Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet neun Forschungsgruppen und eine Kolleg-Forschungsgruppe neu ein. Das hat der Hauptausschuss der DFG auf Empfehlung des Senats beschlossen. Die neuen Forschungsgruppen erhalten insgesamt rund 41,3 Millionen Euro inklusive einer Programmpauschale in Höhe von 22 Prozent für indirekte Projektausgaben. Zusätzlich zu den zehn Neueinrichtungen wurde die Verlängerung von drei Forschungsgruppen für eine weitere Förderperiode beschlossen. Zwei der neu eingerichteten Forschungsgruppen werden im Rahmen der D-A-CH-Zusammenarbeit gefördert, gemeinsam mit dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF).
Forschungsgruppen ermöglichen Wissenschaftler*innen, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Sie werden bis zu acht Jahre lang gefördert. Im Ganzen fördert die DFG zurzeit 196 Forschungsgruppen, 13 Klinische Forschungsgruppen und 16 Kolleg-Forschungsgruppen. Klinische Forschungsgruppen sind zusätzlich durch die enge Verknüpfung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit charakterisiert, während Kolleg-Forschungsgruppen speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnitten sind.
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecher*innen):
Soziale Ungleichheit ist ein weitverbreitetes Problem, das Wissenschaft, Politik und Gesellschaft seit Langem beschäftigt und weiter beschäftigen wird. In diesem Zusammenhang spielen unter anderem auch Finanzmarktentwicklungen eine zentrale Rolle. Die Kolleg-Forschungsgruppe „Finanzsektor und Ungleichheit“ will aufzeigen, wie und durch welche Kanäle der Finanzsektor seit dem 19. Jahrhundert selbst verstärkend oder reduzierend auf Ungleichheit wirkt. Außerdem soll thematisiert werden, wie Finanzmärkte von langfristigen Trends in Bezug auf Ungleichheit geprägt werden und sie gleichzeitig selbst beeinflussen. Dazu gehen die Forscher*innen unter anderen diesen Fragen nach: Wenn in der Vergangenheit ökonomische Ressourcen grundlegend anders verteilt wurden, wie hat sich das auf die Entwicklung des Finanzsektors ausgewirkt? Wie haben solche Veränderungen das Bankengeschäft im Laufe der Zeit beeinflusst? (Sprecher: Professor Dr. Carsten Burhop, Universität Bonn)
In der Teilchenphysik bezeichnet man die Größe, die in einem Streuprozess die Verbindung zwischen Theorie und Experiment herstellt, als Streuamplitude. Die Forschungsgruppe „Moderne Grundlagen von Streuamplituden“ will verschiedene Aspekte ebendieser Amplituden untersuchen und auf diese Weise neue grundlegende mathematische und physikalische Prinzipien aufdecken sowie neue Methoden zu deren Berechnung entwickeln. Das erlaubt künftig die genauere Berechnung von Streuprozessen an Teilchenbeschleunigern oder auch von Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen entstehen. (Sprecher: Professor Dr. Claude Duhr, Universität Bonn)
Sprachassistenten, die unsere Befehle entgegennehmen, Social Bots, die Debatten beeinflussen, und Maschinen, die Texte generieren: Diese Phänomene wie auch die öffentliche Diskussion darüber verdeutlichen, wie sehr die Künstliche Intelligenz im Bereich der Kommunikation voranschreitet und gleichzeitig als Herausforderung wahrgenommen wird. Wie aber verändert sich hierdurch die Kommunikation unter Menschen oder zwischen Mensch und Maschine im sozialen Raum? Das sind die zentralen Fragestellungen der Forschungsgruppe „Kommunikative KI: Die Automatisierung der gesellschaftlichen Kommunikation“, die gemeinsam mit dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) gefördert wird. (Sprecher: Professor Dr. Andreas Hepp, Universität Bremen)
In Deutschland stellen Sinti und Roma eine wenige Hunderttausend Mitglieder umfassende und stark ausdifferenzierte Minderheit der Gesellschaft dar. Ihre Selbstbezeichnung lautet Sinti*zze (Einzahl, männlich: Sinto; Einzahl, weiblich: Sintez(z)a oder Sintiz(z)a; Mehrzahl, weiblich: Sintez(z)e oder Sinti(z)ze) und Rom*nja (Einzahl, männlich: Rom; Einzahl, weiblich: Romni; Mehrzahl, weiblich: Romnja). Die Forschungsgruppe „Antiziganismus und Ambivalenz in Europa (1850–1950)“ will die historische Entwicklung von Selbst- und Fremdbildern dieser Gruppen in der europäischen Gesellschaft untersuchen. Die Forscher*innen wollen dabei sowohl die Perspektiven der Sinti*zze und Rom*nja als auch der Mehrheitsbevölkerung berücksichtigen. Die Forschungsgruppe bindet Vertreter*innen von Sinti*zze und Rom*nja an verschiedenen Stellen in die Forschungsarbeit ein. (Sprecherin: Professorin Dr. Iulia-Karin Patrut, Universität Flensburg)
Agroforstsysteme sind eine traditionelle Form der Landnutzung, bei der Bäume oder Sträucher in Ackerkulturen und/oder Tierhaltung integriert werden. Sie bringen ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Wirkungen mit sich. Angesichts aktueller Herausforderungen wie dem Klimawandel und Biodiversitätsverlusten rückt diese regenerative Landnutzung wieder stärker in den Fokus der Forschung. Die Forschungsgruppe „Agroforstwirtschaft für eine nachhaltige multifunktionale Landwirtschaft (FORMULA)“ hat es sich zum Ziel gesetzt, die bislang wenig untersuchten Synergien von Agroforstsystemen im Zusammenhang mit dem Ökosystem und ihrem Nutzen für den Menschen zu beleuchten. Analysiert werden dafür Versuchsflächen in Hessen und Brandenburg. Die beiden Standorte bieten sich aufgrund unterschiedlicher klimatischer Verhältnisse, Bodentypen und Landschaftsstrukturen an. (Sprecher: Professor Dr. Lutz Breuer, Universität Gießen )
Die Forschungsgruppe „Bedeutender struktureller Wandel“ nimmt drei wichtige Phänomene in den Blick: Globalisierung, Klimawandel und Massenmigration. Sie analysiert, unter welchen Voraussetzungen die Legitimität von politischen Regeln und institutionellen Einrichtungen schwindet und wann es zu deren Weiterentwicklung oder auch zu tiefergreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen kommen kann. Hierbei geht es dem gemeinsam mit dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten Verbund sowohl um empirische Forschung der entsprechenden Triebkräfte aus der Mikroperspektive als auch um die Entwicklung einer umfassenden Theorie dieses Wandels. (Sprecherin: Professorin Dr. Lydia Mechtenberg, Universität Hamburg)
Um erneuerbare Energiequellen technisch zu optimieren und nachhaltiger nutzen zu können, braucht es unter anderem mehr Wissen über die Materialermüdung – also den Verschleiß bei der Nutzung – von zyklisch beanspruchten Bauteilen. Zu diesen gehören Kugellager in E-Rollern oder auch große Getriebe in Windkraftanlagen. Bei hochfesten Stählen entstehen durch die Kräfte, die auf das Material einwirken, bestimmte Veränderungen unterhalb der Laufflächen von Lagern, die zu einem verfrühten Versagen der Bauteile führen können. Dieser Problematik will die Forschungsgruppe „Identifikation der Entstehungsmechanismen weiß anätzender Rissflanken und feinkörniger dunkler Zonen bei Ermüdungsbeanspruchung – Parallelen und Unterschiede (White and Dark)“ auf den Grund gehen. (Sprecher: Professor Dr. Eberhard Kerscher, RPTU Kaiserslautern-Landau).
Wasserstoffperoxid dient im Haushalt, in der Industrie und Medizin als Bleichmittel, außerdem wird es als Bestandteil von Desinfektions- und Sterilisationsmitteln verwendet. Zu seiner Gewinnung ist die thermo- und elektrokatalytische Wasserstoffperoxid-Synthese eine vielversprechende Methode. Für eine nachhaltige Wasserstoffperoxid-Produktion gibt es verschiedene Verfahren, deren Effizienz die Forschungsgruppe „Entwicklung gemeinsamer Konzepte in der Thermo- und Elektrokatalyse zur Wasserstoffperoxid-Direktsynthese (HyPerCat)“ systematisch und vergleichend untersuchen will: von der atomaren Betrachtung der Reaktionsmechanismen bis hin zur Gestaltung des Reaktors. Auch die Wertschöpfungskette im industriellen Maßstab wird untersucht. (Sprecherin: Professorin Dr. Silke Behrens, Karlsruher Institut für Technologie)
Es ist bereits viel bekannt über die molekularen Mechanismen, die den Wechselwirkungen zwischen Wirtspflanzen und den sie befallenden Pilzen zugrunde liegen. Wie sich Pilze an eine bestimmte Nische ihrer Wirtspflanze – also den Teil, den der Pilz besiedelt – anpassen, ist jedoch wenig verstanden. Diese Frage untersucht die Forschungsgruppe „Mechanismen der Adaptation an die Wirts-Nische in Pflanzen-besiedelnden Pilzen“. Der Fokus der Wissenschaftler*innen liegt dabei auf dem Wettbewerb von Pilzen mit weiteren Arten von Mikroorganismen innerhalb der Pflanzennische. (Sprecher: Professor Dr. Gunther Döhlemann, Universität zu Köln)
In der ökologischen Forschung mehren sich die Hinweise darauf, dass die Formen der Interaktion zwischen Arten in Artengemeinschaften – also etwa Räuber-Beute-Beziehungen, Konkurrenz oder gegenseitig vorteilhafte Beziehungen – nicht, wie bisher angenommen, fest vorgegeben sind. Vielmehr werden sie offenbar von den vorherrschenden Umweltbedingungen und veränderten Populationsdichten beeinflusst. Wie dies tatsächlich zusammenhängt, ist noch nicht bekannt. Die Forschungsgruppe „Dichteabhängige Symbiose in planktonischen Systemen – DynaSym“ will diese Lücke schließen, indem sie die Wechselwirkungen von Organismen in aquatischen Systemen untersucht und damit einen Beitrag zum Verständnis der komplexen Dynamik von Lebensgemeinschaften liefert. (Sprecher: Professor Dr. Lutz Becks, Universität Konstanz)
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecher*innen und mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Zu den Forschungsgruppen der DFG:
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