(20.08.21) In einem Beitrag in Issues in Science and Technology warnt Anthony Mills vom libertär-konservativ einzuschätzenden American Enterprise Institute vor einer undifferenzierten Nutzung wissenschaftlicher Fachberatung durch die Politik und hängt seine Argumentation am „Swine Flu Fiasco (New York Times) der späten 1970er Jahre auf.
Anfang 1976 hatte die damalige US-Administration unter Präsident Gerald Ford sehr aggressiv auf zwei Fälle einer Virusinfektion in einem Militärlager reagiert, deren Erreger starke Ähnlichkeiten mit dem Erreger der Spanischen Grippe von 1918/19 hatte. Nachdem serologische Befunde 200 weitere Infektion innerhalb kurzer Zeit nahelegten, hätten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) dringend eine Impfkampagne im ganzen Land als Vorsorgemaßnahme gegen eine befürchtete Epidemie empfohlen. Mit breiter Unterstützung aus beiden Parteien waren bis Ende 1976 40 Mio. Menschen geimpft. Als bis dahin allerdings keine Infektionen außerhalb des Militärlagers aufgetaucht waren, erschien die Kampagne der Regierung auch wegen zahlreicher Nebenwirkungen des Impfserums als überzogen und als Beleg einer fehlgeleiteten wissenschaftlichen Politikberatung. Der Beitrag der New York Times kritisierte seinerzeit unter anderem die fehlende Expertise im Weißen Haus, um lebenswissenschaftliche Realitäten und politische Zweckmäßigkeit auseinanderzuhalten, und das Eigeninteresse einer gesundheitspolitischen Bürokratie, die der Bevölkerung ihren Nutzen habe beweisen wollen.
Mills sieht nun auch im Umgang mit Covid-19 ein Beispiel dafür, dass der Schlachtruf „follow the science“ ein sicheres Rezept für das Aufreißen politischer Gräben sei, denn: „Scientific knowledge is always uncertain when applied to real-world events, albeit to varying degrees.“ Wenn nicht klar sein könne, welchen Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung gefolgt werden solle, würde die Rhetorik des „follow the science” vor allem den notwendigen politischen Prozess maskieren, um angemessen auf eine Krise wie Covid-19 zu reagieren. Diese Art von Versteckspiel von Verantwortung garantiere den wissenschaftlichen Experten einen privilegierten Platz bei den Entscheidungsfindungen und biete den dann gefundenen Entscheidungen einen Anschein von Objektivität, ohne über die zugrundeliegenden Unsicherheiten sprechen zu müssen. Dabei würde sich die politische Diskussion darüber, was getan werden solle, auf eine fruchtlose Debatte darüber verlagern, wer wissenschaftlich argumentiere und wer nicht. Im Ergebnis leide die Glaubwürdigkeit von Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung insgesamt. Man müsse daher zum Schutz der Integrität wissenschaftlicher Forschung vermeiden, politische Debatten zu wissenschaftlichen machen zu wollen: „If we pretend our disagreements about public policy are fundamentally scientific in nature, then our political discourse will inevitably devolve into counterproductive debates about ’the science’.”