Bericht der Senats-Arbeitsgruppe zu Herausforderungen für die Forschungstätigkeit, die individuellen Karriereverläufe und das Förderhandeln der DFG
So wie für alle Bereiche der Gesellschaft hatte die Coronavirus-Pandemie von Beginn an auch für die Wissenschaft und die in ihr tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie für das Wissenschaftssystem insgesamt erhebliche Auswirkungen. Zusätzlich zu inhaltlich-fachlichen Fragen betraf dies zahlreiche Probleme der Organisation und der Abläufe wissenschaftlichen Arbeitens bis hin zu Fragen der grundsätzlichen Arbeits- und Funktionsfähigkeit von Projekten und Einrichtungen.
Vor diesem Hintergrund richtete der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahr 2021 eine Senats-Arbeitsgruppe ein, um diese und andere pandemiebedingte Veränderungen in der und für die Wissenschaft zu identifizieren und zu bewerten. Neben den Beeinträchtigungen ging es dabei auch um eventuelle Chancen und Nutzen, die sich im Verlauf der Pandemie ergeben hatten oder entwickelt wurden.
Die Senats-Arbeitsgruppe wurde von den beiden DFG-Vizepräsidentinnen Professorin Dr. Britta Siegmund und Professorin Dr. Julika Griem geleitet und setzte sich aus zwölf Vertreterinnen und Vertretern des Senats und weiterer Gremien der DFG sowie aus vier Forscherinnen und Forschern in frühen Karrierephasen zusammen, um explizit auch die Perspektive der jüngeren Generation in den Diskurs zu integrieren.
Im nun veröffentlichten Abschlussbericht der Arbeitsgruppe werden Schlaglichter auf verschiedene Bereiche der Forschungstätigkeit und des Förderhandelns geworfen und basierend auf den Beobachtungen der Mitglieder Maßnahmen und Handlungsbedarfe für die DFG und weitere Akteure im Wissenschaftssystem identifiziert.
Nach den Beobachtungen der Arbeitsgruppe waren bestimmte Bereiche und Personengruppen besonders sensibel für pandemiebedingte Beeinträchtigungen: So waren Projekte in der Planungsphase und am Projektstart besonders stark von den aufgrund politischer und behördlicher Entscheidungen eingerichteten Kontakt- und Reisebeschränkungen betroffen. Dies erschwerte den Aufbau neuer wissenschaftlicher Kontakte und Kooperationen sowie von Forschungsumgebungen insgesamt.
Fachspezifisch prägten sich die pandemiebedingten Einschränkungen in der wissenschaftlichen Arbeit in unterschiedlicher Weise aus – sie reichten von Laborschließungen über eingeschränkte oder selektive Zugänglichkeit von Archiven, Sammlungen und Bibliotheken bis hin zu Behinderungen oder Ausfall von Felduntersuchungen. Hier setzte bereits ab dem Frühjahr 2020 eine ganze Reihe von Sofortmaßnahmen der DFG an, um die fachspezifischen Beeinträchtigungen abzufedern und die Fortsetzung sowie den Abschluss der geförderten wissenschaftlichen Arbeiten zu ermöglichen. Neben diesen Maßnahmen, die Verlängerungen der Projektfinanzierung, kostenneutrale Laufzeit- und Fristverlängerungen sowie eine flexiblere Mittelverwendung umfassten, hat sich eine projekt- und fachspezifische Betrachtung und Bewertung der pandemiebedingten Einflüsse auf ein Forschungsvorhaben im Rahmen der (Fortsetzungs-)Begutachtungen bewährt.
Forschende in frühen Karrierephasen wurden neben den fachtypischen Beeinträchtigungen oftmals insbesondere an einem für frühe Karrierestufen typischen Ortswechsel, aber auch an der Netzwerkbildung und dem Aufbau von neuen Kontakten in der Community gehindert. Schul- und Kindergartenschließungen infolge der Corona-Schutzmaßnahmen haben in besonderem Maße Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der frühen Karrierephase aufgrund ihrer zumeist erhöhten Betreuungs- und Fürsorgeaufwände in der Familienphase betroffen. Inwiefern diese Beeinträchtigungen und zusätzlichen Belastungen zu einer erhöhten Anzahl von Karriereabbrüchen geführt haben könnten, kann nach Einschätzung der Arbeitsgruppe frühestens in einigen Jahren quantitativ nachvollzogen werden.
Die umfassendste und bleibende Veränderung für das Wissenschaftssystem insgesamt hat der pandemiebedingte Digitalisierungsschub hinterlassen. Dies ist in stärker digitalisierten Forschungsmethoden, aber insbesondere in der digitalen Kommunikation zu beobachten. Digitale Austauschformate haben sich als alltagstauglich erwiesen und reduzieren inzwischen auch insgesamt den Kosten- und Reiseaufwand im wissenschaftlichen Austausch erheblich. Zudem wirken sie sich – sofern die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist – auch positiv in Richtung einer größeren Teilhabe am wissenschaftlichen Austausch aus. Dies ist nach Bewertung der Arbeitsgruppe gerade auch im Hinblick auf die Bekämpfung des Klimawandels eine Chance. Nichtsdestotrotz sind persönliche Treffen wichtig für die wissenschaftliche Arbeit und den Austausch, speziell für den Aufbau neuer Kooperationen, für kreative Prozesse und die gemeinsame Entwicklung von Ideen.
Die Senats-Arbeitsgruppe der DFG wirbt hier dafür, aufgeschlossen gegenüber den neuen digitalen Möglichkeiten zu sein und auch die technische Infrastruktur zu verbessern. Gleichzeitig jedoch sollen klare Vorstellungen und Entscheidungshilfen entwickelt werden, welche Reise- und Veranstaltungsanlässe einen Austausch in Präsenz erfordern und welche ohne Abstriche am inhaltlichen bzw. wissenschaftlichen Gehalt digital oder hybrid durchgeführt werden können.
Mit Blick auf die DFG resümiert die Arbeitsgruppe schließlich, dass vor allem das kontinuierliche Förderhandeln der DFG während der Pandemie eine stabilisierende Wirkung im Wissenschaftssystem entfaltet habe. Für die DFG ist es in der Folge von hoher Relevanz, aus den Erfahrungen der Pandemie zu lernen und die länger nachwirkenden Effekte weiterhin zu beobachten, um auch die Resilienz gegenüber zukünftigen Krisen zu erhöhen.
Der Bericht der Senats-AG in voller Länge:
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