Deutsche und US-amerikanische Expert*innen haben sich auf Einladung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Deutschen Botschaft Washington in der US-Hauptstadt zum Thema Forschungssicherheit ausgetauscht. Das Treffen am Donnerstag, den 22. August, im Nordamerika-Büro der DFG brachte mehr als 20 Repräsentant*innen aus Wissenschaft und Politik zusammen. Eine der Leitfragen lautete, wie die vielfachen Gefährdungen und Angriffen ausgesetzte Forschungssicherheit bei internationalen Wissenschaftskooperationen gewährleistet werden kann, ohne die Wissenschaftsfreiheit dabei einzuschränken. Weiteres Thema der Roundtable-Diskussion war die mögliche Vorbildfunktion eines kürzlich in den USA eingerichteten Zentrums für Forschungssicherheit für die Wissenschaft in Deutschland und Europa.
DFG-Präsidentin Professorin Dr. Katja Becker zufolge zeichnet sich international in der Forschungspolitik derzeit sehr deutlich der Trend ab, Sicherheitsmaßnahmen zu priorisieren: „Dies führt dazu, dass selbst die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern aufgrund von mehr Kontrollen und Berichtspflichten erschwert wird. Gerade in Anbetracht der zentralen Rolle der Forschung bei der Bewältigung globaler Herausforderungen ist dies in vielerlei Hinsicht ein Spiel mit dem Feuer“, sagte Becker in ihrer Keynote. „Wir müssen internationale Kooperationen so offen wie möglich gestalten und gleichzeitig Sicherheitsaspekte fest und aktiv im Blick behalten.“ Dies könne nur gelingen, wenn Wissenschaftler*innen sich der zunehmenden Sicherheitsrisiken bewusst seien.
Becker verwies in diesem Zusammenhang auf die Empfehlungen zum Umgang mit Risiken in internationalen Kooperationen, die die DFG bereits im September 2023 vorgelegt hat. Sie sollen für mehr Handlungssicherheit bei Antragstellung und Begutachtung sorgen. Becker betonte: „Die in Deutschland verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit muss auch angesichts der aktuellen Bedrohungen gewahrt werden.“ Die DFG verzichte daher bewusst darauf, generelle „rote Linien“ in Bezug auf bestimmte Länder, Partnerinstitutionen oder Forschungsthemen zu ziehen. „Stattdessen haben wir eine Reihe von Bewertungs- und Reflexionsschritten empfohlen, die mögliche Risiken aufzeigen und Antragstellenden mehr Orientierung und Sicherheit geben sollen. Damit soll die deutsche Forschungslandschaft insgesamt in die Lage versetzt werden, angemessen und effizient auf geopolitische Herausforderungen zu reagieren“, sagte Becker.
Dr. Rebecca Spyke Keiser, Chief of Research Security Strategy and Policy der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF), einer langjährigen Partnerorganisation der DFG, äußerte sich im Rahmen der Roundtable-Diskussion in eine ähnliche Richtung: „Wir benötigen eine Art ‚Safeguarding‘ für die Wissenschaft, das heißt, wir müssen durch Kommunikation, Trainings und Bildung vermitteln, wie man in der täglichen Arbeit mit Risiken umgehen kann. Zum Beispiel, dass wir vorsichtig im Umgang mit vorläufigen Ergebnissen oder der Beschreibung von Methoden sind.“
Keiser erläuterte zudem die Beweggründe für die Gründung eines neuen Zentrums für Forschungssicherheit in den USA: „Das Zentrum namens SECURE („Safeguarding the Entire Community of the U.S. Research Ecosystem”) soll mit einem Budget von rund 50 Millionen US-Dollar über fünf Jahre die wissenschaftliche Community in den USA beim Safeguarding der Wissenschaft unterstützen. Es soll Wissenschaftler*innen und ihren Institutionen Werkzeuge zur Verfügung stellen, um eigene Risikobewertungen vornehmen zu können sowie Informationen zu potenziellen Partnern bereitstellen, etwa, ob diese Verbindungen zu militärischen Einrichtungen unterhalten.“ Ihre Ausführungen stießen auf großes Interesse bei den deutschen Vertreter*innen, denn auch in Deutschland wird derzeit die Einrichtung und Ausgestaltung einer vergleichbaren Beratungsstelle für die Wissenschaft diskutiert.
Neben DFG-Präsidentin Katja Becker und Rebecca Keiser nahmen an dem Roundtable-Gespräch DFG-Vizepräsidentin Professorin Dr. Britta Siegmund und DFG-Generalsekretärin Dr. Heide Ahrens teil. Dazu kamen Vertreter*innen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie von US-Forschungsförderern und Forschungseinrichtungen, darunter die American Association for the Advancement of Science (AAAS), die Association of American Universities und die National Institutes of Health (NIH). Auch Vertreter*innen der US-Regierung beteiligten sich an der Diskussion. Die deutsche Botschaft in Washington wurde durch Jean P. Froehly, den Leiter der Abteilung Wirtschaft und Finanzen, vertreten.
Im Anschluss an die Roundtable-Diskussion unterzeichnete die DFG-Präsidentin vor Ort ein erstes Memorandum of Understanding mit dem amerikanischen National Endowment for the Humanities (NEH). In Beisein der Vorsitzenden des NEH, Shelly C. Lowe, würdigte Becker die Rolle der Geisteswissenschaften für die Gesellschaft: „Die Geisteswissenschaften bieten in turbulenten Zeiten Orientierung und Halt. Sie werfen existenzielle Fragen auf – zum Beispiel zur KI-Entwicklung, zur Generationengerechtigkeit oder zu sozialverträglichen Triagekonzepten – und helfen, sie zu beantworten. Ich freue mich, dass unser neues Memorandum dies ebenso widerspiegelt wie unsere gemeinsame Wertschätzung der internationalen Zusammenarbeit.“ DFG und NEH planen nun eine erste gemeinsame Ausschreibung, die alle Bereiche der Geisteswissenschaften abdeckt.
Die DFG-Empfehlungen zum Umgang mit Risiken in internationalen Kooperationen finden sich unter www.dfg.de/resource/blob/289702/457ab05c902a521e6772bc5a25f0cd4d/risiken-int-kooperationen-de-data.pd.
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