Die Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat ihre aktuellen wissenschaftlich basierten Empfehlungen zur Risikobewertung von am Arbeitsplatz verwendeten Stoffen vorgelegt und dem Bundesminister für Arbeit und Soziales übergeben. Die 2024 zum 60. Mal erarbeitete Liste von Grenzwerteempfehlungen dient jährlich als wesentliche Grundlage für Änderungen der Gefahrstoffverordnung in Deutschland, aber auch darüber hinaus. Die digitale Fassung der Empfehlungen steht auch in englischer und spanischer Sprache im Open Access zur Verfügung, so dass sie international als Grundlage für den Arbeitsschutz dienen kann.
Die Empfehlungen der Senatskommission zum Umgang mit gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen werden zunächst durch den Ausschuss für Gefahrstoffe des Bundesarbeitsministeriums geprüft und dann gegebenenfalls in gesetzliche Regelungen überführt. Für die aktuelle Liste übernahm der Ausschuss mit einer Ausnahme alle vorgeschlagenen Grenzwerte. „Das zeigt die herausragende wissenschaftliche Qualität und langjährige Erfahrung der Kommission mit Blick auf den Gesundheitsschutz im Arbeitskontext“, so die Kommissionsvorsitzende Professorin Dr. Andrea Hartwig. „Die Senatskommission leistet damit einen bedeutenden Teil der wissenschaftlichen Politikberatung, die sich die DFG in ihrer Satzung zur Aufgabe gemacht hat.“
Für die aktuellen Grenzwerteempfehlungen änderte die Kommission die Bewertung des Risikos von 22 Arbeitsstoffen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Zudem nahm sie vier Substanzen neu in die Liste der Empfehlungen auf. Erwähnenswert ist hierbei die intensive Diskussion zur Bewertung des Metalls Aluminium und seiner anorganischen Verbindungen. Aluminiumverbindungen kommen nicht nur am Arbeitsplatz in Form von Staub, beispielsweise beim Schweißen vor, sie werden auch darüber hinaus häufig verwendet, etwa bei der Aufbereitung von Wasser.
Insgesamt leitete die Kommission vier Grenzwerte für unterschiedliche Gruppen von Aluminiumverbindungen ab. Dabei handelt es sich um Werte, die die Maximalen Arbeitsplatz-Konzentrationen (MAK-Werte) angeben, also die Stoffmengen, die als Gas, Dampf oder Aerosol in der Luft am Arbeitsplatz langfristig keinen Schaden verursachen. Die Senatskommission stufte Aluminium zudem nach kritischer Bewertung der Literatur – insbesondere auch der Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Aluminium und Brustkrebs postulieren – bei Einhaltung des MAK-Wertes nicht als Krebs erzeugend ein.
Im Einzelnen enthalten die aktuellen Empfehlungen der Kommission acht neue MAK-Werte. Sie weisen zudem die Konzentrationen von Arbeitsstoffen im Körper aus, denen ein Mensch sein Arbeitsleben lang ausgesetzt sein kann, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen – von diesen Biologischen Arbeitsstoff-Toleranzwerten (BAT-Werte) enthält die Liste in diesem Jahr drei Änderungen. Die Empfehlungen umfassen überdies Angaben darüber, ob Arbeitsstoffe Krebs erzeugen, Keimzellen oder das werdende Kind in der Schwangerschaft schädigen, Haut oder Atemwege sensibilisieren oder in toxischen Mengen über die Haut aufgenommen werden können.
Zu allen überprüften Stoffen liegen jeweils ausführliche wissenschaftliche Begründungen vor. Um die Empfehlungen auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zu halten, stehen die Vorschläge für Änderungen und Neuaufnahmen bis zum 31. Dezember 2024 zur Diskussion. Bis dahin können der Kommission neue Daten oder wissenschaftliche Kommentare vorgelegt werden.
Alle von der Senatskommission erarbeiteten Stoffbegründungen und Methodenbeschreibungen sowie die jährlich erscheinenden Empfehlungen („MAK- und BAT-Werte-Liste“) sind in der MAK Collection auffindbar. Neben den aktuellen Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit der Kommission sind alle weiteren Veröffentlichungen im Open Access zugänglich. Die Erkenntnisse sind damit für eine umfassende wissenschaftliche Nachnutzung aufbereitet und zugänglich.
Über die wissenschaftliche Politikberatung für das nationale Arbeitsschutzrecht hinaus engagiert sich die Kommission auch in der Beratung der europäischen Chemikalienpolitik. Gemeinsam mit der Ständigen Senatskommission für tierexperimentelle Forschung der DFG brachte die Senatskommission die Perspektive der Forschung in die aktuelle Diskussion über eine EU-Roadmap zum Verzicht auf tierexperimentelle Ansätze bei der Chemikalienprüfung ein, die 2025 veröffentlicht werden soll.
Dabei unterstrichen die beiden Kommissionen einerseits das Potenzial unterschiedlicher neuartiger methodischer Forschungsansätze. Sie bieten nach Einschätzung der Wissenschaftler*innen die Chance, die Anzahl tierexperimenteller Ansätze zu reduzieren und vorhandene Erkenntnisse systematischer als bisher zu nutzen, um zu einer quantitativen Risikobewertung als Voraussetzung für die Ableitung von Grenzwerten zu gelangen. Zu diesen neuen Ansätzen zählen neben Untersuchungen an Zellkulturen oder Organoiden – das sind im Labor hergestellte kleine Gewebestücke, die vielen Organen, von der Leber über die Niere bis zum Gehirn, sehr ähnlich sind – auch Datenintegrations- und Simulationsansätze.
Andererseits verwiesen die Senatskommissionen darauf, dass noch viel Forschung bezüglich der Möglichkeiten, aber auch der Grenzen der neuen methodischen Ansätze notwendig sei, bevor ganz auf tierexperimentelle Forschungsansätze verzichtet werden könne, ohne ein Risiko am Arbeitsplatz und darüber hinaus in Kauf nehmen zu müssen.
Zur Liste der aktuellen Empfehlungen („MAK- und BAT-Werte-Liste 2024“), zu den Open-Access-Publikationen der MAK Collection sowie zu weiteren Informationen über die Arbeit der Senatskommission unter:
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