Pressemitteilung Nr. 50 | 11. Dezember 2024

Gottfried Wilhelm Leibniz-Preise 2025

Wichtigster Forschungsförderpreis in Deutschland geht im Jubiläumsjahr an vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler / Je 2,5 Mio. Euro Preisgeld / 
Verleihung: 19. März in Berlin

Die neuen Träger*innen des wichtigsten Forschungsförderpreises in Deutschland stehen fest: Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte heute vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftlern den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2025 zu. Sie waren zuvor vom zuständigen Auswahlausschuss aus 142 Vorschlägen ausgewählt worden. Von den zehn Preisträger*innen kommen zwei aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, vier aus den Lebenswissenschaften, drei aus den Naturwissenschaften sowie einer aus den Ingenieurwissenschaften. Die Ausgezeichneten erhalten jeweils ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Diese Gelder können sie bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden.

Die Leibniz-Preise werden feierlich am 19. März 2025 in Berlin vergeben. Der Preisverleihung geht eine Veranstaltung zum 40-jährigen Jubiläum des Programms voraus, bei der sich alle bisherigen Preisträger*innen austauschen und vernetzen können. 

Den „Förderpreis im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm“ der DFG für das Jahr 2025 erhalten:

  • Professor Dr. Volker Haucke, Biochemie und Zellbiologie, Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin
  • Professor Dr. Hannes Leitgeb, Theoretische Philosophie, LMU München
  • Professorin Dr. Bettina Valeska Lotsch, Festkörper- und Materialchemie, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart
  • Professor Dr. Wolfram Pernice, Experimentelle Physik, Universität Heidelberg
  • Professorin Dr. Ana Pombo, Genombiologie, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin
  • Professor Dr. Daniel Rückert, Künstliche Intelligenz, TU München
  • Professorin Dr. Angkana Rüland, Angewandte Mathematik, Universität Bonn
  • Professor Dr. Michael Seewald, Katholische Theologie, Universität Münster
  • Professorin Dr. Maria-Elena Torres-Padilla, Epigenetik, Helmholtz Zentrum München
  • Professor Dr. Robert Zeiser, Hämato-Onkologie, Universitätsklinikum Freiburg

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Mit den diesjährigen Auszeichnungen sind bislang insgesamt 428 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 136 in die Naturwissenschaften, 126 in die Lebenswissenschaften, 101 in die Geistes- und Sozialwissenschaften und 65 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 455 Nominierte den Preis erhalten, darunter 377 Wissenschaftler und 78 Wissenschaftlerinnen.

Zwei Leibniz-Preisträgerinnen und zehn Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten: 1988 Professor Dr. Hartmut Michel (Chemie), 1991 Professor Dr. Erwin Neher und Professor Dr. Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Professorin Dr. Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Professor Dr. Theodor W. Hänsch (Physik), 2007 Professor Dr. Gerhard Ertl (Chemie), 2014 Professor Dr. Stefan W. Hell (Chemie), 2020 Professorin Dr. Emmanuelle Charpentier (Chemie) und Professor Dr. Reinhard Genzel (Physik), 2021 Professor Dr. Benjamin List (Chemie), 2022 Professor Dr. Svante Pääbo (Medizin) sowie 2023 Professor Dr. Ferenc Krausz (Physik). 

Die Leibniz-Preisträger*innen 2025 im Kurzporträt:

Professor Dr. Volker Haucke vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin, erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten zum molekularen Verständnis des Lipidsignalings und der Signalübertragung an den Synapsen des Nervensystems.

Welche Mechanismen ermöglichen die Funktion von Nervenzellen? Um dieser Frage nachzugehen, richtet Volker Haucke seinen Blick im Besonderen auf einen als Endozytose bezeichneten Vorgang: Wenn Zellen Flüssigkeit und kleine Substanzen aus der Umgebung aufnehmen, stülpen sie gezielt Bereiche ihrer Membran ein. Dies reguliert auch die Zusammensetzung der Zellmembran und den Transport von Rezeptoren von der Zelloberfläche. In Nervenzellen spielt die Endozytose im Zusammenspiel mit Stofftransport-Prozessen aus der Zelle heraus eine entscheidende Rolle, um die präzise Signalübertragung an Synapsen sicherzustellen und die Degeneration von Nervenzellen zu vermeiden. Haucke hat neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie neuronale Proteinkomplexe, Lipidsignale und Abbaumechanismen zelleigener Bestandteile zusammenwirken. Auf Basis seiner Ergebnisse hat er bereits Hemmstoffe von wichtigen Enzymen des Lipidstoffwechsels entwickelt, die Hoffnungen auf neue Medikamente gegen Krebs machen.

Volker Haucke studierte Biochemie an der FU Berlin und promovierte am Biozentrum der Universität Basel. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der Yale University, USA, ging er als Nachwuchsgruppenleiter an die Universität Göttingen. Von dort aus kehrte er als Professor für Biochemie an die FU Berlin zurück. Seit 2012 leitet er das Berliner Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie der Leibniz-Gemeinschaft. Für seine Arbeiten hat er bereits zahlreiche Preise und Förderungen erhalten, darunter einen ERC Advanced Grant sowie den Feldberg-Preis 2020. Haucke ist unter anderem Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Academia Europaea sowie der European Molecular Biology Organization (EMBO).

Professor Dr. Hannes Leitgeb von der LMU München erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten in der mathematisch-analytischen Philosophie, die wesentliche Debatten in der Philosophie nachhaltig geprägt haben.

Eine zentrale Vision des Philosophen und Mathematikers Leibniz war es, auch philosophische Probleme mathematisch zu lösen. Das bedeutete für ihn, dass „zwei Philosophen, die in einen Streit geraten, nicht anders argumentieren als zwei Rechenmeister, und es genügt, dass sie eine Feder in die Hand nehmen, sich vor ein Täfelchen setzen und zueinander sagen: ‚Calculemus!‘ (Rechnen wir!)“. An diesem Ziel arbeitet auch der Mathematiker und Philosoph Hannes Leitgeb. Er hat die Tradition der mathematisch-analytischen Philosophie mit wichtigen historischen Studien beleuchtet, mithilfe kreativer Ideen erweitert und auf zahlreiche Phänomene aus der Philosophie und den Kognitions- und Sprachwissenschaften angewendet. Mit einer bahnbrechenden Theorie zeigte er, wie rationale Überzeugungen und ihre Abhängigkeit von neuen Daten gerechtfertigt werden können. Zudem hat er Wesentliches zum Verständnis von unbestimmten und vagen Begriffen beigetragen und den Rahmen abgesteckt, in dem Ausdrücke verstanden werden können, die sich auf dasselbe beziehen, aber verschiedene Bedeutungen haben. 

Hannes Leitgeb studierte Mathematik und promovierte nacheinander in Mathematik und Philosophie an der Universität Salzburg, bevor er an der dortigen Fakultät für Philosophie 2001 Assistenzprofessor wurde. Von 2004 bis 2005 forschte er an der Stanford University, USA, und danach an der University of Bristol, UK, wo er 2007 eine Professur annahm. Seit 2010 ist Hannes Leitgeb Alexander von Humboldt-Professor für Logik und Sprachphilosophie an der LMU München. Seine Arbeiten wurden unter anderem 2007 mit dem Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung ausgezeichnet. Die Gesellschaft für Analytische Philosophie hat entschieden, ihm in ihrer nächsten Tagung 2025 den Frege-Preis zu verleihen. Er ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Academia Europaea. Zudem war er bis 2023 Herausgeber der Fachzeitschrift „Erkenntnis“.

Professorin Dr. Bettina Valeska Lotsch vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart, erhält den Leibniz-Preis für ihre Arbeiten in der Festkörperchemie zwischen grundlagenorientierter Materialsynthese und der Entwicklung neuer Materialien.

Innovative Materialien, die für nachhaltige Energiequellen nutzbar sind – daran forscht die Chemikerin Bettina Valeska Lotsch. Mit einem Fokus auf der grundlagenorientierten Materialsynthese gelangen ihr mit der Entwicklung einer neuen Generation von Photokatalysatoren wegweisende Arbeiten, die es ermöglichen, nach Lichteinstrahlung Wasserstoff zu generieren und CO2 zu reduzieren. Auch durch die Wechselwirkung von Licht mit eigens hergestellten Materialien gelang ihr ein vollkommen neues Lichtspeicherkonzept, das die Energieumwandlung und -speicherung von Sonnenenergie in einem Material erlaubt. Damit wird eine zeitverzögerte Photokatalyse im Dunkeln ermöglicht, wofür Bettina Valeska Lotsch den Begriff „Dunkle Photokatalyse“ geprägt hat. Die Erkenntnisse sind zum Beispiel für die Entwicklung effizienter Solarbatterien von Bedeutung. Vielbeachtet sind auch Lotsch‘ Arbeiten zur Entwicklung anorganischer Elektrokatalysatoren, basierend auf zweidimensionalen Materialien für die Wasserspaltung.  

Nach ihrem Studium und ihrer Promotion an der LMU München ging Bettina Valeska Lotsch 2007 für zwei Jahre als Postdoc an die University of Toronto, Kanada, gefördert über die Alexander von Humboldt-Stiftung. Zurück in Deutschland wurde sie zur Tenure-Track-Professorin an der LMU München ernannt, ab 2011 war sie parallel selbständige Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. Seit 2017 ist sie dort Direktorin der Abteilung Nanochemie und zudem Honorarprofessorin an der LMU München und der Universität Stuttgart. 2014 erhielt Lotsch einen ERC Starting Grant. Sie wurde bereits vielfach für ihre herausragenden Arbeiten ausgezeichnet, unter anderem 2017 mit dem EU-40 Materials Prize der European Materials Research Society. 2021 wurde sie in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

Professor Dr. Wolfram Pernice von der Universität Heidelberg erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet des neuromorphen photonischen Rechnens, das physikalische Datenverarbeitung mit Künstlicher Intelligenz verbindet.

Ein Computer, der so ähnlich wie ein Gehirn funktioniert – an dieser Idee arbeitet der Physiker Wolfram Pernice. Genauer gesagt beschäftigt er sich mit dem neuromorphen photonischen Rechnen, also neuronalen Netzwerken, bei denen Licht anstelle von Elektronen zum Einsatz kommt. Auf diesem Gebiet hat Pernice Pionierarbeit geleistet. Seine Studien verbinden optische Methoden der physikalischen Datenverarbeitung mit parallelen Berechnungen, die für die Implementierung Künstlicher Intelligenz (KI) zentral sind. Pernice‘ interdisziplinäre Forschung überschreitet traditionelle Grenzen und wirkt sich auf verschiedene Disziplinen aus – von den Naturwissenschaften über die Informatik und Ingenieurwissenschaften bis hin zur Chemie und den Biowissenschaften. Seine Forschungsergebnisse weisen den Weg zu innovativen und nachhaltigen Methoden, um den Energieverbrauch von KI-Computerhardware zu reduzieren und dennoch schnelle Berechnungen zu ermöglichen. Darüber hinaus ist er weltweit als Wegbereiter auf dem Gebiet der integrierten Quantenphotonik bekannt, insbesondere bei supraleitenden Einzelphotonen-Detektoren.

Wolfram Pernice studierte Mikrosystemtechnik an der Universität Freiburg und Informatik an der Indiana University, Bloomington, USA. 2007 promovierte er an der University of Oxford, UK. Ein Jahr später wechselte er über die Alexander von Humboldt-Stiftung an die Yale University, USA, 2011 als Leiter einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe an das Karlsruher Institut für Technologie. 2015 folgte er einem Ruf auf eine Professur an die Universität Münster. Seit 2021 ist er Professor am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg sowie weiterhin außerplanmäßiger Professor an der Universität Münster. 2013 wurde er jeweils in die Junge Akademie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt. 2016 erhielt er einen ERC Consolidator Grant, 2019 war er im Momentum-Programm der VolkswagenStiftung erfolgreich.

Professorin Dr. Ana Pombo vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin, erhält den Leibniz-Preis für ihre Arbeiten zur 3D-Organisation von chromosomaler DNA im Zellkern.

Zellen sind Meister darin, Informationen auf kleinstem Raum unterzubringen: Chromosomen als Träger der Erbanlagen werden um fast drei Größenordnungen komprimiert, damit sie in den Zellkern passen. Seit der Entschlüsselung des Genoms um die Jahrtausendwende stellte sich die Frage, wie Chromosomen und die individuellen Genabschnitte in räumlich definierten Strukturen vorliegen und ob derartige Strukturen biologische Funktionen haben. Ana Pombo entwickelte neue bahnbrechende Methoden, um in einzelnen Zellen die dreidimensionale Organisation von chromosomaler DNA zu kartieren. So entdeckte sie erstmals entscheidende Kontakte innerhalb von Chromosomen, aber auch zwischen verschiedenen Chromosomen. Ihre Entdeckungen führten zu einem neuen Verständnis der Genregulation und den zugrunde liegenden Strukturen innerhalb des Zellkerns. Zudem sind die Erkenntnisse relevant, um Krankheitsprozesse besser zu verstehen. 

Nach ihrem Studium der Biochemie an der Universität Lissabon promovierte Ana Pombo 1998 in Zellbiologie an der University of Oxford, UK. Anschließend wechselte sie an das MRC London Institute of Medical Sciences des Imperial College London, UK, wo sie als unabhängige Gruppenleiterin tätig war. Seit 2013 leitet Pombo ein Forschungslabor am Max-Delbrück-Centrum in Berlin, wo sie auch Vizedirektorin für Forschung und Mitglied des Leitungsgremiums ist. Zudem ist sie Professorin an der HU Berlin und gestaltet ihr Feld aktiv als Herausgeberin einer Fachzeitschrift und als Organisatorin von Konferenzen mit. Sie ist Mitglied der European Molecular Biology Organisation (EMBO) und der Europäischen Akademie der Wissenschaften.

Professor Dr. Daniel Rückert von der TU München erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens und deren Anwendungen in der Medizin.

Methoden der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens finden heute bereits vielfach Anwendung in der Medizin, unter anderem bei bildgebenden Verfahren – hier hat Daniel Rückert Pionierarbeit geleistet. Er entwickelte neuartige Algorithmen, mit denen biomedizinische Bilder rekonstruiert, analysiert und interpretiert werden können. Seine Arbeiten führten zu einer deutlichen Beschleunigung des Bildaufnahmeprozesses und zudem zu neuartigen Rekonstruktionsmethoden von CT- und MRT-Bilddaten. Dadurch können Erkrankungen heute besser und individualisierter diagnostiziert und therapiert werden. Bereits in den Neunzigerjahren stellte Rückert erste Studien zur nicht-rigiden und multimodalen Registrierung vor. Damit wurde es möglich, medizinische Bilddaten zwischen verschiedenen Aufnahmezeitpunkten und -modalitäten zu verknüpfen. Auch auf dem Gebiet des Maschinellen Lernens hat er leistungsfähige Algorithmen vorgeschlagen. In jüngeren Studien konnte Rückert zudem die 3D-Rekonstruktion mittels Maschinellen Lernens etablieren, die vor allem bei MRT-Daten zum Einsatz kommt. 

Daniel Rückert studierte Informatik an der TU Berlin und promovierte am Imperial College London, gefolgt von einer Tätigkeit als Postdoc am King‘s College London, UK. 1999 wurde er Assistenzprofessor am Imperial College und erhielt dort sechs Jahre später ein Ordinariat für „Visual Information Processing“ am Department of Computing, dem er von 2016 bis 2020 als Dekan vorstand. Seit 2020 ist er Alexander von Humboldt-Professor für „Artificial Intelligence in Medicine and Healthcare“ am Klinikum rechts der Isar der TU München. Rückert ist unter anderem Mitglied in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), der Royal Academy of Engineering, der Academy of Medical Sciences und des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE). 

Professorin Dr. Angkana Rüland von der Universität Bonn erhält den Leibniz-Preis für ihre Arbeiten in der Mathematischen Analysis, vor allem zu Modellen für Mikrostrukturen bei Phasenübergängen in Festkörpern und Inversen Problemen mit nichtlokalen Operatoren.

Angkana Rülands Forschung in der Mathematischen Analysis ist inspiriert von Problemen, die in den Naturwissenschaften entstehen und zu spannenden mathematischen Fragen führen. Unter anderem beschäftigt sie sich mit kristallinen Mikrostrukturen bei Phasenübergängen in Festkörpern. In einer ihrer wegweisenden Arbeiten studierte sie den Wechsel von einem kubischen zu einem orthorhombischen Kristallgitter beim temperaturbedingten Phasenübergang und klassifizierte unter Berücksichtigung der Grenzflächenenergien die dabei auftretenden Geometrien. Ihre Forschung kann für die Entwicklung neuer Materialien eine Rolle spielen, zum Beispiel solcher mit magnetischen Eigenschaften. In ihrem zweiten Schwerpunkt widmet sie sich Inversen Problemen. Diese treten dann auf, wenn von einer beobachteten Wirkung auf die Ursache geschlossen werden soll, zum Beispiel in der medizinischen Bildgebung. Rüland beschäftigt sich vor allem mit einer bestimmten Klasse von Inversen Problemen – dem Calderón-Problem und nichtlokalen Varianten davon. Sie hat sich hier Fragen der Eindeutigkeit und Rekonstruktion gewidmet und mit ihren kreativen Methoden eine neue Forschungsrichtung für Inverse Probleme mit nichtlokalen Operatoren eröffnet.

Angkana Rüland studierte in Bonn und Leipzig Mathematik und promovierte 2014 an der Universität Bonn. Danach war sie drei Jahre lang Junior Research Fellow an der University of Oxford, UK, und von 2017 bis 2020 Gruppenleiterin am Leipziger Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften. 2020 folgte sie einem Ruf auf eine Professur nach Heidelberg und kehrte 2023 nach Bonn zurück, wo sie eine Professur am Exzellenzcluster „Hausdorff Center for Mathematics“ innehat. Sie erhielt 2023 den Calderón-Preis für Inverse Probleme der Inverse Problems International Association und 2024 den New Horizons in Mathematics Prize der Breakthrough-Stiftung. Rüland engagiert sich stark in der Nachwuchsförderung und in der Wissenschaftskommunikation.

Professor Dr. Michael Seewald von der Universität Münster erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten in der Systematischen Theologie, insbesondere der Dogmengeschichte und der Dogmenhermeneutik.

Michael Seewald widmet sich prägnanten, unkonventionellen und kreativen Studien in der Systematischen Theologie – insbesondere in der Dogmengeschichte und der Dogmenhermeneutik. Mit seinem historisch-kritisch abgeleiteten und systematisch begründeten Plädoyer für die Wandelbarkeit von Dogmen unter Beibehaltung der Tradition ist es ihm gelungen, eine Brücke zwischen gegensätzlichen Lagern im Katholizismus zu schlagen. Damit gilt er als eine Schlüsselfigur der Dogmenhermeneutik, die die aktuellen theologischen Debatten über Reform, Glaubenswandel und Tradition maßgeblich prägt – und auch die Wahrnehmung wissenschaftlich arbeitender Theolog*innen in einer breiten, nicht nur akademischen Öffentlichkeit fördert. Zudem widmet er sich religionsvergleichenden Studien, in Zusammenarbeit mit dem Islamwissenschaftler Thomas Bauer und dem Judaisten Alfred Bodenheimer. Diese Studien sind die konsequente Weiterentwicklung seines Denkens, um die Wandelbarkeit von konkurrierenden Geltungsansprüchen in einem größeren Kontext zu vergleichen.

Nach seinem Studium der Katholischen Theologie, Philosophie und Politikwissenschaft in Tübingen promovierte Michael Seewald 2011 an der LMU München und wurde dort 2015 habilitiert. Ein Jahr später nahm er den Ruf auf eine Professur für Dogmatik und Dogmengeschichte in Münster an, wo er bis heute lehrt und seit 2022 Sprecher des Excellenzclusters „Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation“ ist. Seine wissenschaftlichen Leistungen wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2017. Zudem wurde er 2023 als wissenschaftliches Mitglied in die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und Künste und 2024 zum Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin ernannt. 

Professorin Dr. Maria-Elena Torres-Padilla vom Helmholtz Zentrum München erhält den Leibniz-Preis für ihre Arbeiten zur epigenetischen Plastizität und Reprogrammierung der Stammzellen in der Embryonalentwicklung von Säugetieren.

Maria-Elena Torres-Padilla forscht zu den Mechanismen, die der Zellplastizität, also der Anpassungsfähigkeit von Zellen, zugrunde liegen. Ihr Fokus ist vor allem auf die epigenetischen Prozesse gerichtet, das heißt auf die zellulären Vorgänge, die aufgrund von Umwelteinflüssen die Aktivität von Genen beeinflussen. In ihrer Forschung wendet sie Erkenntnisse und Methoden aus der Epigenetik auf Fragen der zellulären Plastizität im Embryo an. Ein zentraler Aspekt ihrer Forschung ist die epigenetische Reprogrammierung und die Frage, wie die Chromatinstruktur der DNA die Anpassungsfähigkeit der Zellen steuert. Am Modellsystem Maus konnte Torres-Padilla bereits entscheidende Fragen zur Entwicklungsbiologie und Stammzellregulation beantworten. Unter anderem klärte sie die Rolle von Histonen, einer Klasse von Kernproteinen bei der Zelldifferenzierung, in der frühen Embryonalentwicklung auf. Ein weiterer Meilenstein war die Entdeckung jener epigenetischen Faktoren, die den ersten Schritt der Umprogrammierung steuern – von den sehr frühen „totipotenten“ Stammzellen zu den embryonal differenzierten Zellen.

Maria-Elena Torres-Padilla hat Biologie an der Nationalen Universität Mexiko studiert und anschließend am Institut Pasteur in Paris, Frankreich, promoviert. Es folgte ein wissenschaftlicher Aufenthalt am Gurdon Institute der University of Cambridge, UK, bevor sie als Gruppenleiterin an das Institute of Genetics and Molecular and Cellular Biology (IGBMC) in Illkirch‐Graffenstaden, Frankreich, wechselte. Seit 2016 ist sie Direktorin des Stem Cell Centers am Helmholtz Zentrum München und Professorin für Stammzellbiologie an der LMU München. Torres-Padilla ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Lateinamerikanischen Akademie der Wissenschaften sowie der European Molecular Biology Organization (EMBO). Sie engagiert sich stark in der akademischen Selbstverwaltung, zum Beispiel im Ethikrat des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg.

Professor Dr. Robert Zeiser vom Universitätsklinikum Freiburg erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten zur Erforschung und Behandlung von Blutkrebs, insbesondere zur Transplantatabstoßung und zur immunologischen „Tarnung“ von Tumoren.

Robert Zeiser ist der Fachcommunity durch seine wegweisenden Arbeiten zur Behandlung von Blutkrebs bekannt. Ziel seiner Forschung ist es, neue molekulare Erkenntnisse über die Immunvorgänge bei Tumorerkrankungen und über damit zusammenhängende Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen zu erlangen, um diese dann über klinische Studien zur Zulassung von neuen Medikamenten zu bringen. So hat Zeiser frühzeitig erkannt, dass ein bestimmter molekularer Signalweg im Immunsystem des Menschen bei der Transplantation von Blutstammzellen eine zentrale Rolle für Abstoßungsreaktionen spielt. Er schaffte es, dieses neu gewonnene immunologische Wissen in eine neue Therapie mit dem Wirkstoff Ruxolitinib umzusetzen. In anderen Studien untersuchte er die Mechanismen immunologischer „Tarnung“, mit denen Tumore der menschlichen Immunabwehr entkommen. Bei Leukämiezellen konnte er unter anderem zeigen, dass diese Zellen spezielle Erkennungsmoleküle für Rezeptoren, die TIM3-Liganden, aufweisen. Auf Basis dieser Erkenntnis entwickelte er Anti-TIM3-Antikörper, die in der Krebstherapie eingesetzt werden. 

Robert Zeiser hat an der Universität Freiburg Humanmedizin studiert und dort auch promoviert. Es folgte ein zweijähriger Aufenthalt als Postdoc an der School of Medicine der Stanford University, USA, bevor er für seine klinische Ausbildung nach Freiburg zurückkehrte. Im Jahr 2013 erhielt er dort eine Heisenberg-Professur. 2023 wurde er Direktor der Abteilung für Stammzelltransplantation und Stellvertretender Ärztlicher Direktor. Zeiser erhielt mehrere ERC Grants und zahlreiche Wissenschaftspreise, darunter den Paul-Martini-Preis der Paul-Martini-Stiftung und den Deutschen Krebspreis der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebsstiftung. Zudem nimmt er eine führende Rolle in der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie ein.

Weiterführende Informationen

Terminhinweis:

Die Verleihung der Leibniz-Preise findet am 19März 2025 um 17 Uhr im Cafe Moskau in Berlin statt. Die Veranstaltung wird auch im Livestream übertragen:

Medienvertreter*innen erhalten eine gesonderte Einladung.

Weitere Informationen zum Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm sowie ab Anfang des neuen Jahres zu den Preisträger*innen 2025 finden sich unter:

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