Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung der Spitzenforschung an den Hochschulen elf neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss in Bonn. Die neuen Verbünde werden ab Oktober 2024 zunächst für drei Jahre und neun Monate mit insgesamt rund 148 Millionen Euro gefördert. Darin enthalten ist eine Programmpauschale in Höhe von 22 Prozent für indirekte Projektausgaben. Fünf der neuen Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die von mehreren antragstellenden Hochschulen gemeinsam getragen werden.
Zusätzlich zu den elf Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 22 Sonderforschungsbereichen um je eine weitere Förderperiode, darunter elf SFB/Transregio. Sonderforschungsbereicheermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den antragstellenden Hochschulen dienen; sie werden maximal zwölf Jahre gefördert. Ab Oktober 2024 fördert die DFG insgesamt 269 Verbünde.
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen und unter Nennung der Sprecherinnen und Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen):
Was sind die biologischen Grundlagen von Aggression bei psychischen Störungen? Wie verändern sie sich bei Betroffenen im Laufe des Lebens? Und wie lassen sich passende Therapien entwickeln? Der SFB/Transregio „Neuropsychobiologie der Aggression: Ein transdiagnostischer Ansatz bei psychischen Störungen“ untersucht mehrere Ebenen, um diese Fragen zu beantworten: Genetik, molekulare Mechanismen, hormonelle und neurale Systeme sowie damit verbundenes Verhalten. Auf diese Weise will der Verbund ein genaueres Verständnis der Biologie, Physiologie und Psychologie spezifisch aggressiven Verhaltens erlangen. (RWTH Aachen, Sprecherin: Professorin Dr. Ute Habel; ebenfalls antragstellend: Universität Frankfurt, Universität Heidelberg)
Phänomene, die zufälligen Einflüssen unterliegen, will der SFB/Transregio „Raue Analysis, stochastische Dynamik und verwandte Gebiete“ analysieren. Hierfür nimmt der SFB/Transregio grundlagenwissenschaftliche Ansätze sowie Anwendungsbeispiele etwa aus der Finanzmathematik in den Blick. Die beteiligten Mathematiker*innen verbinden dazu die sogenannte raue Analysis und stochastische Dynamik und vernetzen sie mit weiteren verwandten Teilgebieten der Mathematik wie Geometrie und Algebra. Zentral ist dabei die „Theorie der rauen Pfade“, die nicht nur mathematisch bedeutend ist, sondern mit deren Hilfe auch wesentliche neue Ansätze für die Modellierung dynamischer Vorgänge in den Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entwickeln werden können. (TU Berlin, Sprecher: Professor Dr. Peter Karl Friz; ebenfalls antragstellend: FU Berlin, HU Berlin)
Die Reduzierung von CO2-Emissionen und der Übergang zu erneuerbaren Energien sind wichtige globale Herausforderungen. Entscheidungen zur Energie- und Verkehrswende sollten auf sicheren empirischen Erkenntnissen beruhen, da sie viele Aspekte unseres zukünftigen Lebens betreffen. Die Grundlage dafür sind stetig wachsende Datenmengen, die statistisch anspruchsvolle Auswertungsverfahren erfordern. Der SFB/Transregio „Raum-zeitliche Statistik für die Energie- und Transportwende“ will zu diesem Zweck neuartige statistische Methoden und maschinelle Lernverfahren entwickeln. Mit deren Hilfe sollen etwa neue Simulationswerkzeuge zur Modellierung von Transportwegen, präzise Vorhersagen der Erzeugung von Wind- und Solarenergie oder eine zuverlässigere Steuerung von elektrischen Energienetzen entstehen. (TU Dortmund, Sprecher: Professor Dr. Roland Fried; ebenfalls antragstellend: Universität Bochum)
Die globale Landwirtschaft steht vor der Herausforderung, trotz Klimawandel und Ressourcenknappheit die Lebensmittelsicherheit auch zukünftig für eine wachsende Bevölkerung zu gewährleisten. Für die Nutzung passender und klimaresistenter Pflanzen ist es wichtig, ihre genetischen Eigenschaften zu analysieren. Fortschritte in der DNA-Sequenzierung haben bereits zu einem umfassenden Verständnis der Genomorganisation, zur Entdeckung von Genen sowie zu der Erkenntnis geführt, dass Punktmutationen – sogenannte Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) – in großem Ausmaß zur genomischen Vielfalt beitragen. Diese SNPs führen zu unterschiedlichen Proteoformen, also zu verschiedenen Formen eines Proteins, die wiederum Pflanzen bei der Anpassung an verschiedene Umweltbedingungen helfen können. Der Sonderforschungsbereich „Diversität pflanzlicher Proteoformen – SNP2Prot“ will untersuchen, wie sich die Variation in der Genomsequenz in unterschiedliche Proteoformen übersetzt. (Universität Halle-Wittenberg, Sprecher: Professor Dr. Marcel Quint)
Neu auftretende Virusinfektionen stellen eine große Bedrohung für die globale Gesundheit dar, das haben die COVID-19-Pandemie, aber auch die jüngsten Ebola-Ausbrüche gezeigt. Auch zukünftig können Viren von Tieren auf den Menschen übergreifen, der meist keine Immunabwehr gegen diese Viren besitzt. Die WHO hat daher eine Liste von Krankheiten erstellt, die durch neu auftretende Virusinfektionen ausgelöst werden können und das Potenzial haben, sich rasch zu verbreiten. Der Sonderforschungsbereich „Neu auftretende Viren: Pathogenese, Struktur und Immunität“ will sich mit vier kritischen Forschungsbereichen zu diesen Virusinfektionen befassen: der Pathogenese, der strukturellen Charakterisierung von zellulären Angriffspunkten, der Immunität und der Intervention. (Universität Hamburg, Sprecherin: Professorin Dr. Marylyn Martina Addo)
Membranen sind von grundlegender Bedeutung für die Entstehung komplexer zellulärer Architekturen. Sie werden von den Zellen immer wieder aufs Neue umgestaltet. Bisher fehlt jedoch ein umfassendes Verständnis dafür, wie Zellen Membranen umbauen, um bestimmte Funktionen zu erzeugen. Der Sonderforschungsbereich „Umbau von zellulären Membranen – wie veränderte Form Funktion schafft“ hat dazu eine Arbeitshypothese aufgestellt: Zellen besitzen mehrere grundlegende Arten des Membranumbaus und kombinieren diese untereinander, um so spezifische biologische Funktionen zu erzeugen. Diese Hypothese will der Verbund nun überprüfen und so die Forschungslücke in der Membranforschung schließen. (Universität Heidelberg, Sprecher: Professor Dr. Michael Meinecke)
Was ist Heimat? Warum nimmt sie einen selbstverständlichen Teil unseres menschlichen Weltverhältnisses ein? Der Sonderforschungsbereich „Heimat(en): Phänomene, Praktiken, Darstellungen“ will die Vielfalt und die Dimensionen von Heimat ergründen und in historisch und global vergleichender Perspektive analysieren. Von der Moderne bis ins Mittelalter und weit ins Altertum zurück erforschen die beteiligten Wissenschaftler*innen die vielfältigen Phänomene sozialer und individueller Bindungen an territoriale Räume und soziale Gruppen sowie Praktiken der Beheimatung und Diskurse von Zugehörigkeit und Fremdheit. So will der Verbund auch zu einer Versachlichung des Heimatdiskurses und einem verbesserten Verständnis aktueller Heimatkonflikte beitragen. (Universität Heidelberg, Sprecherin: Professorin Dr. Christiane Wiesenfeldt)
Mit zunehmendem Alter und durch externe Stressfaktoren nimmt die Zuverlässigkeit der zellulären Prozesse im menschlichen Körper ab, etwa bei der Biosynthese von Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) und Proteinen. Oft fehlt es den Prozessen dann an Genauigkeit und es kommt beispielsweise zu fehlerhaften Sequenzen, veränderter Proteinstruktur oder fehlgeleiteter Lokalisierung in den Zellen – Fachleute sprechen von einem Rückgang der Fidelität. Damit einher gehen altersbedingte physiologische Veränderungen und Erkrankungen. Der Sonderforschungsbereich „Systemische Konsequenzen von Fidelitätsänderungen der mRNA- und Proteinbiosynthese“ will daher einen umfassenden Überblick über die systemischen Folgen des Fidelitätsverlusts gewinnen und aufklären, wie die Veränderungen zu Krankheiten beitragen. (Universität zu Köln, Sprecher: Professor Dr. Andreas Beyer)
Dem besseren Verständnis des Standardmodells der Teilchenphysik und der Suche nach neuer Physik jenseits dieses Standardmodells widmet sich der Sonderforschungsbereich „Hadronen und Kerne als Entdeckungsinstrumente“. Dabei zielt der Verbund auf Erkenntnisse mit übergreifender Bedeutung sowohl im Hinblick auf den Mikrokosmos der Teilchenphysik als auch den Makrokosmos astrophysikalischer Fragestellungen. So wollen die Wissenschaftler*innen mithilfe der universitären Teilchenbeschleuniger MAMI und MESA in Mainz nach neuen physikalischen Phänomenen suchen. Zudem sollen mit Präzisionsmessungen an Hadronen – das sind subatomare Teilchen, die von der starken Wechselwirkung zusammengehalten werden – und an Atomkernen einige bedeutende Forschungslücken der Physik geschlossen werden. (Universität Mainz, Sprecherin: Professorin Dr. Concettina Sfienti)
Affektive Störungen sind psychische Erkrankungen, die vor allem durch eine zeitweise Veränderung der Stimmungslage gekennzeichnet sind. Häufige Ausprägungen sind die Depression und die bipolare Störung. Die „Verlaufsformen affektiver Störungen: Kognitiv-emotionale Mechanismen der Symptomänderung“ untersucht nun der gleichnamige SFB/Transregio. Die Verläufe affektiver Störungen sind sehr unterschiedlich und haben starke Auswirkungen auf die Patienten selbst, deren Familien und die gesamte Gesellschaft. Warum kommt es auch nach Phasen der Besserung immer wieder zu Rückfällen? Diese Frage will der Verbund näher erforschen und dazu die Daten von Patient*innen über längere Zeiträume via Smartphones erheben. So sollen Symptomänderungen, kognitiv-emotionale Zustände und Stressfaktoren im Alltag sofort erfasst werden. Auf diese Weise hoffen die Forscher*innen, Krankheitsverläufe besser vorhersagen und anschließend passgenaue Therapien entwickeln zu können. (Universität Marburg, Sprecher: Professor Dr. Tilo Kircher; ebenfalls antragstellend: TU Dresden, Universität Münster)
Ubiquitin ist ein kleines Protein, das den Abbau und die Funktion eines Großteils der zellulären Proteine steuert. Welche Rolle spielt es bei Krebserkrankungen? Die Zusammenhänge zwischen Ubiquitin und der Entstehung, Entwicklung und Metastasierung von Krebszellen sind in weiten Teilen noch unverstanden. Der SFB/Transregio „Funktionalisierung des Ubiquitin Systems gegen Krebserkrankungen“ will diese Zusammenhänge daher grundlegend erforschen und gleichzeitig die wissenschaftliche Entwicklung von Therapeutika vorantreiben. Das Konzept des Verbunds basiert dabei auf der Auffassung, dass bei Krebs die „Sprache“ gestört ist, durch die Proteine kommunizieren, und Ubiquitin hierbei eine zentrale Rolle einnimmt. (TU München, Sprecher: Professor Dr. Florian Bassermann; ebenfalls antragstellend: Universität Frankfurt, Universität Würzburg)
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecher*innen sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecher*innen der Sonderforschungsbereiche.
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Sonderforschungsbereichen unter:
E-Mail: | presse@dfg.de |
Telefon: | +49 228 885-2109 |
E-Mail: | Suzanne.Zittartz-Weber@dfg.de |
Telefon: | +49 (228) 885-2304 |