National University (ANU), Canberra, Australien)
Expertinnen und Experten aus Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Informatik arbeiten im Graduiertenkolleg „KD⊃2;School – Gestaltung von adaptiven Systemen für ökonomische Entscheidungen“ zusammen. Sie wollen kontextabhängige ökonomische Entscheidungsprozesse ergründen und entsprechende IT-basierte Systeme zur Unterstützung ökonomischer Entscheidungen gestalten. Die adaptiven Systeme sollen sich an den Kontext einer Entscheidungssituation anpassen und „sich selbst verbessern“. Bislang werden solche Systeme vorwiegend mit gewinnorientierten oder politischen Zielen beforscht. (Karlsruher Institut für Technologie, Sprecher: Professor Dr. Christof Weinhardt)
Das Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs „WASSERSTOFF Isotope, 1,2,3H“ verbindet unterschiedliche Forschungsfelder innerhalb der Chemie und einiger angrenzender Fachgebiete wie Festkörperphysik und Materialwissenschaften mit dem Ziel, nukleare Quanteneffekte in Wasserstoffisotopen zu untersuchen. Dabei kommen in einem integrativen Ansatz verschiedene Methoden der organischen Synthese, der Radiochemie, der Molekül- und Festkörperchemie sowie der theoretischen Chemie zum Einsatz. Die Forschungen sollen dazu beitragen, Eigenschaften des Wasserstoffs in seinen verschiedenen Formen besser zu verstehen und für den Menschen nutzbar zu machen, um beispielsweise nachhaltige Energieträger entwickeln oder radioaktiven Abfall recyceln zu können. (Universität Leipzig, Sprecher: Professor Dr. Knut R. Asmis)
Wie lassen sich Autoimmunerkrankungen, von denen 4–5 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, frühzeitig erkennen? Diese Frage ist bisher kaum erforscht. Hier setzt das Graduiertenkolleg „Definition und gezielte Intervention bei Prädisposition zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen“ an und will Biomarker zur Früherkennung sowie Prädispositionen und den Zusammenhang zu Umweltfaktoren als Auslöser von Autoimmunerkrankungen erforschen. So könnte in Zukunft eine Behandlung bereits vor dem Auftreten von Symptomen ermöglicht werden und damit eine Alternative bieten zu den heute gängigen, meist lebenslang nötigen immunsuppressiven Therapien für Erkrankte. (Universität zu Lübeck, Sprecher: Professor Dr. Ralf Joachim Ludwig)
Die bisher weniger erforschten Aspekte von „Dynamik und Stabilität sprachlicher Repräsentationen“ untersucht das gleichnamige Graduiertenkolleg, ergänzt um den Untertitel „Neurolinguistik – Erwerb & Intervention – Variation & Wandel“. Sprachliche Repräsentationen sind die mentalen und kognitiven Entsprechungen linguistischer Basiskategorien von der Laut- bis zur Wort- und Phrasenebene. An der Schnittstelle geistes- und naturwissenschaftlicher Forschung will das Kolleg über eine metatheoretische Perspektive die unterschiedlichen Repräsentationsannahmen und -theorien vereinen und empirisch fundieren sowie grundsätzliche Phänomene der Sprachwahrnehmung, des Spracherwerbs und des Sprachgebrauchs erforschen. (Universität Marburg, Sprecher: Professor Dr. Mathias Scharinger)
Bis zu 40 Prozent der Bevölkerung in Industrieländern leiden an allergischen Erkrankungen. Ziel des Graduiertenkollegs „Immunologische Schalter bei Allergien und Autoimmunkrankheiten“ ist daher die Suche nach sogenannten Immune-Master-Switches (IMS). Diese sind für die Initiierung, aber auch die Chronifizierung und Resilienz gegenüber Entzündungsreaktionen bei Allergien und Autoimmunerkrankungen verantwortlich. Von der Identifizierung relevanter IMS versprechen sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein besseres Abschätzen des Risikos, mit dem allergische Erkrankungen fortschreiten, zu Komplikationen oder zum Tod führen. (TU München, Sprecher: Professor Dr. Tilo Biedermann)
Das Graduiertenkolleg „Funktionelle pi-Systeme: Aktivierung, Wechselwirkungen und Anwendungen (pi-Sys)“ will sich der Untersuchung, Analyse und Herstellung von Substanzen und Materialien widmen, die funktionalisierte pi-Systeme – eine besondere Form der chemischen Bindung – enthalten. Die Forscherinnen und Forscher aus Münster und dem japanischen Nagoya bewegen sich dabei im Grenzgebiet zwischen Materialforschung und organischer Synthesechemie einerseits sowie Katalyse und biologischen Anwendungen andererseits. Dabei wollen sie die pi-Systeme von der chemischen Bindung her und nicht von einzelnen Stoffklassen aus denken und untersuchen. Sie wollen so „Materialien der nächsten Generation“ entwickeln. (Universität Münster, Sprecher: Professor Dr. Armido Studer; Kooperationspartner: Nagoya University, Japan)
Quantentechnologie macht sich quantenmechanische Effekte zunutze, um Informationen zu speichern, zu verarbeiten und zu übertragen. Dies führt zu neuartigen Phänomenen, Konzepten und Funktionalitäten. Das deutsch-kanadische Graduiertenkolleg „Imaging von Quantensystemen: Photonen, Moleküle und Materialien“ will die Forschungsgebiete Quantenoptik, ultraschnelle Elektronendynamik und elektronische Kohärenz kombinieren, um innovative Konzepte in Telekommunikation, Daten- und Bildverarbeitung zu entwickeln. (Universität Rostock, Sprecher: Professor Dr. Stefan Scheel; Kooperationspartner: University of Calgary, University of Ottawa, beide Kanada)
Der Begriff „Kooperative Apertursynthese“ bezeichnet in der Radartechnik ein Verfahren, bei dem mehrere bewegliche Radarsysteme zu einer großflächigen Radarapertur kombiniert werden. Die einzelnen Radarsysteme werden dabei von Flugrobotern getragen, die sich in einem Schwarm bewegen. Die mit diesem Prinzip möglichen neuartigen tomographischen Radarbildgebungsprinzipien sollen im Rahmen des Graduiertenkollegs „Kooperative Apertursynthese für Radar-Tomographie (KoRaTo)“ erforscht werden und beispielsweise in der Erdbeobachtung genutzt werden. Das Kolleg will dazu einen Bogen von der Erfassung der Radarmessdaten über die dazugehörigen Datenmodelle und die dafür benötigen Algorithmen bis hin zur Ausarbeitung der digitalen Bilddaten spannen. (Universität Ulm, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Christian Waldschmidt; ebenfalls antragstellend: Universität Erlangen-Nürnberg)
Mit den grundlegenden Verhaltensmustern Annäherung und Vermeidung beschäftigt sich das Graduiertenkolleg „Neuronale Mechanismen von (mal)adaptivem Annäherungs-Vermeidungsverhalten“. Aus den Perspektiven von Psychologie, Psychiatrie und Neurobiologie wollen die Forscherinnen und Forscher eine große Bandbreite tierischen wie menschlichen Verhaltens besser verstehen. So befassen sie sich etwa mit den neuronalen Mechanismen, die einem Wechsel von Vermeidung zu Annäherung zugrunde liegen oder der Rolle von sozialen Faktoren in der Modulation des Annäherung- und Vermeidungsverhaltens in Menschen und Mäusen. (Universität Würzburg, Sprecher: Professor Dr. Matthias Gamer)
Die 14 für eine weitere Förderperiode verlängerten GRK
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner, mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Medienkontakt:
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Graduiertenkollegs.
Fachlicher Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Graduiertenkollegs finden sich unter: