Pressemitteilung Nr. 50 | 8. Dezember 2022

Gottfried Wilhelm Leibniz-Preise 2023

Wichtigster Forschungsförderpreis in Deutschland geht an vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler / Je 2,5 Millionen Euro Preisgeld / Verleihung am 15. März 2023 in Berlin

Wichtigster Forschungsförderpreis in Deutschland geht an vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler / Je 2,5 Millionen Euro Preisgeld / Verleihung am 15. März 2023 in Berlin

Die neuen Trägerinnen und Träger des wichtigsten Forschungsförderpreises in Deutschland stehen fest: Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte heute vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftlern den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 zu. Sie waren zuvor vom zuständigen Auswahlausschuss aus 131 Vorschlägen ausgewählt worden. Von den zehn Preisträgerinnen und Preisträgern kommen je zwei aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Naturwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften sowie vier aus den Lebenswissenschaften. Die Ausgezeichneten erhalten jeweils ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Diese Gelder können die Preisträgerinnen und Preisträger bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden. Die Leibniz-Preise werden am 15. März 2023 in Berlin verliehen.

Den „Förderpreis im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm“ der DFG für das Jahr 2023 erhalten:

  • Professor Dr. Largus Angenent, Bioingenieurwissenschaft, Universität Tübingen
  • Professorin Dr. Claudia Höbartner, Biologische Chemie, Universität Würzburg
  • Professor Achim Menges, Architektur, Universität Stuttgart
  • Professorin Dr. Sarah Ellen O’Connor, Naturstoffbiosynthese, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena
  • Professor Dr. Stefan Pfister, Pädiatrische Onkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Universität Heidelberg
  • Professor Dr. Hartmut Rosa, Soziologie, Universität Jena und Universität Erfurt
  • Professor Dr. Georg Schett, Rheumatologie, Universität Erlangen-Nürnberg
  • Professorin Dr. Catharina Stroppel, Reine Mathematik, Universität Bonn
  • Professor Dr. Fabian Theis, Bio- und Medizininformatik, Helmholtz Zentrum München und Technische Universität München
  • Professorin Dr. Anita Traninger, Romanische Literaturwissenschaft, Freie Universität Berlin

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Mit den zehn Preisen für 2023 sind bislang insgesamt 408 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 129 in die Naturwissenschaften, 119 in die Lebenswissenschaften, 97 in die Geistes- und Sozialwissenschaften und 63 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 435 Nominierte den Preis erhalten, darunter 364 Wissenschaftler und 71 Wissenschaftlerinnen.

Zwei Leibniz-Preisträgerinnen und neun Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten: 1988 Professor Dr. Hartmut Michel (Chemie), 1991 Professor Dr. Erwin Neher und Professor Dr. Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Professorin Dr. Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Professor Dr. Theodor W. Hänsch (Physik), 2007 Professor Dr. Gerhard Ertl (Chemie), 2014 Professor Dr. Stefan W. Hell (Chemie), 2020 Professorin Dr. Emmanuelle Charpentier (Chemie) und Professor Dr. Reinhard Genzel (Physik), 2021 Professor Dr. Benjamin List (Chemie) sowie 2022 Professor Dr. Svante Pääbo (Medizin).

Die Leibniz-Preisträgerinnen und -Preisträger 2023 im Kurzporträt:

Professor Dr. Largus Angenent, Bioingenieurwissenschaft, Universität Tübingen

Den Leibniz-Preis erhält Largus Angenent für seine herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Umweltbiotechnologie, mit denen er zentrale Beiträge zur mikrobiellen Elektrochemie geleistet hat. Angenent ist weltweit einer der Begründer dieses Forschungsgebiets und Mitgründer der 2011 ins Leben gerufenen International Society for Microbial Electrochemistry and Technology, der er auch als Präsident vorsaß. Seine Arbeiten sind mit Blick auf den Klimawandel und die damit verbundene Notwendigkeit einer nachhaltigen Nahrungs-, Chemie- und Energiewirtschaft hochaktuell. So nutzt Angenent etwa die Kombination mikrobieller Fermentationsprozesse mit Elektrochemie und synthetischer Biologie zur Umwandlung organischer Abfälle und Industriegase in wertvolle organische Produkte. Mittels zweier Start-up-Unternehmen hat Angenent überdies seine akademischen Leistungen erfolgreich in die Anwendung übertragen.

Largus Angenent studierte Umweltwissenschaften an der Universität Wageningen, Niederlanden, und wurde 1998 an der Iowa State University, USA, in Environmental Engineering promoviert. Nach Postdoc-Aufenthalten in Illinois und Colorado wurde er 2002 als Assistant Professor an die Washington University in St. Louis berufen. 2008 wechselte Angenent an die Cornell University, zunächst als Associate Professor, ab 2015 als Professor für Biological and Environmental Engineering. Die Universität Tübingen holte ihn 2017 als Humboldt-Professor nach Deutschland; seit 2019 ist er zudem Fellow am Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen.

Professorin Dr. Claudia Höbartner, Biologische Chemie, Universität Würzburg

Der Leibniz-Preis für Claudia Höbartner würdigt ihre Arbeiten in den Gebieten der organischen und biomolekularen Chemie funktionaler Nukleinsäuren. Mit ihrer viel beachteten Veröffentlichung zur Aufklärung der ersten Struktur eines DNA-Enzyms, das eine Verknüpfung von RNA-Strängen katalysiert, hat Höbartner Einblicke in das aktive Zentrum des Katalysators auf atomarer Ebene ermöglicht und damit einen bedeutenden Beitrag zur Chemie katalytisch aktiver Nukleinsäuren geleistet. Ihre wegweisende Forschung basiert auf einer Kombination aus kreativen Strategien zur Entdeckung neuer katalytischer Nukleinsäuren, sogenannter Ribozyme und Desoxyribozyme, kombiniert mit der Bestimmung ihrer Strukturen und ihrer Funktionsmechanismen. Überdies setzt Höbartner neuartige chemische Verfahren und Elemente der chemischen Biologie zur Synthese und Markierung modifizierter RNA ein, um die biologischen Funktionen von RNA sowie von natürlichen und künstlich erzeugten RNA-Modifikationen zu untersuchen und sichtbar zu machen.

Claudia Höbartner studierte Technische Chemie an der TU Wien und der ETH Zürich. Nach der Promotion in Organischer Chemie 2004 an der Universität Innsbruck ging sie als Postdoktorandin an die University of Illinois, USA. 2008 wurde sie Leiterin einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen und erhielt 2014 einen Ruf als W2-Professorin an die Universität Göttingen. Seit 2017 ist Höbartner Lehrstuhlinhaberin für Organische Chemie an der Universität Würzburg, 2016 erhielt sie zudem einen ERC Consolidator Grant. 2022 wurde sie als Mitglied in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen.

Professor Achim Menges, Architektur, Universität Stuttgart

Achim Menges wird für seine Forschungen auf dem Gebiet der digitalen Planungsmethoden und robotischen Fertigung in der Architektur, die neuartige Bauweisen ermöglichen, mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Menges Forschungsarbeit zielt auf eine durchgehende digitale Bearbeitung des Bauens vom Entwurf bis zur Ausführung. Der Fokus liegt zudem auf der Integration der Wechselwirkungen von Form, Material, Struktur und Umwelt im Computational Design. Menges Arbeitsweise ist stark interdisziplinär, so dass er etwa mit Forscherinnen und Forschern aus Bauingenieurwesen und Robotik, Materialwissenschaft und Biologie kooperiert und Bezüge zu Sozialwissenschaften und zur Architekturgeschichte herstellt. Das innovative architektonische Design seiner Werke ist von biologisch-natürlichen Formen inspiriert und nutzt zukunftsweisende Techniken und Werkzeuge der Computational Intelligence. Menges Arbeiten tragen so auch zu Ressourcenschonung und Reduktion von energie- und prozessbedingten CO2-Emissionen im Bauwesen bei.

Sein Architekturstudium absolvierte Achim Menges an der TU Darmstadt und an der Architectural Association in London. Nach dem Abschluss 2002 begann er dort eine Lehrtätigkeit. Im Anschluss wurde er Professur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, von wo er an die Universität Stuttgart wechselte. Dort gründete er 2009 das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung. Menges ist Sprecher des Exzellenzclusters „Integrative Computational Design and Construction for Architecture“. Seine Architekturkonzepte und Experimentalbauwerke waren oder sind auf internationalen Ausstellungen wie im Centre Pompidou oder der Biennale in Venedig zu sehen.

Professorin Dr. Sarah Ellen O’Connor, Naturstoffbiosynthese, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena

Für ihre grundlegenden Entdeckungen zur pflanzlichen Naturstoffbiosynthese erhält Sarah Ellen O’Connor den Leibniz-Preis. Pflanzen haben spezielle Enzyme und Synthesewege entwickelt, um organische Verbindungen zu produzieren, mit denen sie sich gegen Fressfeinde und Parasiten wehren können. Viele dieser Naturstoffe werden als Arzneimittel genutzt, können aber oft nicht mit klassischen chemischen Methoden nachgebildet werden. O’Connor erforscht Biosynthesewege in Pflanzen und nutzt die Entdeckung neuer Genfunktionen, die Aufklärung enzymatischer Wirkmechanismen sowie molekulargenetische und genomische Methoden, um die Synthese selbst der komplexesten Naturstoffe, wie etwa krebshemmende oder neuroaktive Stoffe, zu entschlüsseln. So ist es O’Connors Arbeitsgruppe kürzlich gelungen, den Biosyntheseweg von Strychnin vollständig aufzuklären, was auch andere über viele Jahre versucht hatten. Die dabei gewonnenen Einsichten verwendet die Chemikerin und Biologin auch, um neuartige Verbindungen in Pflanzen herzustellen. Damit eröffnet sie Möglichkeiten zur optimierten Produktion von Naturstoffen sowie den synthetischen Zugang zu neuen Molekülklassen.

Sarah Ellen O’Connor wurde 2001 am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, USA, in Organischer Chemie promoviert. Nach Professuren am MIT und der University of East Anglia, England, sowie einer Gruppenleitung am John Innes Centre in Norwich wurde sie 2019 Direktorin am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. Seit 2022 ist sie zudem Honorarprofessorin an der Universität Jena. O’Connor ist seit 2017 Mitglied der European Molecular Biology Organization, 2018 warb sie einen ERC Advanced Grant ein. Sie wurde unter anderem mit dem Ernest Guenther Award in the Chemistry of Natural Products 2022 der American Chemical Society ausgezeichnet.

Professor Dr. Stefan Pfister, Pädiatrische Onkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Universität Heidelberg

Mit Stefan Pfister wird ein herausragender Grundlagenwissenschaftler und Arzt mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet, der es mit seinen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der pädiatrischen Onkologie ermöglicht hat, Hirntumore bei Kindern besser zu diagnostizieren und den Patientinnen und Patienten damit eine verbesserte Therapie zu ermöglichen. Seine Analysen von Hirntumorgewebe mit neuartigen genomisch-basierten molekularen Ansätzen, die unter anderem Veränderungen der Expression von Genen und deren epigenetische Regulation berücksichtigen, haben gezeigt, dass den Hirntumoren nicht ein, sondern viele unterschiedliche Krankheitsmechanismen zugrunde liegen. So ermöglichte Pfisters Forschung eine neue molekular-pathologische Klassifikation von Hirntumoren im Kindesalter, die die Weltgesundheitsorganisation anerkannt und übernommen hat. Diese wissenschaftliche Basis bildet heute weltweit die Grundlage zur präziseren Diagnose der Krankheiten, denen, wie Pfister zeigte, mehr als 100 unterschiedliche molekulare Ursachen zugrunde liegen. Pfisters Forschung ist ein Durchbruch in der pädiatrischen Onkologie und ein beeindruckendes Beispiel der Präzisionsmedizin.

Nach dem Studium und der Promotion in Humanmedizin in Hamburg und Tübingen, ging Stefan Pfister als Postdoc für ein Jahr an die Harvard University in Boston, USA. Seine Ausbildung in der Pädiatrie absolvierte er an der Universitätskinderklinik in Mannheim, am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, sowie an der Universitätsklinik Heidelberg. Im Jahr 2010 erlangte er die Habilitation. Seit 2012 leitet Pfister die Abteilung Pädiatrische Neuroonkologie am DKFZ und ist seit 2014 Professor an der Universität Heidelberg. Pfisters Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem ERC Consolidator Grant.

Professor Dr. Hartmut Rosa, Soziologie, Universität Jena und Universität Erfurt

Der Leibniz-Preis für Hartmut Rosa würdigt dessen wegweisende Arbeiten auf dem Gebiet der normativ fundierten kritischen Analyse moderner Gesellschaften. Seine Beiträge zu der Frage, welche sozialen Dynamiken Möglichkeiten des guten Lebens befördern oder behindern, werden international in Wissenschaft und Gesellschaft rezipiert und diskutiert. In seiner in viele Sprachen übersetzten Studie „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“ (2005) lieferte Rosa eine umfassende, philosophisch fundierte soziologische Analyse der Dynamiken zeitlicher Beschleunigung, die moderne Gesellschaften prägen und zugleich ihre Individuen vor gewaltige Herausforderungen stellen. Überdies entwickelte Rosa eine Theorie der „Weltbeziehungen“, die, nicht zuletzt als Kritik kapitalistischer Strukturen und ihrer psychischen und lebensweltlichen Auswirkungen, im Dialog mit anderen kritischen Theorien zu einer weiteren umfassenden theoretischen Ortsbestimmung führte – dem Buch „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ (2016). Rosa gilt weit über Deutschland hinaus als einer der bedeutendsten Gesellschaftsdenker unserer Zeit.

Hartmut Rosa ist seit 2005 Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und zugleich seit 2013 Direktor des Max-Weber-Kollegs an der Universität Erfurt. Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs/Transregio „Strukturwandel des Eigentums“. Nach einem Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Germanistik in Freiburg und an der London School of Economics wurde Rosa 1997 an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. Nach Stationen unter anderem in Mannheim, Jena und an der New School for Social Research in New York habilitierte Rosa sich in Jena in den Fächern Soziologie und Politikwissenschaft. Rosa hatte Gastprofessuren in Paris und New York inne.

Professor Dr. Georg Schett, Rheumatologie, Universität Erlangen-Nürnberg

Georg Schett erhält den Leibniz-Preis für seine herausragenden Forschungsarbeiten auf den Gebieten der Rheumatologie und Osteoimmunologie, mit denen er wichtige grundlagenwissenschaftliche Beiträge geleistet und zugleich innovative Therapien entwickelt hat, um auch schwere Formen von Autoimmunkrankheiten zu heilen. Schett erforschte unter anderem die Rolle von Autoantikörpern bei der Bildung knochenabbauender Zellen in der rheumatoiden Arthritis. Er erkannte, dass Erkrankte durch diesen Mechanismus einen systemischen Knochenverlust entwickeln können, der unabhängig von der Entzündung ist. Die von Schett gewonnenen Erkenntnisse über die molekularen Wege der Knochenbildung und des Knochenabbaus sowie der Pathogenese rheumatischer Erkrankungen haben wesentliche Fortschritte beim Verständnis der molekularen Mechanismen und zu Therapien von Entzündungserkrankungen erbracht. Dies hat die Denkweise in diesem Bereich maßgeblich verändert und zu einem molekularbasierten Krankheitsverständnis beigetragen.

Nach Ausbildungsstationen in Innsbruck und Wien habilitierte sich der Humanmediziner Georg Schett 2003 und wurde zum Assistenzprofessor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien berufen. Es folgte ein Forschungsaufenthalt beim Biotechnologieunternehmen Amgen, USA. Seit 2006 ist Schett W3-Professor für Innere Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg und Direktor der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des dortigen Universitätsklinikums. Schett engagiert sich in der wissenschaftlichen Selbstverwaltung als Sprecher eines DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs sowie als Vizepräsident für Forschung und ist seit 2021 Mitglied der Leopoldina.

Professorin Dr. Catharina Stroppel, Reine Mathematik, Universität Bonn

Catharina Stroppel wird für ihre exzellenten Arbeiten in der Darstellungstheorie, insbesondere zum Thema Kategorifizierung, mit dem Leibniz-Preis gewürdigt. Darstellungstheorie ist das mathematische Gebiet, das sich mit Symmetrien und ihren verschiedenen Realisierungen beschäftigt. Symmetrien sind sowohl in der Natur als auch in der Mathematik von zentraler Bedeutung, beispielhaft genannt seien in der Physik die Struktur von Kristallen. Stroppel arbeitet in der Darstellungstheorie mit vielfältigen Verbindungen unter anderem zur Knotentheorie und zur niedrigdimensionalen Topologie. Insbesondere hat sie tiefgründige Vermutungen von Bernstein-Frenkel-Khovanov bewiesen, die eine darstellungstheoretische Beschreibung und eine Kategorifizierung von Khovanov-homologie liefern. Sie hat ferner graduierte Varianten vieler Strukturen aus der Darstellungstheorie geschaffen, was häufig eng mit der Frage der Kategorifizierung verbunden ist. Mithilfe der kategorifizierten Strukturen konnte Stroppel unter anderem mit Brundan als Erste die Darstellungstheorie der Lie-Superalgebra gl (m | n) präzise beschreiben, die ein Beispiel für eine graduierte Variante ist.

Catharina Stroppel studierte Mathematik und Theologie an der Universität Freiburg und wurde dort in Mathematik promoviert. Als Postdoc forschte sie in Leicester, Aarhus und Glasgow. Seit 2008 ist sie Professorin für Mathematik an der Universität Bonn, seit 2014 Stellvertretende Direktorin der Bonner Internationalen Graduiertenschule und seit 2019 Mitglied des Senats der Universität. Gastprofessuren führten sie unter anderem nach Chicago und Princeton. Stroppel ist am Bonner Exzellenzcluster für Mathematik beteiligt und erhielt 2022 eine der seltenen Einladungen, beim International Congress of Mathematicians einen Plenarvortrag zu halten.

Professor Dr. Fabian Theis, Bio- und Medizininformatik, Helmholtz Zentrum München und Technische Universität München

Für seine Pionierarbeiten in der Analyse, Modellierung und Interpretation genomischer Daten erhält Fabian Theis den Leibniz-Preis. Der Mathematiker, Physiker und Bioinformatiker hat neue Methoden zur biomedizinischen Datenanalyse entwickelt, insbesondere für die Einzelzell-Genomik. Zu den jüngsten Entwicklungen der genomischen Revolution gehören Methoden zur RNA-Sequenzierung einzelner Zellen in großen Pools. Theis hat dafür auf der Basis von Methoden der künstlichen Intelligenz Software-Pakete entwickelt, mithilfe derer aus diesen Daten tiefgreifende biomedizinische Einsichten gewonnen werden können. Er wendet dies etwa zum besseren Verständnis der Entwicklungspfade von Zellen, einer verbesserten medizinischen Diagnostik, Risikoermittlung und Therapieentwicklung oder aktuell auch zur Untersuchung der zellulären Veränderungen nach einer SARS-CoV-2-Infektion an. Im Human Cell Atlas-Projekt, einer weltweiten Initiative zur Erstellung einer Referenzkarte aller menschlichen Zelltypen, co-koordiniert Theis das Human Lung Cell Atlas-Projekt. Dieses zielt darauf ab, Zellen zu identifizieren, die für die Entstehung von Lungenkrankheiten wie etwa Asthma relevant sind.

Fabian Theis studierte Mathematik und Physik und wurde 2002 an der Universität Regensburg in Biophysik und 2003 an der Universität Granada, Spanien, in Computerwissenschaften promoviert. Nach nationalen und internationalen Stationen als Visiting Researcher, Postdoc und Gruppenleiter erhielt er 2009 einen Ruf an die TU München. Seit 2013 ist Theis zudem Direktor des Instituts für Computational Biology am Helmholtz Zentrum München. 2006 erhielt er den Heinz Maier-Leibnitz-Preis der DFG, 2010 einen ERC Starting Grant. 2022 wurde er mit einem ERC Advanced Grant ausgezeichnet und als Mitglied in die European Molecular Biology Organization aufgenommen.

Professorin Dr. Anita Traninger, Romanische Literaturwissenschaft, Freie Universität Berlin

Anita Traninger wird mit dem Leibniz-Preis für ihre international anerkannten Studien in der frühneuzeitlichen Romanistik ausgezeichnet. Diese verbinden auf innovative Weise Philologie, Rhetorik, Wissenschaftsgeschichte und Mediengeschichte, um die Dynamiken des Kultur- und Wissenstransfers in neuer Perspektive zu erschließen. Insbesondere ihr Verständnis der Rhetorik als historisch variables Ensemble mediengebundener Praktiken ist angesichts der traditionellen, aber noch immer weitverbreiteten Vorstellung der Rhetorik als eines starren Regelwerks bahnbrechend. Vor dem Hintergrund profunder Kenntnis der historischen Texte und Kontexte hinterfragt Traninger stets die scheinbar festen Epochengrenzen von Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit. An die Stelle teleologischer Geschichtsmodelle treten bei ihr Netzwerke und Überlagerungen, kurz: Sie macht die Komplexität historischen Handelns in und mit Sprache konkret greifbar. Traninger ist eine der internationalen Schlüsselfiguren der Romanistik im globalen Kontext, der es gelungen ist, das Fach interdisziplinär neu aufzustellen.

Anita Traninger absolvierte Studium und Promotion in Wien und ging danach an die Freie Universität Berlin, wo sie zunächst Assistentin am Institut für Romanische Philologie wurde. Ihre venia legendi für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Romanische Philologie erhielt sie 2010. Gastdozenturen und Fellowships führten sie nach Belfast, Harvard, Madrid, Oxford, Salamanca, Washington, Wolfenbüttel und Zürich. Seit 2015 lehrt sie als Universitätsprofessorin für Romanische Philologie an der Freien Universität Berlin. Traninger ist Sprecherin des Exzellenzclusters „Temporal Communities. Literatur als Praxis in globaler Perspektive“.

Weiterführende Informationen

Terminhinweis:

Die Verleihung der Leibniz-Preise findet am 15. März 2023 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin statt. Die Medien erhalten eine gesonderte Einladung.

Medienkontakt:

  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG
    Tel. +49 228 885-2109

Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:

Weitere Informationen zum Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm sowie ab Anfang des neuen Jahres zu den Preisträgerinnen und Preisträgern 2023 finden sich unter: