Engere Verzahnung von Grundlagenforschung und Anwendung / Weitere Themen der Jahrespressekonferenz: Gleichstellung, flexibler Einsatz von Fördergeldern, Exzellenzinitiative
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) will den Erkenntnistransfer stärken und so einen engeren Austausch von Grundlagenforschung und Anwendung erreichen. Dies kündigte DFG-Präsident Professor Matthias Kleiner am Donnerstag, dem 8. Juli 2010, auf der Jahrespressekonferenz von Deutschlands zentraler Forschungsförderorganisation in Berlin an. „Die Grundlagenforschung wird auch künftig im Mittelpunkt unserer Aktivitäten stehen. Und doch wollen wir mehr dafür tun, dass die Erkenntnisse und Ergebnisse der von uns geförderten Projekte noch besser wirksam werden“, unterstrich Kleiner, der den Erkenntnistransfer am Vortag auch in den Mittelpunkt seiner Rede auf der Festversammlung der DFG in der Humboldt-Universität gestellt hatte.
Ein besserer Erkenntnistransfer könne einen doppelten Nutzen haben, so der DFG-Präsident: „Er kann zum einen zu vermehrten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Innovationen führen und dafür sorgen, dass die Wissenschaft Wirtschaftskraft schafft. Vor allem aber kommt er auch wieder der Wissenschaft zugute. Im Sinne eines Wechselspiels von Geben und Nehmen können durch den Erkenntnistransfer neue wissenschaftliche Fragestellungen aufgeworfen werden, die zu weiterer, besserer Grundlagenforschung führen.“
Wie Kleiner erläuterte, fördert die DFG den Erkenntnistransfer bereits seit 15 Jahren in einzelnen Projekten und verschiedenen Programmen. Dies sei aber bislang häufig auf die Ingenieurwissenschaften beschränkt. „Dabei gibt es in allen Wissenschaftsbereichen große Potenziale für Erkenntnistransfer“, betonte der DFG-Präsident und nannte als Beispiel einen Sonderforschungsbereich an der Universität Hamburg zur „Mehrsprachigkeit“, dessen Ergebnisse in den schulischen Fremdsprachenunterricht oder in Fortbildungen für zweisprachige Krankenhausmitarbeiter einfließen. Auch in der Medizin sei ein enger Austausch zwischen Grundlagenforschung und der klinischen Praxis zu beiderseitigem Nutzen möglich. Vorbildlich sind aus Sicht der DFG hier die Forschungen des Leibniz-Preisträgers Professor Christoph Klein zu Krebserkrankungen bei Kindern und ein Sonderforschungsbereich in Hannover, der sich mit Cochlea-Implantaten für Taube beschäftigt. Beides seien zunächst Grundlagenforschungen, die dann in die klinische Praxis und die industrielle Fertigung hineinwirkten, aus denen sich wiederum neue Impulse für die Forschung ergäben.
Weitere Themen der Jahrespressekonferenz der DFG waren die Gleichstellung in der Wissenschaft, weitere Erleichterungen für die Hochschulen für einen noch flexibleren Einsatz der DFG-Fördergelder und der Start der zweiten Phase der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Zwei Jahre nach der Verabschiedung der „Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards“ der DFG zog Kleiner bei den Bemühungen um bessere Chancen für Wissenschaftlerinnen eine positive Zwischenbilanz. „Unsere Standards haben in allen Hochschulen zusätzliche starke Impulse ausgelöst, überall wurden Erfolg versprechende Maßnahmen eingeleitet“, sagte der DFG-Präsident unter Hinweis auf die ausführlichen ersten Berichte der DFG-Mitgliedseinrichtungen zur Umsetzung der Standards. Zwölf Hochschulen sind nach Ansicht der DFG hier vorbildlich: Die RWTH Aachen, die Freie Universität und die Humboldt-Universität Berlin sowie die Universitäten Bielefeld, Bremen, Duisburg-Essen, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Paderborn, Tübingen und Würzburg. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass für Gleichstellungsmaßnahmen gezielt Gelder zugewiesen werden oder dass es auf der Leitungsebene eine feste Zuständigkeit für die Umsetzung der Standards gibt.
Beim Einsatz der DFG-Fördermittel – 2009 wurden inklusive mehrjähriger Mittel insgesamt gut 2,7 Milliarden für mehr als 17 000 Forschungsprojekte bewilligt – sollen die geförderten Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen noch freier und flexibler werden. Wie Kleiner erläuterte, sollen sie selbst und nach ihren eigenen Bedürfnissen entscheiden, ob die Gelder für Personal, Sachmittel oder Geräte verwendet werden. Statt fester Stellen will die DFG künftig pauschalierte Geldbeträge bewilligen. „Damit ist die vollständige Deckungsfähigkeit zwischen Personal-, Sach- und Investitionsmitteln erreicht, ein großer Schritt“, sagte der DFG-Präsident, der zugleich betonte, dies dürfe nicht dazu führen, dass Gutachterempfehlungen umgangen oder DFG-finanzierte Wissenschaftler schlechter bezahlt würden. „Unsere Förderung wird noch einfacher und unbürokratischer“, resümierte Kleiner. „Und: Wir geben den Universitäten mehr Freiheit – und nicht, was oft die Gleichung ist, weniger Geld.“
Mit Blick auf die aktuelle wissenschafts- und hochschulpolitische Situation dankte Kleiner erneut dem Bund und den Ländern, dass sie trotz der Finanzkrise in vollem Umfang an der Fortführung der Exzellenzinitiative, dem Pakt für Forschung und Innovation und dem Hochschulpakt festhielten. Dadurch würden bis 2018 rund 18 Milliarden Euro in Wissenschaft und Bildung fließen, davon alleine fünf Milliarden über die DFG in die Grundlagenforschung. „Das ist ein starkes Signal und gibt uns und der Wissenschaft eine ausgesprochen gute Perspektive.“ Dies gelte, so Kleiner abschließend, auch für die seit März laufende zweite Phase der Exzellenzinitiative, in der die Universitäten 247 Absichtserklärungen für neue Projekte abgegeben haben. „Das zeigt: Das Interesse an dem Wettbewerb zur Stärkung der Spitzenforschung ist weiter sehr groß. Und es zeigt auf keinen Fall eine ‚Antragsflaute‘, die der eine oder andere zu sehen meint“, betonte Kleiner. Die Zahl der Absichtserklärungen sei im Vergleich zur ersten Phase der Exzellenzinitiative proportional zum zusätzlich verfügbaren Mittelvolumen. Zudem habe die DFG den Universitäten geraten, schon bei der internen Auswahl ihrer Projekte strengste Maßstäbe anzulegen und eher weniger, aber besonders gute Bewerbungen abzugeben. „Diese Botschaft ist offenbar angekommen.“ Als nächstes sollen die Hochschulen nun bis 1. September Antragsskizzen für ihre neuen Projekte einreichen, die noch in diesem Jahr begutachtet werden sollen, bevor im Frühjahr 2011 entschieden wird, welche Projekte sich mit den 85 bereits geförderten Exzellenzeinrichtungen messen. Die endgültige Entscheidung über die weiteren Exzellenzprojekte fällt im Juni 2012. „Das wird ein spannender und harter Wettbewerb“, zeigte sich der DFG-Präsident überzeugt.