Plenarsitzung der MAK-Kommission 2024

Zusammenführung von Erkenntnissen – die aufwändige Analyse und Integration von Studienergebnissen für die Ableitung von Grenzwerten / Insgesamt 96 neue Veröffentlichungen im Jahr 2023

Am 20. März 2024 trafen sich die Mitglieder, Ständigen Gäste und Gäste der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) in Berlin zur diesjährigen Plenarsitzung.

Im Mittelpunkt der Arbeit der Kommission steht seit jeher die wissenschaftliche Empfehlung von Grenzwerten für arbeitsplatzrelevante Stoffe. Die Grundlage hierfür sind die Analyse und Integration aller verfügbarer Informationen, Erkenntnisse oder Studien, die zu einer Substanz vorliegen. Die Herausforderung hierbei ist die in der Regel unzureichende Datenlage in Bezug auf am Menschen erhobene Informationen 1. In der Konsequenz erfordert die Ableitung von Grenzwerten häufig eine Zusammenführung von Erkenntnissen, die in unterschiedlichen Tiermodellen und damit Spezies gewonnen wurden und deren Abgleich mit vorhandenen Humandaten. Diese Interspezies-Korrelation bedarf der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachgebiete und ist anspruchsvoll. Hinzu kommen Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus der jeweiligen Substanz, beispielsweise in Zellkulturen. In den letzten Jahren sind zudem zahlreiche alternative Ansätze zur Bewertung von Substanzen entwickelt worden. Zu den Perspektiven und Begrenzungen dieser sogenannten New Approach Methods (NAMs), zu denen insbesondere Daten- oder KI-basierte Simulationsansätze, aber auch Hochdurchsatz-Testsysteme gehören, hatte sich die Kommission im Jahr 2022 positioniert 2. Insofern war auch das vergangene Arbeitsjahr geprägt von der beständigen Erweiterung der Expertisen der Kommission und der intensiven Befassung mit diesen neuen Methoden und der Erarbeitung von Konzepten zur Integration der Erkenntnisse klassischer toxikologischer Studien mit denen, die aus alternativen Ansätzen gewonnen werden. So gab es unter anderem einen Austausch mit Professor Thomas Hartung von der Johns Hopkins University, der ein anerkannter Experte für Organoid-Kulturen und KI-Ansätze in der toxikologischen Forschung ist.

In den Berichten der Arbeitsgruppen der Kommission, die im Rahmen der Plenarsitzung vorgestellt wurden, wurde eindrucksvoll deutlich, wie die spezifischen Schwerpunkte der Arbeitsgruppen ineinandergreifen und gleichermaßen zur Risikobewertung und Etablierung von Messmethoden beitragen. Über die Befassung mit Fragen der Hautresorption, Sensibilisierung, inhalativer oder krebserzeugender Wirkungen oder möglichen Effekten auf die Keimbahn, die in jeweiligen Arbeitsgruppen geprüft werden, können sehr häufig die toxikologischen Wirkprofile von Substanzen aufgeklärt werden. Das Verständnis des Wirkmechanismus ist in der Regel die Voraussetzung für eine fundierte Risikobewertung und Ausgangspunkt für wirkungsvolle Schutzmaßnahmen.

Im letzten Jahr konnten insgesamt 96 Veröffentlichungen, 43 MAK- und 25 BAT-Begründungen, die Ableitung von 11 MAK- und 5 BAT-Werten und die Beschreibung von 14 Luftanalysen- und 14 Biomonitoring-Methoden erarbeitet werden. Diese große Anzahl an Veröffentlichungen verdeutlicht einmal mehr das hohe ehrenamtliche Engagement aller an der Kommission beteiligten Personen. Im Zentrum der Arbeitsfähigkeit der Kommission steht das wissenschaftliche Sekretariat. Die dort mit hoher Kompetenz durchgeführten Recherchen und erarbeiteten Diskussionsgrundlagen bilden die Voraussetzung für die Produktivität und die Qualität der Kommissionsarbeit. Im Rückblick auf das vergangene Jahr können einige besonders komplexe Bewertungen hervorgehoben werden. Bisphenol A, ein Stoff der als Weichmacher von Plastikprodukten als Stoff mit hormonähnlicher Wirkung in der Öffentlichkeit bekannt ist, steht im Verdacht, ein erhebliches Gesundheitsrisiko darzustellen. Hier wurden umfangreiche neue Studien überprüft und deren Qualität bewertet; die Bearbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Weiterhin wurden zahlreiche neue Studien zu Aluminium gesichtet und festgestellt, dass der MAK-Wert überprüft werden muss. Darüber hinaus wurde für Cerdioxid, ein in Katalysatoren, aber auch als Schleif- und Poliermittel eingesetzter Stoff, ein Grenzwertvorschlag erarbeitet; am Beispiel von Graphen, ein Bestandteil nanoelektronischer und photonischer Bauelemente, werden derzeit die toxikologischen Effekte anhand der konkreten Materialeigenschaften diskutiert. Bei der Bewertung von Glaswolle konnten vorhandene epidemiologische Studien sowie Tierversuche einbezogen werden und unter Berücksichtigung der in der Praxis vorhandenen Mischungsverhältnisse zwischen Staub und Fasern ein Grenzwert abgeleitet werden. Perspektivisch rücken zunehmend auch Stoffe, die für die Herstellung und Nutzung von erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen, in den Mittelpunkt der Kommissionsarbeit.

Wie erfolgreich die Kommissionsarbeit ist, lässt sich daran ablesen, dass bis auf einen Grenzwert alle Empfehlungen der Kommission in gesetzliche Regelungen überführt werden konnten.

Die Ergebnisse der Kommissionsarbeit wurden auch im letzten Jahr nach Abschluss der Kommentierungsphasen auf der von ZB MED aufgebauten Plattform  „MAK Collection“ als MAK- und BAT-Werte-Liste und als Zeitschrift „The MAK Collection for Occupational Health and Safety“ im open access für die Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Darüber hinaus wurde das letzte Jahr genutzt, um die Arbeit der Kommission im Kontext unterschiedlicher Fachtagungen im In- und Ausland bekannter zu machen.

Auf der europäischen Ebene hat sich die Kommission weiter dafür eingesetzt, dass die risikobasierte Bewertung von Stoffen die zentrale Grundlage für regulatorische Entscheidungen im Arbeitsschutz bleiben. Hintergrund hierfür ist, dass der europäische Diskurs aktuell verstärkt auf Vermeidung und Verbote von Substanzen setzt. Aus Sicht der Kommission stellt die quantitative Risikobewertung von Chemikalien als Grundlage für informierte Entscheidungen allerdings weiterhin eine deutlich realistischere und angemessenere Strategie zum Bevölkerungsschutz insbesondere am Arbeitsplatz dar. Dies gilt umso mehr, da die Herstellung und Nutzung erneuerbarer Energien den sicheren Umgang mit den hierfür benötigten Substanzen ohnehin erforderlich machen. Um diese Perspektive in den Diskurs einzubringen, bietet sowohl die Mitarbeit der Vorsitzenden der Kommission, Frau Prof. Dr. Andrea Hartwig, im High Level Roundtable on the Chemicals Strategy for Sustainability der Europäischen Union und im Risk Assessment Committee (RAC) der ECHA, als auch die Zusammenarbeit der Kommission mit der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gute Möglichkeiten. In diesen Kontext fällt im weitesten Sinne auch der aktuelle Diskurs über eine Roadmap zum Verzicht auf tierexperimentelle Ansätze bei der Chemikalienprüfung. Auch hier bemüht sich die Kommission über den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Akteuren, einschließlich der Ständigen Senatskommission für tierexperimentelle Forschung, die Perspektive der Forschung einzubringen. 

Weiterführende Informationen:


 

1 Relevanz von Humanstudien für die Ableitung von Arbeitsplatzgrenzwerten - Positionierung der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (2019)

2 New Approach Methods (NAMs) in der wissenschaftsbasierten Abteilung von Grenzwerten - derzeitige und zukünftige Rolle - Stellungnahme der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (2023)