Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat am Montag, den 25. November 2024, zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem Stifterverband (SV) in Berlin den „Förderatlas 2024“ vorgestellt. Der Förderatlas ist das umfassendste Zahlenwerk zur öffentlichen Finanzierung der Forschung in Deutschland und wird seit 1997 alle drei Jahre von der DFG als größter Forschungsförderorganisation und zentraler Einrichtung für die Selbstverwaltung der Wissenschaft hierzulande herausgegeben. Der Berichtszeitraum der jetzt erschienenen Ausgabe umfasst dabei die Jahre 2020 bis 2022.
Die Präsidentin der DFG, Professorin Dr. Katja Becker, hob bei der Vorstellung die Bedeutung des Förderatlas als „Informationsquelle und Entscheidungshilfe in aktuellen wissenschaftspolitischen Diskussionen“ hervor. Dies zeige sich bereits bei der Gesamtentwicklung der Hochschulfinanzierung und dem Verhältnis zwischen den laufenden staatlichen Grundmitteln und den Drittmitteln, welche die Hochschulen im Wettbewerb sowie projektförmig und zeitlich befristet einwerben.
Für beide Finanzierungsarten weist der neue Förderatlas für das Berichtsjahr 2022 eine Steigerung gegenüber dem im vorherigen Förderatlas erfassten Berichtsjahr 2019 aus. Insgesamt erhielten die deutschen Hochschulen 2022 rund 26,7 Milliarden Euro Grundmittel; dies waren drei Milliarden Euro mehr als 2019, was einen Anstieg von 12,9 Prozent bedeutet. An Drittmitteln flossen 2022 insgesamt 10,4 Milliarden Euro an die Hochschulen, ein Plus von 1,7 Milliarden Euro beziehungsweise 19,1 Prozent gegenüber 2019.
„Dieser Anstieg reicht aber auf beiden Feldern nicht aus, um die erheblichen und weiter wachsenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Hochschulen im internationalen Wettbewerb zu erfüllen und zusätzliche Belastungen wie die zuletzt hohen Tarifsteigerungen abzufedern“, sagte Becker und schloss dabei den jährlichen Aufwuchs von 3 Prozent bei der DFG und anderen großen Wissenschaftsorganisationen durch den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) mit ein.
Als problematisch wertete Becker zudem, dass die Finanzierung der Hochschulen durch Drittmittel nach fast zehn Jahren erstmals wieder deutlicher angestiegen ist als die durch Grundmittel und dass die sogenannte Drittmittelquote sich von 26,9 auf 28 Prozent erhöht hat. „Drittmittel sind für die Hochschulen als zusätzliche Finanzierungsquelle und vor allem für ihre Profilbildung auf lokaler, regionaler, nationaler und auch internationaler Ebene von großer Bedeutung. Für ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und auch für die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung insgesamt sind die Hochschulen aber in hohem Maße auf eine auskömmliche Grundfinanzierung angewiesen“, unterstrich Becker.
Neben den Verschiebungen bei den Grund- und Drittmitteln zeigt der neue Förderatlas auch bei den Drittmittelgebern Veränderungen. Hier hat der Bund seine Drittmittelaktivitäten weiter deutlich erhöht, was auch erheblich zum Anstieg der Drittmittelquote insgesamt beitrug. Mit einem Anteil von 31,4 Prozent aller Drittmittel war der Bund so 2022 erstmals der größte Drittmittelgeber, 2019 waren noch 29 Prozent von ihm gekommen. Der Anteil der DFG lag 2022 bei 30,3 Prozent, drei Jahre zuvor waren es 31,5 Prozent gewesen. „Eine solche Entwicklung aufseiten des Bundes muss durchaus genau beobachtet werden, wie nicht nur, aber vielleicht zusätzlich im Lichte der aktuellen politischen Gesamtsituation deutlich wird“, sagte hierzu die DFG-Präsidentin.
Weiter deutlich gesunken ist der Anteil der Wirtschaft an der Finanzierung der Hochschulen. Ihr Anteil als Drittmittelgeberin betrug 2022 nur noch 14,7 Prozent. Zum Vergleich: 2019 hatten die Hochschulen noch 17,4 Prozent aus der Wirtschaft erhalten, 2006 sogar mehr als 26 Prozent. „Wirtschaft und Industrie sind für den Transfer von Forschungsergebnissen aus der erkenntnisgeleiteten Forschung in die Anwendung von zentraler Bedeutung und profitieren zugleich selbst in hohem Maße davon. Vor diesem Hintergrund ist der über lange Zeit kontinuierliche Rückgang der Drittmitteleinnahmen aus der Wirtschaft eine sehr bedenkliche Entwicklung“, kommentierte Becker und fügte hinzu: „Wissenschaft und Wirtschaft müssen und können starke Partner für Wachstum und Wohlstand und damit für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sein.“
Der aktuelle Förderatlas ist die nunmehr zehnte Ausgabe des Berichtsbandes, der damit seit der ersten Erhebung von Daten für die Jahre 1991 bis 1995 auf eine mehr als 30-jährige Entwicklung zurückblicken kann. Dieses Jubiläum wurde auch bei der Vorstellung in Berlin hervorgehoben. „Der Förderatlas ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Was als Anregung einzelner großer Hochschulen an die DFG und als reines DFG-Förder-Ranking begann, ist seitdem kontinuierlich erweitert worden und präsentiert heute mehrere Zehntausend Daten aller großen öffentlichen Forschungsförderer auf nationaler, aber auch europäischer Ebene. Nirgendwo sonst gibt es so umfangreiche und differenzierte Kennzahlen und Analysen zur öffentlichen Finanzierung der Hochschulen in Deutschland und den damit verbundenen Effekten“, sagte hierzu die DFG-Präsidentin.
Der zehnte Band thematisiert das Jubiläum des Förderatlas, indem er dessen Entwicklung nachzeichnet und einzelne Themen über längere Zeiträume hinweg betrachtet. „Auch solche längerfristigen Zahlenreihen können für aktuelle wissenschaftspolitische Debatten von Bedeutung sein“, unterstrich Becker und verwies auf die zuletzt zunehmende Kritik am Wettbewerb in der Forschung und dessen Überhitzung: „Dabei wird mitunter auch unterstellt, dass bereits erfolgreiche Hochschulen immer noch erfolgreicher werden und die Kluft zu den weniger erfolgreichen Einrichtungen immer größer wird. Ein solcher ‚Matthäus-Effekt‘ und eine damit wachsende Ungleichheit lässt sich jedoch nicht belegen. Im Gegenteil: Auf die am stärksten geförderten Hochschulen entfielen im jüngsten Berichtszeitraum prozentual weniger DFG-Drittmittel als vor 30 Jahren. Das zeigt, wie der Förderatlas auch zur Versachlichung von Diskussionen beitragen kann.“
Ein zweiter Schwerpunkt des neuen Förderatlas ist die Internationalisierung der öffentlich geförderten Forschung. „Hier zeigt sich stärker als in früheren Jahren eine ambivalente Entwicklung“, resümierte Becker: „Einerseits wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der deutschen Hochschulen deutlich – andererseits aber auch, wie sehr Wissenschaft und Forschung inzwischen mit politischen Ereignissen und anderen globalen Herausforderungen verknüpft sind und dadurch manche fruchtbare Zusammenarbeit in Mitleidenschaft gezogen wird.“
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit zeige sich etwa in der jeweils führenden Rolle der deutschen Hochschulen bei Horizon Europe, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (2021/22 mit über 4 Milliarden Euro Fördergeldern vor Frankreich mit 2,8 und Spanien mit 2,7 Milliarden Euro) und den Förderungen des European Research Council (mit 515 Geförderten vor Frankreich mit 308 und den Niederlanden mit 254 Geförderten). Weitere Beispiele sind der hohe internationale Anteil an geplanten Kooperationen in Förderanträgen an die DFG (rund 20 Prozent) oder an den in großen Verbundförderungen wie Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern arbeitenden Wissenschaftler*innen, die zuvor im Ausland tätig gewesen und dann nach Deutschland gekommen waren (ebenfalls rund 20 Prozent).
Die zunehmende Verknüpfung internationaler Wissenschaftskooperationen mit politischen und sonstigen globalen Herausforderungen wurde etwa darin deutlich, dass Großbritannien nach dem Brexit zunächst komplett aus der EU-Forschungsförderung fiel, bei der es zuvor nach Deutschland Platz zwei belegt hatte. Durch die starke Abschottungspolitik Chinas in der Coronavirus-Pandemie ging die Zahl der geplanten deutsch-chinesischen Kooperationen in DFG-Projekten deutlich zurück, und nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine 2022 kamen die geplanten Kooperationen mit Russland wegen des von der DFG verhängten Kooperationsstopps ganz zum Erliegen.
Auch der neue Förderatlas enthält zahlreiche Bewilligungs-Ranglisten, in denen sich 2020 bis 2022 insgesamt eine hohe Kontinuität, aber auch einzelne Veränderungen zeigten.
Die Liste der 40 bewilligungsstärksten Hochschulen wird weiter von den beiden Münchner Universitäten angeführt, auf Platz eins steht mit 335 Millionen Euro DFG-Drittmitteln erneut die LMU München – die auch über den gesamten 30-jährigen Berichtszeitraum die konstantesten vorderen Platzierungen aufweist –, gefolgt von der TU München mit 333 Millionen Euro. Die RWTH Aachen (325 Millionen) als Dritte und die Universität Heidelberg (308 Millionen) als Vierte haben gegenüber dem Zeitraum 2017 bis 2019 die Plätze getauscht, neu auf Rang fünf ist die FU Berlin (270 Millionen). Einen deutlichen Sprung machte von Platz 15 auf Platz sechs die Universität Bonn (294 Millionen). Die Top 10 werden komplettiert durch die um drei Plätze verbesserte Universität Erlangen-Nürnberg (289 Millionen), die Universitäten Freiburg (288 Millionen) und Tübingen (286 Millionen) und die von Platz 13 auf 10 gekletterte Universität Hamburg (271 Millionen).
Aufgeschlüsselt nach Wissenschaftsbereichen warben in den Geistes- und Sozialwissenschaften die FU Berlin und die HU Berlin die meisten Mittel ein, gefolgt von der Universität Tübingen, der Universität Hamburg und der LMU München. In den Lebenswissenschaften lagen die LMU München, die Universitäten Freiburg, Heidelberg, die TU München und die Universität Göttingen vorne, in den Naturwissenschaften die Universitäten Heidelberg, das Karlsruher KIT, die TU München, die Universität Mainz und die LMU München. In den Ingenieurwissenschaften gingen die meisten DFG-Mittel an die RWTH Aachen, gefolgt von der Universität Stuttgart, der TU Dresden, der Universität Erlangen-Nürnberg und dem KIT in Karlsruhe.
In der Relation eingeworbener Mittel zur Zahl der Professor*innen und deren Fachprofil erhielten die Universitäten Freiburg und Konstanz die meisten DFG-Mittel und erwiesen sich so mit ihrem fachlichen Fokus als besonders erfolgreich. Insgesamt warben 27 Hochschulen mehr Drittmittel ein, als es ihre Größe und ihr Fachprofil nach Professorenschaft erwarten ließen.
Auch bei den Drittmitteln nach Bundesländern zeigt sich für 2020 bis 2022 vor allem auf den ersten Plätzen das gleiche Bild wie bei den für 2017 bis 2019 erstmals erhobenen Zahlen. Die meisten DFG-Mittel gingen hier erneut nach Nordrhein-Westfalen (2,13 Milliarden Euro), gefolgt von Baden-Württemberg (1,69 Milliarden) und Bayern (1,57 Milliarden). Daran schließen erneut Berlin (922 Millionen), Niedersachsen (899 Millionen), Hessen (676 Millionen) und Sachsen (616 Millionen) an. Es folgen Hamburg (365 Millionen), Rheinland-Pfalz (336 Millionen), Thüringen (252 Millionen), Schleswig-Holstein (244 Millionen), Sachsen-Anhalt (170 Millionen), Bremen (163 Millionen), Brandenburg (156 Millionen), Mecklenburg-Vorpommern (109 Millionen) und das Saarland (90 Millionen).
Erneut angestiegen ist die Gesamtzahl der Hochschulen, die DFG-Drittmittel einwerben konnten, und zwar von 225 in den Jahren 2017 bis 2019 auf nun 229. Darunter sind genau 100 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), von denen die Hochschule Aalen, die Hochschule München und die Hochschule Furtwangen die meisten Mittel erhielten. Insgesamt gingen im Berichtszeitraum 2020 bis 2022 etwa 0,7 Prozent der DFG-Bewilligungen an HAW. „Dies war sogar noch bevor unsere neu entwickelten Maßnahmen zur stärkeren Förderung erkenntnisorientierter Forschung an HAW und Fachhochschulen in voller Breite Wirkung zeigen konnten“, sagte dazu Katja Becker: „Durch sie ist das politisch gesetzte 1-Prozent-Ziel inzwischen erreicht.“
Die Generalsekretärin der DFG, Dr. Heide Ahrens, betonte bei der Vorstellung die Bedeutung des Förderatlas als Serviceangebot für gleich mehrere Zielgruppen. „Insbesondere für die Mitgliedseinrichtungen der DFG und der Hochschulrektorenkonferenz, aber auch für die Wissenschaftspolitik hat sich der Förderatlas über die Jahre zu einem wichtigen Planungsinstrument entwickelt“, sagte Ahrens und verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine Reihe von Testimonials, welche die DFG anlässlich der Jubiläumsausgabe zusammengetragen hat. In ihnen berichten Nutzer*innen aus den für Hochschulen und Forschung zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder, aus den Leitungsebenen von Hochschulen, Forschungsinstituten und Wissenschaftsorganisationen, aber auch dort auf Arbeitsebene tätige Forschungsreferent*innen sowie Vertreter*innen der Hochschul- und Wissenschaftsforschung über ihren jeweiligen Einsatz des Förderatlas und den Nutzen des Zahlenwerks für ihre Arbeit. Eine Auswahl an Testimonials wurde zur Vorstellung des Förderatlas ebenfalls veröffentlicht, die gesamten eingegangenen Statements finden sich im Internet-Angebot des Förderatlas.
Wie Ahrens weiter hervorhob, zeichnet sich der Förderatlas nicht zuletzt dadurch aus, dass die darin aufgeführten Kennzahlen auf Daten beruhen, die bei den jeweiligen Förderinstitutionen und nicht bei den geförderten Einrichtungen erhoben werden: „Auch das ist als ein Teil der Serviceleistung zu verstehen, denn die im Bericht betrachteten Forschungseinrichtungen sind dadurch nicht mit ressourcenbindenden internen Erhebungen und komplexen Aufbereitungen konfrontiert, wie es bei anderen Rankings häufig der Fall ist.“
Beim Rückblick auf die vergangenen Ausgaben zeige sich, dass die vier forschungspolitischen Themen „Wettbewerb“, „Profilbildung“, „Regionale und nationale Kooperationen und Netzwerkbildung“ sowie „Internationalisierung“ in einem engen Zusammenhang stehen. „In der Zusammenschau wird deutlich, dass Förderdaten ein großes Potenzial für sehr vielfältige Analysen jenseits reiner Drittmittel-Rankings aufweisen“, betonte Ahrens. Die DFG werde mit dem Förderatlas dieses Potenzial auch in Zukunft weiter nutzen, um immer wieder neue Fragestellungen und Zusammenhänge statistisch zu beleuchten.
Ahrens wies in Berlin auch auf das umfangreiche Online-Angebot zum Förderatlas hin, das anlässlich des Jubiläums eine grundlegende Überarbeitung erfahren hat. Mit ihm sind Detaildarstellungen und Kennzahlen für einzelne Hochschulen oder Forschungseinrichtungen nun noch individueller auffindbar. Zusätzliche und verbesserte Suchfunktionen ermöglichen es zudem, nach Schlagworten alle relevanten Daten auf einen Blick zu erhalten. Alle ausgegebenen Tabellen und Abbildungen sind interaktiv und dadurch passgenau für die jeweiligen Zwecke nutzbar.
Wie alle Ausgaben seit 2003 entstand auch der neue Förderatlas mit finanzieller Unterstützung des Stifterverbandes. Zusätzlich zur deutschen Ausgabe soll in der ersten Jahreshälfte 2025 auch eine englischsprachige Zusammenfassung erscheinen.
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Fachliche Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Der komplette Förderatlas 2024, die Testimonials sowie weitere Materialien im Internet unter:
www.dfg.de/foerderatla
Eine Druckausgabe erscheint unter dem Titel „Förderatlas 2024 – Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland“, herausgegeben von der DFG, Bonn 2024, 168 Seiten. Arbeits- und Rezensionsexemplare können per Mail an presse@dfg.d angefordert werden.