(03.02.22) Ein Beitrag auf Wire zu den Wurzeln des noch nicht wiederholten Erfolgs von Silicon Valley konzentriert sich auf die Rolle staatlicher Investitionen und verwirft die These, dass nur die Abwesenheit von Staat gepaart mit einer freien Entfaltung des Marktgeschehens und einer räumlichen Nähe zu den Engineering-Programmen von Stanford University dieses Rezept so erfolgreich habe werden lassen. So erfolgreich, dass es – mit Ausnahme freilich des Silicon Valley – wohl keinen Platz auf der Erde gäbe, an dem die öffentliche Hand es nicht mit aller Kraft und sehr großen Investitionsbeihilfen für die bereits etablierte High-Tech Industrie nachzukochen versuche. Dieser tendenziell ruinöse Wettbewerb von Regionen habe bislang noch nicht dazu geführt, den bereits etablierten „Top Tech“-Regionen der USA – der Autor nennt vier, nämlich die Bay Area, Seattle, Boston und Austin – weitere hinzuzufügen.
Darum wäre wohl ein genauerer Blick auf die Geschichte des Silicon Valley hilfreich, das erst in den 1980er Jahren Boston als führende Tech-Region der USA abgelöst habe. Der Autor lässt diese Geschichte im Zweiten Weltkrieg beginnen und während des Kalten Krieges noch einmal erhebliche Dynamik gewinnen. In diesen Phasen habe der Staat in einem bis dahin unbekannten Maße auch in die Wissensproduktion des Landes investiert und diese Investitionen etwa im Rahmen des Manhattan Projects auch in strukturschwache Gebiete des Landes gebracht. Eines dieser strukturschwachen Gebiete sei das Gebiet rund um die Stanford University gewesen. 1955 habe die in Los Angeles ansässige Rüstungsfirma Lockheed ihre Missiles & Space Division wenige Kilometer östlich der Hochschule angesiedelt und Lockheed blieb bis in die 1980er Jahre der größte privatwirtschaftliche Arbeitgeber der Region. Die Rüstungs- und Raumfahrtindustrie mit ihren Miniaturisierungsanforderungen für Raketen und Flugzeuge wurde zum Ankerkunden für eine entstehende Halbleiterindustrie in der Umgebung von Stanford, in Austin und in Seattle. Hierzu heißt es: „Defense and space spending boosted Austin, enlarged the Texas semiconductor industry, and elevated the research reputation of the University of Texas. Seattle boomed, thanks to the expanding Cold War military, its growing public research institutions, and the defense contracts rolling into Boeing (...).”
Neben den Rüstungs- und Raumfahrtausgaben der öffentlichen Hand waren es vor allem auch die sozialen Investitionen des Staates, die zum Entstehen der Tech Hubs beigetragen haben, Investitionen wie etwa die im Rahmen der „GI Bill“, die Millionen von Kriegsheimkehrern ein Studium und eine entsprechend verbesserte Lebensgrundlage finanzierte. Dazu heißt es: „States like California enlarged public higher education systems, making it easy to obtain a low-cost, top-flight university education. Schools and local infrastructure were well-funded, especially in the growing suburbs that many tech people and companies called home.”
Nur in einem Zusammenspiel von sehr viel Geduld, erheblichen öffentlichen Investitionen in die Entwicklung von „Human-Kapital“ und in rüstungs- und raumfahrtrelevante Forschung und Entwicklung, bei der der Staat selber als wichtigster Kunde auftreten würde, sei das Entstehen des Silicon Valley möglich gewesen. In den USA seien diese Voraussetzung derzeit nicht mehr gegeben, denn zum einen fehle der Politik mittlerweile die Geduld und zum anderen habe sich das Paradigma staatlichen Handelns verschoben. Statt durch Investitionen aktiv zu sein, ziehe sich die Politik aus der Verantwortung zurück und hoffe, durch Steuererleichterungen und andere Akte von „Corporate Welfare“ zu wirken. Die Geschichte des Silicon Valley zeige die Ironie dabei, denn die Saat sei in Zeiten großer öffentlicher Investitionen ausgebracht worden, die Ernte allerdings erst eingefahren, nachdem sich die öffentliche Hand weitgehend zurückgezogen hätte. Es heißt: „Modern Silicon Valley grew wealthy amid this pullback from the public realm, so it’s not surprising that many tech leaders are dismissive (if not resentful) of government, and most believe public policy had little to do with their entrepreneurial success.”