Pressemitteilung Nr. 58 | 9. Dezember 2016

Wissenschaftliches Fehlverhalten: Entscheidung in zwei DFG-Verfahren

Hauptausschuss beschließt Rücknahme von Heisenberg-Professur und schriftliche Rüge 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zieht erneut Konsequenzen aus dem wissenschaftlichen Fehlverhalten von geförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Der Hauptausschuss der größten Forschungsförderorganisation und zentralen Selbstverwaltungsorganisation für die Wissenschaft in Deutschland beschloss auf seiner Sitzung am 8. Dezember 2016 in Bonn in zwei Fällen Maßnahmen gemäß der DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten. Dabei folgte er jeweils der Empfehlung des DFG-Ausschusses zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

Im ersten Fall stellte der Hauptausschuss ein wissenschaftliches Fehlverhalten der Pharmakologin Professor Dr. Kathrin Mädler fest, die an der Universität Bremen tätig ist und 2014 von der DFG eine Heisenberg-Professur bewilligt erhalten hatte. Gegen Mädler war im März 2015 ein Untersuchungsverfahren eingeleitet worden, nachdem bezüglich einer Reihe ihrer Publikationen der Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens aufgekommen war. Da die Vorwürfe auch von der Universität Bremen untersucht wurden, wurde das DFG-Verfahren zunächst ausgesetzt. Ebenso wurde das mit der Bewilligung der Heisenberg-Professur verbundene Berufungsverfahren an der Universität Bremen von dieser ausgesetzt. Nachdem die Bremer Universität ihre Untersuchung im September 2016 beendet – und ihr Rektor gegenüber Mädler wiederholtes fahrlässiges Handeln und die Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht festgestellt – hatte, wurde das DFG-Verfahren vom Ausschuss zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens fortgeführt.

Nach intensiver Prüfung der Vorwürfe und auf der Grundlage mehrerer Stellungnahmen, des Untersuchungsberichts der Universität Bremen und einer Anhörung Mädlers gelangte der Ausschuss – wie zuvor auch die Universität Bremen – zu der Feststellung, dass es in sechs Publikationen, die auf einer DFG-Förderung beruhen, zu Falschangaben gekommen ist. So wurden in Abbildungen Ergebnisse präsentiert, deren Beschreibungen nicht mit dem dargestellten Blot übereinstimmten. Auch wurden aus älteren Publikationen Abbildungen verwendet, die in einem anderen Kontext entstanden waren und mit den nun beschriebenen Experimenten nichts zu tun hatten.

Für diese Falschangaben sprach der DFG-Ausschuss Mädler aufgrund ihrer Tätigkeit als Leiterin der Arbeitsgruppe und ihrer Rolle als Corresponding Author der Publikationen eine Verantwortung zu. Für eigenhändige Falschangaben durch Mädler liegen nach Auffassung des Ausschusses zwar keine Anhaltspunkte vor. Der Ausschuss stellte vielmehr fest, dass andere Autoren, die der Arbeitsgruppe Mädlers angehört haben, für die Wiederverwendungen der Abbildungen verantwortlich gewesen seien, was Mädler in ihrer Anhörung auch nicht bestritt. Der Ausschuss kam jedoch zu der Feststellung, dass Mädler ihre Aufsichtspflicht gegenüber diesen Mitarbeitern in grober Weise vernachlässigt hat, was eine Mitverantwortung und nach der DFG-Verfahrensordnung ebenfalls ein wissenschaftliches Fehlverhalten begründet.

Als geeignete und angemessene Maßnahme gemäß der DFG-Verfahrensordnung schlug der Untersuchungsausschuss dem Hauptausschuss die Rücknahme der 2014 bewilligten Heisenberg-Professur für Mädler vor. Dem schloss sich der Hauptausschuss nun an.

„Angesichts der festgestellten Fehler und Mängel der Aufsichts- und Organisationspflichten erfüllt Frau Mädler nicht mehr die Voraussetzungen, die an die Erteilung einer Heisenberg-Professur ge-stellt werden. Die Heisenberg-Professur wird als ‚career-milestone‘ jährlich in nur wenigen Fällen durch die DFG bewilligt und ist gerade keine Projekt-, sondern eine Personenförderung mit hohen Anforderungen, auch und gerade an wissenschaftliche Integrität, und mit hoher Vorbildfunktion. Diese Voraussetzungen liegen bei Frau Mädler nicht mehr vor, weshalb ihr nach heutigem Stand auch keine Heisenberg-Professor bewilligt werden würde“, sagte die Generalsekretärin der DFG und Vorsitzende des Ausschusses zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, Dorothee Dzwonnek, nach der Entscheidung. Weitere Maßnahmen wie etwa eine Antragssperre sah der Ausschuss hingegen nicht als geeignet an, da Mädler grundsätzlich die Möglichkeit erhalten bleiben soll, Drittmittel einzuwerben.

In seiner zweiten Entscheidung sprach der Hauptausschuss gegenüber einer Wissenschaftlerin eine „schriftliche Rüge“ aus. In ihrem Fall waren bei der Begutachtung einer DFG-geförderten und nun zur Publikation vorgesehenen Arbeit identische Abbildungen mit einer bereits früher publizierten Studie aufgefallen. Nach Vorprüfung durch die DFG-Geschäftsstelle wurde auch hier ein förmliches Verfahren eingeleitet. In diesem Verfahren kam der DFG-Untersuchungsausschuss nach intensiver Prüfung und auf der Grundlage von Stellungnahmen der Wissenschaftlerin und ihres Arbeitsgruppenleiters sowie einer gutachterlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass der Wissenschaftlerin eine Verantwortung für die Falschangaben in dem eingereichten Manuskript aufgrund ihrer Benennung als Corresponding Author zukommt. Anhaltspunkte für eigenhändige Falschangaben durch die Wissenschaftlerin lagen dem Ausschuss nicht vor. Als Corresponding Author hätte sie die fehlerhaften Abbildungen aber erkennen können und müssen.  

Als angemessene und geeignete Maßnahme schlug der Ausschuss dem Hauptausschuss in diesem Fall den Ausspruch einer „schriftlichen Rüge“ vor. Damit werde einerseits dem Unrechtsgehalt des wissenschaftlichen Fehlverhaltens hinreichend Rechnung getragen; andererseits werde deutlich, welche Verantwortung ein Corresponding Author trage. Auch dieser Empfehlung schloss sich der Hauptausschuss mit seiner Entscheidung nun an.


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