Mit einem dringenden Plädoyer für die Wissenschaftsfreiheit sowie einem Bekenntnis zur Verantwortung und zum Eintreten der Wissenschaft für eine demokratische, weltoffene und tolerante Gesellschaft ist am Mittwoch, den 3. Juli 2024, in Potsdam die Jahresversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu Ende gegangen. Auf ihr hatten die wichtigsten Gremien der größten Forschungsförderorganisation und zentralen Einrichtung für die Selbstverwaltung der Wissenschaft in Deutschland über aktuelle Themen aus Wissenschaft und Gesellschaft diskutiert sowie Beschlüsse zum Förderhandeln der DFG getroffen. Breiten Raum nahmen zudem Fragen europäischer Forschungsförderung und -politik ein, nicht zuletzt auf der Festveranstaltung mit Spitzen europäischer Wissenschaftsorganisationen. Das dreitägige Treffen fand auf Einladung der Universität Potsdam statt und war die erste DFG-Jahresversammlung in Brandenburg.
In der abschließenden Mitgliederversammlung am Mittwoch sagte die Präsidentin der DFG, Professorin Dr. Katja Becker, mit Blick auf aktuelle Entwicklungen und Ereignisse im In- und Ausland: „Die Wissenschaft kann ihre vielfältigen Aufgaben nur dann erfolgreich wahrnehmen, wenn sie ihre Arbeit frei ausübt. Für uns in der DFG bedeutet das in erster Linie, dass alle Förderentscheidungen ausschließlich nach Maßgabe wissenschaftsbasierter Qualitätskriterien getroffen werden. Genauso werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass die öffentliche Förderung von Wissenschaft insgesamt wissenschaftsgeleitet und rechtssicher erfolgt. Wir unterstreichen ausdrücklich die Bedeutung und den Wert der Wissenschaftsfreiheit, die von allen Akteuren im deutschen Wissenschaftssystem gemeinsam getragen und gelebt werden muss. Denn das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit bildet die Grundlage für die außerordentliche Leistungsfähigkeit der Wissenschaft. Und es bildet zugleich die Grundlage des öffentlichen Vertrauens, das die Wissenschaft in Deutschland genießt.“
Auf der Grundlage dieser Freiheit müsse sich die Wissenschaft dann auch eindeutig und entschieden für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz einsetzen, so Becker weiter. Damit einhergehen müsse zugleich eine klare Absage gegen jede Form von antidemokratischem Denken und auch Antisemitismus in der Wissenschaft und ebenso in der Gesellschaft.
„Wenn unsere Demokratie durch Populismus oder Extremismus bedroht ist, muss eine Organisation wie die DFG klare Position beziehen und sich aktiv engagieren. Schweigen ist keine Option. Gerade in Deutschland haben wir in unserer Vergangenheit erfahren müssen, welche verhängnisvollen Folgen dies haben kann. Dies darf sich in keiner Form wiederholen“, betonte Becker. In diesem Sinne habe sich die DFG in den vergangenen Monaten bei zahlreichen Gelegenheiten auch öffentlich zu Wort gemeldet und engagiert.
Der Einsatz der Wissenschaft für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz war in Potsdam auch Thema der anderen Gremiensitzungen im Rahmen der Jahresversammlung, im Präsidium der DFG ebenso wie in einem ausführlichen Austausch des Senats als wichtigstem wissenschaftspolitischen Gremium und auch im Hauptausschuss mit den Vertreter*innen der Wissenschaft und den Zuwendungsgebern aus Bund und Ländern.
Weitere Themen waren unter anderem Fragen von Forschungsbewertung im nationalen und europäischen Kontext, eine neue Betriebs- und Finanzierungsstruktur für die deutschen Forschungsschiffe sowie die Bewilligung neuer Forschungsgruppen und weiterer Förderprojekte.
In der Mitgliederversammlung gingen Präsidentin Becker und Generalsekretärin Dr. Heide Ahrens in ihrem Bericht über das Förderhandeln der DFG seit der Jahresversammlung 2023 in Saarbrücken unter anderem auf den weiteren Verlauf der von der DFG betreuten zweiten Wettbewerbsrunde in der Förderlinie Exzellenzcluster der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder sowie auf die ersten Auswahlentscheidungen für „Forschungsimpulse“ an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) und Fachhochschulen ein. Weitere Themen waren der Abschlussbericht der Interdisziplinären Kommission für Pandemieforschung der DFG, Entwicklungen bei wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen wie dem Pakt für Forschung und Innovation (PFI) oder dem Tierschutzgesetz sowie das internationale Engagement der Organisation.
Die Mitgliederversammlung wählte darüber hinaus die beiden Vizepräsidenten Professor Dr. Axel A. Brakhage und Professor Dr. Hans Hasse für eine zweite vierjährige Amtszeit. Im Senat wurden drei Mitglieder neu und acht Mitglieder für eine zweite Amtszeit gewählt.
Als größte Forschungsförderorganisation in Deutschland hat die DFG im vergangenen Jahr 31 750 Projekte aus allen Wissenschaftsbereichen mit einer Gesamtsumme von rund 3,9 Milliarden Euro gefördert. Dies geht aus dem Jahresbericht 2023 hervor, der in Potsdam ebenfalls in der Mitgliederversammlung vorgestellt wurde. Er informiert über die wichtigsten Zahlen, Fakten und inhaltlichen Akzente des Förderhandelns der DFG sowie über ihr Engagement in Fragen von Wissenschaftssystem und Wissenschaftspolitik. Zudem stellt der Bericht ausgewählte Förderprojekte vor, wobei dieses Mal das verbindende Thema „Wissenschaftliche Vielfalt“ lautet.
Wie in den Vorjahren war auch 2023 mehr als die Hälfte aller DFG-geförderten Projekte – 17 544 Projekte, das entspricht 55,3 Prozent – in der Einzelförderung angesiedelt; für sie wurden rund 1,4 Milliarden Euro Fördermittel bewilligt. In den Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereichen und anderen Koordinierten Programmen wurden 875 Verbünde mit 12 255 Teilprojekten und einer jahresbezogenen Bewilligungssumme von rund 1,7 Milliarden Euro gefördert.
Aufgeteilt nach den großen Wissenschaftsbereichen erhielten die Lebenswissenschaften mit rund 1,4 Milliarden Euro die meisten Fördermittel (36,1 Prozent der Gesamtbewilligungssumme), gefolgt von den Naturwissenschaften mit rund 919 Millionen Euro (23,4 Prozent), den Ingenieurwissenschaften mit rund 775 Millionen Euro (19,7 Prozent) und den Geistes- und Sozialwissenschaften mit rund 658 Millionen Euro (16,8 Prozent); Projekte ohne fachliche Zuordnung wurden mit rund 154 Millionen Euro (3,9 Prozent) gefördert.
Neben den Gremiensitzungen fanden im Rahmen der Potsdamer Jahresversammlung auch erneut zwei Veranstaltungen mit Gäst*innen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft statt: Zur Festveranstaltung hatte die DFG am Dienstagabend in die Biosphäre Potsdam eingeladen. Nach der Begrüßung durch Präsidentin Becker und Grußworten von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst und stellvertretenden Vorsitzenden der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), Dr. Markus Blume, stand die Veranstaltung ganz im Zeichen europäischer Forschungsförderung und -politik. „Promoting Research Cooperation in Europe“ lautete der Titel einer einleitenden Keynote der DFG-Präsidentin, an die sich eine Diskussionsrunde mit den Spitzen europäischer Forschungsförder- und Wissenschaftsorganisationen aus Polen, Großbritannien und Deutschland anschloss. Unter dem Motto „Stronger Together: National Research Funding Agencies in Europe” diskutierten zusammen mit Katja Becker: Professor Krzysztof Jóźwiak vom National Science Centre Poland (NCN), Professorin Dame Ottoline Leyser von UK Research and Innovation (UKRI), und Professor Dr. Walter Rosenthal von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).
In ihrer Begrüßung hatte die DFG-Präsidentin nochmals hervorgehoben: „Die Unabhängigkeit der Wissenschaft garantiert einen offenen Erkenntnisprozess frei von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen. Dafür sind wir dankbar, denn die Vielfalt der in Freiheit erzielten Erkenntnisse und Innovationen ist unser Kapital für die Zukunft. Und genau deshalb ist sie für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts sowie für unsere Gesellschaft und Demokratie so wertvoll.“
Am Montagabend war im Audimax der Universität Potsdam am Neuen Palais der diesjährige Communicator-Preis verliehen worden. Die mit 50 000 Euro dotierte Auszeichnung erhielt das Team „Cyber and the City“ von der Universität Tübingen – bestehend aus der Informatikerin Professorin Dr. Ulrike von Luxburg, dem Doktoranden Tim Schaffarczik und dem empirischen Kulturwissenschaftler Professor Dr. Thomas Thiemeyer –, das für seine richtungsweisende Kommunikation zum Thema Künstliche Intelligenz ausgezeichnet wurde. Der Communicator-Preis wird von der DFG und dem Stifterverband verliehen und gilt als wichtigste Auszeichnung seiner Art in Deutschland.
Die DFG-Jahresversammlung 2025 soll in Hamburg stattfinden.
Hinweise zur Medienarbeit:
Über die Förderentscheidungen und sonstigen wichtigsten Beschlüsse der Jahresversammlung informiert die DFG in einer Reihe von Pressemitteilungen (Teil 1 bereits erfolgt: Di., 2. Juli; Teil 2: Mi., 3. Juli, ab 14 Uhr im Anschluss an diese Zusammenfassung).
Alle Pressemitteilungen zur Jahresversammlung 2024 finden sich fortlaufend ergänzt auch in einer digitalen Pressemappe unter www.dfg.de/service/presse/jahresversammlung-202.
Begleitende Informationen auch im Internetangebot der DFG unter www.dfg.d und via Social Media unter https://x.com/dfg_publi
Der DFG-Jahresbericht 2023 ist im Volltext unter www.dfg.de/jahresberich zugänglich, eine Druckfassung kann angefordert werden bei: presse@dfg.d
E-Mail: | Marco.Finetti@dfg.de |
Telefon: | +49 (228) 885-2230 |