Bei Arbeiten an biologischem Material (bzw. darauf bezogenem traditionellen Wissen) im Ausland oder an biologischen Objekten, die ursprünglich im Ausland gewonnen wurden, könnte Ihr Forschungsvorhaben unter den rechtlichen Rahmen des Nagoya Protokolls („Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from Their Utilizatio“, NP) der Biodiversitätskonventio (Convention on Biological Diversity, CBD) und die darin verankerten Access and Benefit Sharing (ABS) Regelungen fallen.
Das Nagoya-Protokoll ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der den Zugang zu den sog. genetischen Ressourcen sowie deren Nutzung (Forschung) und einen damit verbundenen gerechten Vorteilsausgleich gegenüber den Geberland regelt. Dabei ist die genetische oder biochemische Analyse von jeglichem biologischen Material betroffen, Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen (auch Humanpathogene) sowie die Analysen von Boden- oder Wasserproben. Lediglich humane Proben fallen nicht unter dieses Rahmenwerk.
Diese FAQ stellen nur eine unverbindliche Hilfestellung dar. Eine verbindliche Rechtsberatung kann nur durch das Bundesamt für Naturschut (BfN) erfolgen.
ABS = Access and Benefit Sharing
ABSCH = Access and Benefit Sharing Clearing-House / ABS-Informationsstelle
BfN = Bundesamt für Naturschutz
CBD = Convention on Biological Diversity / Biodiversitätskonvention
CNA/FP = Competent National Authority/Focal Point / vor Ort die zuständige nationale Behörde
MAT = Mutually Agreed Terms / Zugangsvertrag
MTA = Material Transfer Agreement / Materialübertragungsvereinbarung
NP = Nagoya Protokoll
PIC = Prior Informed Consent
Hinweise zur Durchführung eines solchen Forschungsprojektes finden Sie u. a. in den folgenden Veröffentlichungen der Ständigen Senatskommission für Grundsatzfragen der biologischen Vielfal der DFG:
Um die Wissenschafter*innen sowie die Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu unterstützen, finanziert die Allianz der Wissenschaftsorganisationen eine Allianz - Access and Benefit Sharing - Informationsplattform (Nagoyaprotocol-hub – Nagoyaprotocol HU).
Gemäß den Bestimmungen der CBD sind seit dem 29. Dezember 1993 die Materialien beziehungsweise Objekte Eigentum des bereitstellenden Staates (Ihr Gastgeberland). Sofern die Gesetzgebung des Landes dies erfordert, müssen Sie eine Genehmigung für den Zugang zu dem Material beantragen. Deutschland und die meisten Mitgliedsstaaten der EU gewähren freien Zugang zu ihrem eigenen biologischen Material (unbeschadet etwaiger Genehmigungspflichten gemäß Umweltschutzbestimmungen wie zum Beispiel Gesetzen zu Arten- und Lebensraumschutz).
In diesem Fall unterliegen Sie spezifischen Instrumentarien zur Gewährleistung der Einhaltung, die in der Verordnung (EU) Nr. 511/201 niedergelegt sind. Das die EU-Verordnung ergänzende deutsche Umsetzungsgeset überträgt die Befugnis zur Überwachung auf das BfN. Das NP spezifiziert die Terminologie und Bedingungen des Zugangs zu genetischen Ressourcen sowie die Pflicht zum Ausgleich von aus deren Nutzung erwachsenden Vorteilen. Darüber hinaus richtet es sich an bereitstellende Staaten und verlangt von diesen Rechtssicherheit bezüglich ihrer nationalen Regelungen und insbesondere eine Vereinfachung der Verfahren für nicht-kommerzielle Forschung. Aber auch dann, wenn der bereitstellende Staat kein Vertragspartner des NP ist, kann er ABS-Regelungen eingerichtet haben, die selbstverständlich einzuhalten sind.
Für weitere Informationen zu Mitgliedsstaaten des Protokolls von Nagoya und deren Regelungen und Behörden für den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich konsultieren Sie bitte die vom Sekretariat des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zur Verfügung gestellte Webseite der ABS-Informationsstelle unter Access and Benefit-Sharing Clearing-House (ABSCH.
Die CBD und das NP treffen hierzu keine abschließende Antwort. Art. 8 lit. a des Nagoya-Protokolls legt den Bereitstellerstaaten nur nahe, vereinfachte Maßnahmen für den Zugang für nicht kommerzielle Forschungszwecke zu treffen, ohne dass diesbezüglich eine Pflicht bestünde. Auch seitens der EU oder Deutschlands werden hierzu keine gesonderten Pflichten oder Erleichterungen aufgestellt. Ob ein erleichterter Zugang für die nichtkommerzielle Forschung besteht, richtet sich somit nach dem jeweiligen Bereitstellerland. Grundsätzlich unterliegt jedwede Forschung den Voraussetzungen der vorherigen Zustimmung (prior informed consent, PIC) und des Abschlusses eines Zugangsvertrags (mutually agreed terms, MAT).
Wurde das Material vor Inkrafttreten der CBD, das heißt vor dem 29. Dezember 1993 erworben, gehört es dem Archiv und seine Nutzung unterliegt dem Ermessen der Sammlung, es sei denn, das Material wurde unter Bedingungen erworben, die von dem bereitstellenden Staat eingerichtet wurden und denen das Archiv zugestimmt hat. Wurde das Material nach diesem Datum erworben, muss abgeklärt werden, ob die ursprünglichen Genehmigungen beziehungsweise Dokumente spezielle Regelungen zur Nutzung durch Dritte umfassen. Ist dies der Fall, muss die neue Nutzung mit diesen Vereinbarungen in Einklang sein. Gibt es keine Spezifikationen bezüglich einer weiteren Nutzung, muss der bereitstellende Staat kontaktiert und müssen neue Genehmigungen für das Vorhaben verhandelt werden.
Wenn die Forschung kommerziell motiviert ist und schließlich Einkünfte aus ihr erwachsen werden, wird der bereitstellende Staat, repräsentiert durch Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen vor Ort, eine Nichtregierungsorganisation oder eine indigene ethnische Gruppe, seinen Anteil an den aus der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen erwachsenden Einkünfte fordern. Dies erfordert einen Vertrag vor der Gewährung von Zugang zu den genetischen Ressourcen.
Handelt es sich um Grundlagenforschung oder angewandte Forschung ohne jegliche kommerzielle Absicht, können dennoch Vorteile für den bereitstellenden Staat aus Ihrer Arbeit erwachsen. Diese können in einem Vertrag vereinbart oder in den Dokumenten festgehalten werden, die Ihnen Zugang zu genetischen Ressourcen und eine Forschungsgenehmigung erteilen (PIC). Beispiele für nicht finanzielle Vorteile sind das Teilen der in dem Vorhaben gewonnenen Daten und Informationen, die Ausbildung von ortsansässigen Studierenden, die gemeinsame Autorschaft bei Veröffentlichungen, sofern dies in Einklang mit einer guten wissenschaftlichen Praxis steht, die Hinterlegung von Proben in nationalen Sammlungen oder auch das Bereitstellen von Ausrüstung für eine gemeinsame Nutzung mit der Partnereinrichtung.
Prinzipiell sind die Länder frei bei ihren ABS-Verfahren. Vertragsparteien des NP (sowie Mitglieder der CBD, die keine Mitglieder des NP sind) werden ein Verfahren einrichten, das im NP ausgeführt ist und das aus mehreren aufeinanderfolgenden Schritten besteht. Der erste ist eine „auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung“ (PIC): Sie informieren direkt oder gemeinsam mit Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen vor Ort die zuständige nationale Behörde (Competent National Authority/Focal Point, CNA/FP) des bereitstellenden Staates über Ihr Forschungsvorhaben und die genetischen Ressourcen, die Sie nutzen möchten, und beantragen PIC, wenn dies gefordert wird. Wird PIC gewährt, ist der nächste Schritt die „einvernehmlich vereinbarten Bedingungen“ (MAT), in denen Details zu den genetischen Ressourcen und zu den Bedingungen von deren Nutzung (zum Beispiel die Anzahl und Häufigkeit von Berichten an die CNA/FP) sowie Etappenziele eines Vorteilsausgleichs niedergelegt sind, in der Regel in Form einer Zugangsvereinbarung. Wenn Sie planen, genetische Ressourcen aus dem bereitstellenden Staat auszuführen oder an Dritte weiterzugeben, ist eine „Materialübertragungsvereinbarung“ (Material Transfer Agreement, MTA; nicht zu verwechseln mit MAT) erforderlich. Diese kann in der Zugangsvereinbarung enthalten sein. Die MTA kann möglicherweise auch eine gemäß handelsrechtlichen Bestimmungen des bereitstellenden Staates erforderliche Exportgenehmigung beinhalten.
Welche Schritte und Dokumente genau in Ihrem Fall erforderlich sein werden, hängt von den Bestimmungen des bereitstellenden Staates und Ihren Verhandlungen mit Ihren Kolleginnen und Kollegen vor Ort und/oder der CNA/FP ab.
Auch wenn es sich nicht um eine leichte Lektüre handelt, ist es dennoch ratsam, diesen Leitfaden oder die vom BfN herausgegebenen Informationsbroschüren eingehend zu studieren, was Ihnen in den meisten Fällen das Durchgehen des Originaltexts der relevanten Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften erleichtert beziehungsweise erspart.
Arbeitsergebnisse aus DFG-finanzierten Projekten müssen der Allgemeinheit in geeigneter Art und Weise zugänglich gemacht werden (Siehe DFG-Verwendungsrichtlinien (DFG-Vordruck 2.00 – 01/2), Ziffer 13). Auch in anderen Kontexten wird regelmäßig erwartet, dass Sie Ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Zurückhaltung von Daten für die Beantragung von Patenten steht in Ihrem Ermessen und dem Ihrer Kollegin beziehungsweise Ihres Kollegen vor Ort und ist eine Angelegenheit, die in den MAT-Verhandlungen angesprochen werden sollte. Wenn Sie planen, „sensible Daten“ wie zum Beispiel Sequenzdaten von Genen zu erzeugen, ist es ratsam, dies der CNA/FP gegenüber bei der Beantragung von PIC offenzulegen. Im Rahmen eines Vorteilsausgleichs ist eine gemeinsame Veröffentlichung mit einem aktiv teilhabenden Kollegen vor Ort selbstverständlich, kann aber dennoch in den MAT-Verhandlungen angesprochen werden.
Der Zeitraum kann nur schwer abgeschätzt werden, und da viele bereitstellende Staaten noch dabei sind, Behörden und Verfahren einzurichten, kann es eine Weile dauern – insbesondere, wenn Sie Ihre Korrespondenz via E-Mail beginnen. Wenn es weniger als ein Jahr dauert, kann das als Erfolg verbucht werden. Allerdings könnte im Lauf der Zeit eine Verbesserung eintreten. Ebenso wenig geregelt sind die Kosten, die dementsprechend von einer Regelung durch den bereitstellenden Staat und von Ihren Verhandlungen abhängen. Gebühren von 10 oder 1000 US-Dollar sind durchaus im Bereich des Möglichen (hier handelt es sich um tatsächliche Zahlen). Des Weiteren können auch Kosten für die Forschungsgenehmigung entstehen, nicht nur für das ABS-Verfahren. In jedem Fall ist es zu empfehlen, sich im Vorhinein zu informieren (bereits bei der Beantragung der Sachbeihilfe).
Hierbei könnte es sich um das handeln, was im Allgemeinen als „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“ (ATK) bezeichnet wird. Prinzipiell sollte es möglich sein, Zugang zu diesem Wissen zu erhalten. Abhängig von der Gesetzgebung des bereitstellenden Staates müssen Sie die Zustimmung derer einholen, die das ATK haben, das heißt indigene oder ortsansässige Gemeinschaften und/oder Einzelpersonen oder Vereinigungen wie zum Beispiel Heiler und Heilernetzwerke. Darüber hinaus ist unter Umständen auch die Zustimmung der für traditionelle Kultur zuständigen Behörden erforderlich.
Ist Ihr bereitstellender Staat keine Vertragspartei des NP (das heißt, hat er es nicht ratifiziert), dann findet die genannte Verordnung EU Nr. 511/2014 keine Anwendung. Ist Ihr bereitstellender Staat Vertragspartei des NP, bestehen zusätzliche Pflichten, auch für Vorhaben zur Grundlagenforschung. Diese sind aber in der Regel nicht schwer zu erfüllen. Wenn Ihr Forschungsprojekt bewilligt wurde und Sie die vorgesehenen genetischen Ressourcen erhalten haben, müssen Sie die zuständige nationale Behörde in Deutschland, das heißt das BfN, über Ihr Vorhaben in Kenntnis setzen. Diese Informationen sind spätestens bei Beendigung des Vorhabens fällig. Hierzu müssen entsprechende Formulare ausgefüllt werden, aber da die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen ist, sollten Sie das BfN kontaktieren, um bezüglich der Details auf dem Laufenden zu sein. In jedem Fall müssen Ihre Dokumente von dem bereitstellenden Staat belegen, dass Ihr Vorhaben mit den Bestimmungen des bereitstellenden Staates und/oder dem NP sowie mit den EU-Verordnungen in Einklang ist. Mit dem Bericht an das BfN üben Sie die „gebotene Sorgfalt“ aus, bei der es sich um eine ganz wesentliche Forderung durch die EU und die deutsche Gesetzgebung handelt.
Komplexer stellt sich die Situation bei Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten dar, die auf kommerzielle Produkte abzielen, oder wenn Patente involviert sind. Dies erfordert ein tieferes Eintauchen in die Regelungen und auch mehr bürokratischen Aufwand.
Die Nichteinhaltung von Regelungen des bereitstellenden Staates wird mit Geldbußen bestraft und kann das Ende Ihrer Forschung bedeuten, wenn die genetischen Ressourcen konfisziert werden. Nicht zu vergessen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Gastgeberland selbstverständlich auch den allgemeinen Gesetzen unterliegen. Auch eine Nichteinhaltung der gebotenen Sorgfalt kann zu einem vorzeitigen Ende des Vorhabens und in schweren Fällen auch zu Geldstrafen führen.
Bei diesem klassischen Fall gilt es, einige Aspekte zu beachten.
Es ist davon auszugehen, dass Ihre Einrichtung für Ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn Forschung mit genetischen Ressourcen im Sinne der CBD und des NP unter EU-Verordnung (EU) Nr. 511/201 und dem deutschen Gesetz zur Umsetzun durchgeführt wird. Eine Entscheidung dahingehend wird in den Leitlinien, die derzeit von der EU-Kommission und dem BfN vorbereitet werden, erwartet. Es ist empfehlenswert, Ihre Einrichtung rechtzeitig im Voraus über eine derartige Verantwortung zu informieren.