Berliner Soziologe erhält Auszeichnung für mutigen Kommunikationsansatz sowie beeindruckende Vielfalt an Formaten / Verleihung am 26. Juni auf DFG-Jahresversammlung in Saarbrücken
Der Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbandes geht in diesem Jahr an den Berliner Soziologen Steffen Mau, der in seiner Forschung zentrale sozialwissenschaftliche Themen neu auslotet. Er befasst sich unter anderem mit sozialer Ungleichheit und Ungerechtigkeit, mit dem Strukturwandel der Mittelschicht und mit neuen Grenzregimen. Seine Erkenntnisse zu diesen Themen stehen auch im Mittelpunkt seiner Kommunikation: Mau erhält den mit 50 000 Euro dotierten Preis für seinen mutigen und vielfältigen Kommunikationsansatz, mit dem es ihm gelingt, Sachkenntnis und Orientierungswissen über Transformationsprozesse in öffentliche Debatten einzubringen und in der Kommunikation anschlussfähig zu bleiben für die Erfahrungen und Perspektiven seines Publikums.
Die Jury des Communicator-Preises würdigte bei ihrer Entscheidung, dass Mau mit einer beeindruckenden Vielfalt an Formaten – die von vielen kleinen Veranstaltungen über Social-Media-Beiträge und Science Slams bis hin zu Sachbüchern auf den Bestsellerlisten reichen – versuche, Sachlichkeit in aufgeheizt geführte öffentliche Diskurse zu bringen. Dabei vermeide er die steile These oder das Rampenlicht und lasse sich stattdessen in besonderem Maße auf das direkte und nicht immer planbare und vorhersehbare Gespräch ein.
Die aus Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, Kommunikations- sowie PR-Fachleuten bestehende Jury unter dem Vorsitz von DFG-Vizepräsidentin Professorin Dr. Julika Griem hob hervor, dass Mau mit seinem Kommunikationsansatz blinde Flecken auf der Landkarte der Wissenschaftskommunikation finde und sie auf niederschwellige Weise dort initiiere, wo sie bisher noch nicht häufig stattfinde. Dabei spricht er auch mit denjenigen, über die er geforscht hat. Sein erfolgreiches Sachbuch „Lütten Klein“ etwa bildete nicht das Endprodukt einer Herkunftsforschung, sondern vielmehr den Auftakt zu neuen Interaktionen. In mehr als 40 Einzelveranstaltungen allein in Ostdeutschland stellte er sich den Fragen eines größtenteils nicht akademischen Publikums, bei dem oft – so beschrieb es Mau selbst – ein großer „Rededruck“ herrschte.
Mau engagiert sich auch für politische Bildung und Demokratieförderung. Er kommuniziert im Rahmen von außeruniversitären Bildungsveranstaltungen, bei Stiftungen, bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), in Schulen oder im Kontext zivilgesellschaftlicher Initiativen. Seine soziologischen Sachbücher und Essays werden in der Schriftenreihe der bpb einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Eine wichtige Rolle bei seinen Kommunikationsaktivitäten spielen zudem Kulturinstitutionen wie Museen, denn hier würden „andere Kontextualisierungen und inhaltliche Bezugnahmen möglich gemacht“, so Mau selbst. Zum Teil dienten seine soziologischen Studien bereits als inhaltliche Inspiration für einzelne Ausstellungskonzeptionen, in die Entwicklung einiger Konzepte war er auch direkt eingebunden.
Darüber hinaus nutzt Mau Theateraufführungen, Auftritte auf Literaturfestivals oder direkte Gespräche mit Literatinnen und Literaten dazu, neue kommunikative Räume zu öffnen und Wissenschaft und Kultur stärker zu vernetzen. So diskutierte er etwa im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin mit der Schriftstellerin Nora Bossong über sein Buch „Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert“. Das Theaterstück „Abbau Ost“ (ACUD Theater Berlin) wiederum nutzte neben anderen auch ein Textfragment von Mau, um festgefahrene Bilder der Wiedervereinigung als Erfolgs- oder Opfergeschichte infrage zu stellen.
Steffen Mau ist seit 2015 Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Der gebürtige Rostocker absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Elektronikfacharbeiter beim VEB Schiffselektronik Rostock und studierte nach der Wende Soziologie und Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Im Jahr 2001 wurde er am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz promoviert. An der Universität Bremen war er von 2005 bis 2015 Professor für politische Soziologie. Gastprofessuren und Fellowships führten ihn unter anderem an die Sciences Po in Paris und nach Harvard. 2012 bis 2018 war er Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats, von 2019 bis 2021 zudem Co-Sprecher der Research Unit "Borders" des Exzellenzclusters „Contestations of the Liberal Script“. Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden bereits vielfach ausgezeichnet, zuvorderst mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG im Jahr 2021.
Der „Communicator-Preis – Wissenschaftspreis des Stifterverbandes“ wird seit dem Jahr 2000 verliehen und gilt als der wichtigste Preis seiner Art in Deutschland. Ausgezeichnet werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihrer Wissenschaftskommunikation besonders kreativ sind, die neue, auch mutige Wege gehen und ihre Zielgruppen auf geeignete und wirksame Weise ansprechen. Sie sollen zudem die gesellschaftliche Dimension ihrer Forschung erkennen und ihr Wissen in öffentliche Debatten, Meinungsbildungsprozesse und Entscheidungen einbringen. Das Preisgeld soll die Ausgezeichneten in ihrem Engagement unterstützen und auch die Umsetzung neuer Projekte ermöglichen.
Die Jury wählte Steffen Mau in einem mehrstufigen Auswahlprozess aus 39 Bewerbungen und Vorschlägen aus. Verliehen wird der Communicator-Preis im Rahmen der Jahresversammlung der DFG am Montag, den 26. Juni 2023 in Saarbrücken von DFG-Präsidentin Professorin Dr. Katja Becker sowie dem ehemaligen Präsidenten und Ehrenmitglied des Stifterverbandes, Professor Dr. Dr. Andreas Barner.
Informationen zum Communicator-Preis finden sich unter:
Medienkontakte zum Communicator-Preis:
Medienkontakt zum Institut des Preisträgers:
Steffen Mau im Fotofilmporträt anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Leibniz-Preis 2021:
Foto zum Communicator-Preis: