Themen von Feuerfest-Recycling über Material-Mikroben-Mikroumgebungen bis zur Konstruktionsgrammatischen Galaxis / Insgesamt rund 93 Millionen Euro für erste Förderperiode
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen 13 neue Graduiertenkollegs (GRK) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss, der per Videokonferenz tagte. Die neuen GRK werden ab Herbst 2022 erstmals für eine Dauer von zunächst fünf Jahren gefördert. Für sie besteht zudem erstmalig die Option, Promovierende mehr als 36 Monate bis zu maximal 48 Monate über das Programm Graduiertenkollegs zu finanzieren. Diese Änderungen hatte der Hauptausschuss im Dezember 2020 beschlossen, um eine auskömmliche Finanzierung der Promotion durch Mittel der DFG zu begünstigen. Damit erhalten die Verbünde zudem mehr Spielräume, um fachspezifischen Erfordernissen zu begegnen – etwa in einer experimentellen Disziplin – oder Besonderheiten des Qualifizierungsprogramms, wie bei Internationalen Graduiertenkollegs (IGK), stärker gerecht zu werden.
Die neu eingerichteten GRK erhalten eine Förderung von insgesamt rund 93 Millionen Euro. Darin enthalten ist eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Unter den neuen Verbünden sind zwei IGK mit je einer Partneruniversität in Kanada und Schweden. Zusätzlich zu den 13 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von sechs GRK für jeweils eine weitere Förderperiode. Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Aktuell fördert die DFG insgesamt 228 GRK, darunter 30 IGK.
Die neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner):
2-D-Materialien haben außergewöhnliche Eigenschaften, darunter elektrische und optische Eigenschaften sowie mechanische und elektrochemische Stabilität. Das macht sie interessant für viele Anwendungen, etwa in neuen Generationen von Photodetektoren und Batteriespeichern. Im Fokus des Internationalen Graduiertenkollegs „Skalierbare 2-D-Material-Architekturen (2-D-MATURE). Synthese und Prozessierung, Charakterisierung und Funktionalität, Implementierung und Demonstration“ steht die skalierbare Synthese dieser Materialien, also die Synthese auch in größerem als dem Labormaßstab. Ziel der Forschenden in Deutschland und Kanada ist es, die damit verbundenen Grenzflächenphänomene zu erforschen und zur Erstellung neuartiger Bauelemente beizutragen. Langfristig sollen 2-D-Materialien so auch jenseits des Labormaßstabs angewendet werden. (Universität Duisburg-Essen, Sprecher: Professor Dr. Gerd Bacher; Kooperationspartner: University of Waterloo, Kanada)
Die Strahlentherapie ist ein zentrales Element der Krebstherapie. Es gibt jedoch große individuelle Unterschiede in der Effektivität, Toxizität und den Resistenzmechanismen einer Strahlentherapie, die kaum verstanden sind. Das Graduiertenkolleg „Heterogenität, Plastizität und Dynamik der Antwort von Krebszellen, Tumor- und Normalgeweben auf therapeutische Bestrahlungen bei Krebs“ will daher durch Methoden der Biostatistik und unterschiedliche Modellierungen von Erkenntnissen aus präklinischen Modellen und Patientenproben die biologischen Prinzipien aufdecken, die die individuellen Reaktionen auf die Therapie bedingen. (Universität Duisburg-Essen, Sprecherin: Professorin Dr. Verena Jendrossek)
Die Konstruktionsgrammatik ist ein theoretischer Ansatz in der Linguistik, der auf der Annahme basiert, dass das gesamte sprachliche Wissen einer Person durch ein Netzwerk von Form-Bedeutungs-Paaren („Konstruktionen“) repräsentiert wird. Im Graduiertenkolleg „Die Konstruktionsgrammatische Galaxis“ befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Linguistik, Psychologie und Hirnforschung mit zentralen Fragen dieses Konzepts und beleuchten seine Anwendung auf verschiedene bislang wenig untersuchte Sprachen, Sprachstufen und Sprachkontaktsituationen. (Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecherin: Professorin Dr. Ewa Dabrowska)
Unter welchen sozialen, politischen, ökonomischen und medialen Bedingungen entsteht Literatur? Und welche Effekte hat Literatur auf die sie umgebenden Umwelten? Diesen Fragen widmet sich das Graduiertenkolleg „Literatur und Öffentlichkeit in differenten Gegenwartskulturen“. Es untersucht Gegenwartsliteraturen unterschiedlicher Sprachen und kultureller Räume seit 1945 in Hinblick auf sich wandelnde und fragmentierende Öffentlichkeiten. Dabei zeichnet es sich insbesondere durch seinen praxeologischen Literaturbegriff aus, der soziokulturelle Kontexte, politische Rahmenbedingungen, institutionelle Gegebenheiten, den Literaturbetrieb und das literarische Leben in die Analyse einbezieht. (Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Professor Dr. Dirk Niefanger)
Das Graduiertenkolleg „Feuerfest-Recycling: Ein Beitrag für Rohstoff-, Energie- und Klimaeffizienz in Hochtemperaturprozessen“ erforscht die Wiederverwendungsmöglichkeiten von Feuerfestkeramiken, die in Hochtemperaturanwendungen der Metallurgie, in der Baustoffindustrie und in der chemischen Industrie eingesetzt werden. Bisher werden diese Verbundwerkstoffe oft aus neu produzierten Ausgangsmaterialien hergestellt, was einen erheblichen Ressourcenverbrauch und im Herstellungsprozess auch hohe CO2-Emissionen verursacht. Mit seinen grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen will der Verbund zu einem effizienteren Recycling in diesem Feld beitragen. (TU Bergakademie Freiberg, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Christos G. Aneziris)
Das Zytoskelett ist ein bewegliches Gerüst aus dünnen Filamenten und verantwortlich für die Stabilisierung der Zellstruktur, aber auch für Bewegungen und Transporte innerhalb der Zelle. Das Graduiertenkolleg „Das Zytoskelett als aktives System – von molekularen Wechselwirkungen zu zellulärer Biophysik“ widmet sich molekularen und biophysikalischen Aspekten der zytoskelettalen Strukturen und Dynamiken und untersucht, wie diese mit der biologischen Funktion verbunden sind. Originell ist dabei, das Zytoskelett über verschiedene Größenskalen zu erforschen: von der Ebene einzelner Moleküle über mesoskopische Filamente und Membranen bis hin zu Zellen und Geweben. (Universität Göttingen, Sprecherin: Professorin Dr. Sarah Friederike Köster)
Wie verlaufen die Interaktionen zwischen Erreger und Wirt bei bakteriellen, viralen und parasitären Infektionserkrankungen des Menschen? Diese Frage steht im Zentrum des Graduiertenkollegs „Mensch und Mikrobe: Reorganisation von Zellkompartimenten und Molekülkomplexen während der Infektion“. Es erforscht, wie humanpathogene Bakterien, Viren und Parasiten große Molekülkomplexe und den Membrantransport in Wirtszellen nutzen, modulieren oder unterdrücken. Der Verbund verwendet eine Vielfalt auf diesem Feld bislang wenig verwendeter Methoden, um grundlegende Prinzipien der Wirt-Pathogen-Interaktion zu identifizieren. (Universität Hamburg, Sprecher: Professor Dr. Martin Aepfelbacher)
Sogenannte heteronome Texte, wie etwa Kommentare oder Chroniken, stehen in bewusster Abhängigkeit zu alten, autoritativen und kanonischen Texten. Sie stellen den zentralen Forschungsgegenstand des Graduiertenkollegs „Autonomie heteronomer Texte in Antike und Mittelalter“ dar. Durch aktualisierende Auswahl und Verarbeitung ihrer Vorlagen auf verschiedenen Ebenen – wissenschaftlich, kulturell, formal, ästhetisch – bilden diese Texte eine je eigene „Autonomie“ aus. Dieser Prozess weist zahlreiche Parallelen zu modernen Praktiken kultureller Tradierung und Erneuerung, aber auch zu zuspitzender Vereinfachung komplexer Sachverhalte wie beispielsweise in Didaktik und Internet auf. Der Verbund untersucht diesen Prozess anhand antiker und mittelalterlicher Texte. (Universität Jena, Sprecherin: Professorin Dr. Katharina Bracht)
Erkrankte oder verletzte Knochen und Gelenke werden häufig mit Implantaten behandelt. Dabei können bakterielle Infektionen auftreten, die erneute chirurgische Eingriffe sowie die Gabe von Antibiotika erfordern, die angesichts steigender Antibiotikaresistenzen zunehmend schwieriger zu behandeln sind. Das Graduiertenkolleg „Material-Mikroben-Mikroumgebungen (M-M-M): Antimikrobielle Biomaterialien mit maßgeschneiderten Strukturen und Eigenschaften“ möchte Oberflächenstrukturen entwickeln, deren physikalisch-chemische Eigenschaften so beschaffen sind, dass das Wachstum von schädlichen Mikroben auf den Implantaten auch ohne Antibiotika langfristig verhindert wird. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass die Oberflächen das Wachstum von menschlichen (Knochen-)Zellen ermöglichen. (Universität Jena, Sprecher: Professor Dr. Klaus D. Jandt)
An vielen physikalischen Großexperimenten wird daran geforscht, teilchenphysikalische Prozesse immer genauer zu vermessen und damit neue Physik zu entdecken. Hierfür ist es notwendig, neuartige Detektoren zu entwickeln. Dieser Forschungsaufgabe widmet sich das Graduiertenkolleg „Teilchendetektoren für zukünftige Experimente – Vom Konzept bis zum Betrieb“, indem es grundlegenden Fragen der Hochenergie-, Astroteilchen- sowie der Hadronen- und Kernphysik nachgeht. Dabei entwickelt es insbesondere neue Detektoren und bewegt sich damit im Grenzgebiet zwischen ingenieurwissenschaftlich-technischen und physikalischen Fragen. (Universität Mainz, Sprecher: Professor Dr. Matthias Schott)
Bei der Neuromodulation werden ausgewählte neuronale Strukturen im Körper mittels elektrischer Impulse oder durch Medikamente reversibel beeinflusst. Ziel des Graduiertenkollegs „Neuromodulation motorischer und kognitiver Funktionen im gesunden und kranken Gehirn“ ist es, Neuromodulationsverfahren bei zwei häufigen neurologischen Erkrankungen – Schlaganfall und Parkinson – zu untersuchen, um die neurobiologischen Grundlagen dieser Erkrankungen besser zu verstehen und neuartige Behandlungsansätze zu erarbeiten. (Universität Oldenburg, Sprecherin: Professorin Dr. Christiane M. Thiel; ebenfalls antragstellend: Universität zu Köln)
In Phasen starker hormoneller Veränderungen wie Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause steigt bei Frauen das Risiko, psychisch beispielsweise an Depression oder Angststörungen zu erkranken. Die zugrunde liegenden Mechanismen in diesem Umfeld zwecks Vorbeugung und Behandlung besser zu verstehen, ist das langfristige Ziel des Internationalen Graduiertenkollegs „Psychische Gesundheit von Frauen in der reproduktiven Lebensphase“. Forschende aus Deutschland und Schweden analysieren die Zusammenhänge zwischen hormonellen Übergangsphasen und psychischer Gesundheit und prüfen Hypothesen mit Fokus auf den Einfluss der Sexualhormone. (Universität Tübingen, Sprecherin: Professorin Dr. Birgit Derntl; Kooperationspartner: Uppsala Universitet, Schweden)
Im Mittelpunkt des Graduiertenkollegs „Nicht kanonische G-Protein-abhängige Signalwege: Mechanismen, Funktionen, Konsequenzen“ stehen Signalwege, über die zahlreiche biologische Prozesse im Körper reguliert werden und die bedeutsam sind für weitverbreitete Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs und Schlaganfall, aber auch für seltenere Krankheiten. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher analysieren und optimieren pharmakologische Werkzeuge und schließen so die Lücken im Verständnis ausgewählter nicht kanonischer Signalwege. Damit möchten sie zur Entwicklung neuer und effizienter Therapiestrategien beitragen. (Universität Tübingen, Sprecher: Professor Dr. Bernd Nürnberg)
Die für eine weitere Förderperiode verlängerten GRK
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner, mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Medienkontakt:
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Graduiertenkollegs.
Fachlicher Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Graduiertenkollegs finden sich unter: