Der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im März 2017 die Einrichtung des Schwerpunkprogramms „Fluidfreie Schmierung mit hoher mechanischer Belastung“ (SPP 2074) beschlossen. Als Laufzeit sind sechs Jahre vorgesehen. Die Forschungsprojekte haben Ende 2018 die Arbeit aufgenommen. Die DFG lädt hiermit ein zur Antragstellung für die zweite dreijährige Förderperiode (2022–2024).
Die überwiegende Zahl von tribologischen Systemen in technischen Anwendungen wird mit Fluiden, die meistens Öle und Fette sind, geschmiert. In Fällen, in denen keine Schmierung mit Öl oder Fett möglich ist, weil der Schmierstoff im Vakuum z. B. verdampft, wird als Alternative häufig ein Feststoff auf die Bauteiloberflächen aufgebracht. Der Schmierungsmechanismus in Feststoffschichten unterscheidet sich grundsätzlich von Tribosystemen mit Fluiden als Schmierstoff. Die Komplexität des Forschungsgegenstands erfordert eine fachübergreifende Bearbeitung, bei der Methoden des Maschinenbaus und der Werkstofftechnik sowie physikalische und chemische Simulations- und Analysemethoden gezielt vernetzt eingesetzt werden müssen.
Im Schwerpunktprogramm sollen die Mechanismen von Reibung und Verschleiß durch die Transferschichtbildung in tribologischen Systemen mit hoher mechanischer Belastung bei Schmierung mit Festschmierstoffen erforscht werden. In der ersten Förderperiode standen die Bereitstellungsprozesse des Festschmierstoffs und die damit verbundenen Transferprozesse im Vordergrund.
In der zweiten Förderperiode soll das Verständnis für die Synthese von Festschmierstoffkonzepten genutzt werden. Der Fokus soll auf Anwendungen in Maschinenelementen und in Antriebsystemen mit hochbelasteten Roll-/Wälzkontakten liegen. Die Erfahrungen aus früheren Forschungsarbeiten zu Festschmierstoffen zeigen, dass die Einflussgrößen aus spezifischen Anwendungen die tribologischen Bedingungen beim Schmierstofftransfer und der Nutzung des Transferfilms wesentlich beeinflussen. Daher müssen die Untersuchungen zur Gewinnung realitätsnaher Erkenntnisse über die Schmierstoffsysteme zwingend an den jeweiligen Originalsystemen erfolgen. Reine Modellversuche sind in der zweiten Förderperiode weitgehend ausgeschlossen. Sie sollten lediglich ergänzend neben Bauteilversuchen genutzt werden, sofern dies zweckmäßig und Erfolg versprechend erscheint.
Verschiedene Beschichtungen und Verfahren wurden überwiegend anhand von Modellversuchen verglichen, aussichtreiche Varianten sind erkannt oder werden in Kürze identifiziert. Mit oberflächenanalytischen Verfahren wurde die Beschaffenheit von Transferschichten charakterisiert, und die Transferschichten wurden in Screening-Versuchen ausgewertet. Materialkompositionen wurden vergleichend erstellt und bewertet. Prüfaufbauten wurde geschaffen und ergänzt. Mittels molekulardynamischer Untersuchungen wurden Modelle erstellt, und deren Interpretation ermöglicht den Übertrag von molekularer Ebene auf die Mikroebene.
In der zweiten Förderperiode rückt das reale Schmiersystem in den Vordergrund. Obwohl experimentelle Untersuchungen an Modellen wertvolle Erkenntnisse geliefert haben und liefern, ist eine Übertragung auf reale Schmiersysteme nicht in jeden Fall möglich beziehungsweise es treten in realen Schmiersystemen zusätzliche Effekte auf – wie aus früheren Forschungsarbeiten bekannt ist. Daher sollen die experimentellen Untersuchungen in der zweiten Förderperiode an realen Schmiersystemen erfolgen und nur in begründeten Einzelfällen durch Modelluntersuchungen ergänzt werden. Damit wird zugleich die Grundlage für einen zielgerichteten Transfer in praktische Anwendungen geschaffen. Die Arbeiten zur Simulation – insbesondere die molekulardynamischen Ansätze – sollen verstärkt zum Verständnis der Übertragungsmechanismen (vor allem des Transferfilmaufbaus), der Haftung an den Oberflächen, der Schmierstofffunktion und der Verschleißvorgänge beitragen. Dabei sind Interpretationsmöglichkeiten zur erforschen, die eine Übertragung von Erkenntnissen von der Molekülgrößenskala auf die Mikroskala gestatten.
Das Aufgabenfeld des Schwerpunktprogramms wird gegliedert in die Analyse der Bereitstellungs- und Transferprozesse – nun am Anwendungssystem – sowie deren Modellierung und die Umsetzung in Form der Gestaltung von fluidfreien Schmiersystemen. Die Modellierung der Bereitstellungsprozesse basiert dabei auf der Beschreibung des Abtrags des Festschmierstoffs. Die Methodenwahl erfolgt dabei abhängig von einer zentralen (Pressung > 100 MPa) beziehungsweise dezentralen Bereitstellung (Pressung < 100 MPa). Sie ist abhängig von den zugrunde liegenden Mechanismen. Physikalische Transferprozesse, die unter anderem eine Verklammerung der Festschmierstoffe und der Oberflächen beschreiben, können beispielsweise durch Finite-Elemente-Modelle beschrieben werden, die elastisch-plastische Materialmodelle berücksichtigen. Chemische Transferprozesse erfordern die Modellierung der Interaktion zwischen Festschmierstoff und Oberflächen auf atomar-molekularer Ebene. Dafür können molekulardynamische Simulationen eingesetzt werden, die die Beschreibung adsorptiver und reaktiver Verbindungen erlauben.
Als Grundlage zur Analyse der Mechanismen sollen die Untersuchungen am Maschinenelement genutzt werden. Die Analyse selbst kann mithilfe von Oberflächen- und/oder Elementanalysen, REM/TEM-Untersuchungen usw. erfolgen. Zu den einzusetzenden Methoden zählen insbesondere elektronenmikroskopische Methoden (SEM, FEG-SEM, HR-TEM, EELS, FIB, EBSD) zur Analyse von Transferschichten und die chemische Analytik der Reibkontaktflächen (XPS, AES, SIMS, AFM, LA-ICP-MS, LIBS, Raman, TAP, 3DAP).
Die gesetzten Ziele können durch Kombination von Simulation, Experiment und Analyse erreicht werden. Die Experimente sollen sich dabei den Betriebsbedingungen annähern und reproduzierbares Verhalten aufzeigen. Analytische Methoden, insbesondere moderne Techniken der chemischen Oberflächen- und der Strukturanalytik, sollen die physikalischen und chemischen Mechanismen identifizieren. Neben der experimentellen und analytischen Forschung sollen simulative Methoden genutzt werden, um die physikalischen und chemischen Mechanismen abzubilden und so Modelle zur Bildung von tribologisch wirksamen Feststoffschmierschichten entwickeln zu können.
Der Fokus der Untersuchungen liegt dabei auf den hochbelasteten Roll-/Wälzkontakten (Pressung >100 MPa bis 5000 MPa). Abhängig vom Schmierungskonzept kann es aber beispielsweise bei der Nutzung eines Schmierstoffdepots auch notwendig sein, die Schmierstoffbereitstellung aus einem geringer belasteten Kontakt in Analyse und Modellierung mit einzubeziehen, um etwa den Verschleiß des Depots so einstellen zu können, dass im hochbelasteten Kontakt stets ausreichend Festschmierstoff zur Verfügung steht.
Bei der Bereitstellung des Festschmierstoffs soll sowohl ein Abtrag des Schmierstoffs in hochbelasteten Bereichen (zentral: Pressung > 100 MPa) als auch in gering belasteten Bereichen (dezentral: Pressung < 100 MPa) betrachtet werden. Dabei sollen die Schmiersysteme geschlossene Systeme sein. So ist die Nutzung einer kontinuierlichen Zuführung von Festschmierstoffen (beispielsweise von außerhalb eines geschlossenen Lagergehäuses) nicht Inhalt des Arbeitsprogramms.
Das vorgesehene Arbeitsprogramm umfasst die Forschung an gängigen Festschmierstoffen, wie z. B. an PTFE, Grafit, MoS2, WS2, dotierten Kunststoffen und weichen Lagermetallen. Die Festschmierstoffe können in gesinterten Bauteilen, in Vertiefungen von Oberflächentexturierungen, in Gleitlacken, in Kunststoffen, als Bauteilwerkstoff (z. B. Kunststoff) oder als Beschichtung vorliegen.
Harte Beschichtungen, wie sie für den Verschleißschutz häufig eingesetzt werden, liegen nicht im Fokus des Schwerpunktprogramms und sollen daher nur in Kombination mit Festschmierstoffen betrachtet werden. Ebenso ist eine reine Werkstoffentwicklung, auch unter Nutzung bestehender Materialien und Mikrosystemtechnik, nicht Teil des Forschungsprogramms. Auch die Applikation (Prozesstechnik) von Trockenschmierstoffen auf ein Bauteil mit verschiedenen Mechanismen und die Einbringung von Trockenschmierstoffen in den Sinterprozess von Bauteilen aus Metall oder in den Spritzgießprozess von Bauteilen aus Kunststoff liegt nicht im Hauptarbeitsfeld des Schwerpunktprogramms. Der Bereich der Zerspanung und der Umformung soll ebenfalls nicht behandelt werden. Beschichtungssysteme sollen hier immer im Zusammenhang mit einer Anwendung erforscht werden, um damit direkt umsetzbare Ergebnisse zu erarbeiten. Konkret für die zweite Förderphase bedeutet dies, dass alle Beschichtungsvarianten eine Bewertung im Hinblick auf die Anwendung erfordern; eine Bewertung auf Basis von Modellversuchen wie in der ersten Förderperiode ist nicht zielführend und sollte auf ein Minimum reduziert werden. Die im Schwerpunktprogramm betrachteten Systeme sollten einen Temperaturbereich bis maximal 200 °C aufweisen, um Effekte wie Oxidation und Diffusion einzuschränken.
Die vollständigen Anträge für die zweite Förderperiode können bis 8. Juni 2021 bei der DFG elektronisch eingereicht werden. Es ist ferner eine Beteiligung von ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möglich, wenn das Projekt für das Schwerpunktprogramm insgesamt von Mehrwert ist. Dies ist im Antrag besonders zu erläutern.
Für die Antragstellung sind die Vorgaben der Merkblätter 50.05 und 54.01 zu beachten sowie die Vorlage 53.01 zu nutzen. Bitte beachten Sie, dass die Antragsvorlage im Jahr 2020 grundlegend überarbeitet wurde und nur Anträge nach der aktuellen Vorlage akzeptiert werden. Die Antragstellung erfolgt über das elan-Portal zur Erfassung der antragsbezogenen Daten und zur sicheren Übermittlung von Dokumenten. Bitte wählen Sie das Schwerpunktprogramm aus der angebotenen Liste aus.
Falls Sie bereits im Rahmen des Schwerpunktprogramms gefördert werden und Ihr Projekt fortsetzen möchten, achten Sie bitte darauf, den Antrag als Fortsetzungsantrag und nicht als Neuantrag einzureichen.
Wenn es sich bei der Antragstellung um Ihren ersten Antrag bei der DFG handelt, berücksichtigen Sie bitte, dass Sie sich bis zum 1. Juni 2021 registrieren müssen. Die Bestätigung erfolgt in der Regel bis zum darauffolgenden Arbeitstag. Ohne vorherige Registrierung ist eine Antragstellung nicht möglich.
Weitere Informationen zum Schwerpunktprogramm sind hier zu finden:
Das elan-Portal zur Antragstellung ist hier zu finden:
Die Merkblätter zur Antragstellung sind hier zu finden:
Für inhaltliche Rückfragen steht Ihnen der Koordinator des Schwerpunktprogramms zur Verfügung:
Informationen zur Antragstellung bei der DFG erteilen:
Inhaltliche Informationen:
Administrative und formale Informationen: