(01.03.22) Seit nunmehr 61 Jahren verabschiedet der US-Kongress einmal im Jahr mit in der Regel großen überparteilichen Mehrheiten in beiden Kammern den National Defense Authorization Act (NDAA und damit die Rechtsgrundlage für die Verteidigungsausgaben des Landes. Der am 27. Dezember von Präsident Biden unterzeichnete NDAA für das im vergangenen Oktober begonnene Fiskaljahr 2022 (FY22) sieht Ausgaben im Gesamtumfang von $770 Mrd. vor (Ausgaben für Kriegseinsätze der USA sind nicht enthalten, sondern werden gesondert finanziert) und ist mit einem Umfang von über 2.100 Seiten (in der Fassung des Repräsentantenhauses) sehr detailliert.
Von Seite 1824 bis Seite 1846 befasst sich der NDAA im Titel 42 mit den Ausgaben für „Research, Development, Test and Evaluation (RDT&E)“ in Höhe von fast $118 Mrd., von denen die ersten drei Titelgruppen (Basic Research, Applied Research, Advanced Technology Development) als Forschungs- und Entwicklungsausgaben (nach deutschem Verständnis) des DOD betrachtet werden können. Die drei Titel summierten sich in der jüngeren Vergangenheit regelmäßig auf etwa nur 16 % der RDT&E-Ausgaben, immerhin fast $19 Mrd. Dieser Betrag verbirgt aber, dass das DOD mit einem noch deutlich größeren Teil der RDT&E-Ausgaben als „Anker-Kunde“ für technologische Sprunginnovationen in Erscheinung tritt, so wie wie es bezüglich Deutschland Thomas Sattelberge in seinen „Zehn Punkten, wie wir Deutschland zur Innovationsnation machen“ (Handelsblatt vom 19. 10. 2021) vorschwebt.
Weil der NDAA an zahlreichen Stellen forschungs- und förderpolitische Relevanz hat, warf ein Beitrag des American Institute of Physics (AIP Mitte Dezember einen Blick auf das Gesetz und schrieb: „The science and technology provisions in this year’s NDAA make relatively modest changes to existing policy (...). The provisions that were included reflect Congress’ ongoing interest in accelerating the adoption of emerging technologies; advancing specific technology categories such as quantum computing, microelectronics, and biotechnology; and streamlining collaboration between the Department of Defense and extramural researchers.”
Bemerkenswert am diesjährigen NDAA sei laut AIP, dass das Thema „Research Security“, also die Frage, wie die Ausnutzung von durch das Department of Defense (DOD) geförderten Forschungsergebnissen durch rivalisierende Staaten verhindert werden könne, nicht im Gesetz behandelt sei. Man rechne allerdings damit, dass es zu einem eigenständigen Gesetz kommen werde, in dem das Thema vor allem im Hinblick auf China geregelt würde.
Die politisch umstrittene Forschungskooperation der EcoHealth Alliance mit dem chinesischen Wuhan Institute of Virology, zu der es auch Förderanträge bei der zum DOD gehörenden Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) gegeben habe, ist im NDAA explizit erwähnt. Künftig ist eine Zusammenarbeit der EcoHealth Alliance mit von der chinesischen Regierung finanzierten Forschungsprojekten untersagt. Ausnahmen sind nur durch eine Genehmigung des Verteidigungsministers möglich.
Aufbauend auf dem NDAA für 2018, der mit der Schaffung einer Position des Under Secretary of Defense for Research and Engineering USD(R&E) im DOD die Zusammenarbeit mit Forschungshochschulen und anderen, nicht zum DOD gehörenden Forschungseinrichtungen intensivieren will, weitet der neue NDAA die Felder dieser Zusammenarbeit aus und umfasst laut Sec. 218 nun: „nuclear science, security, and nonproliferation; chemical, biological, radiological, and nuclear defense; spectrum activities; research security and integrity; and printed circuit boards.“
Bei der Zusammenarbeit mit Forschungshochschulen soll das Defense Established Program to Stimulate Competitive Research (DEPSCoR) dabei helfen, die bislang bei der Vergabe von Forschungsmitteln noch wenig erfolgreichen Bundesstaaten kompetitiver zu machen. Zu diesem Programm heißt es bei AIP: „Congress first established the program in 1990, but it was defunded in 2010 until Congress restored appropriations to it in 2019. This year’s NDAA gives the program a more prominent status in statute.” In dieselbe Richtung ziele auch eine Ausweitung der Defense Innovation Units (DIU) über die bestehenden Standorte in Washington, Austin, Silicon Valley und Boston hinaus.
Zu den „strukturpolitischen” Maßnahmen zählt laut AIP auch eine Bestimmung, nach der nicht geförderte Anträge in den Programmen für Small Business Innovation Research (SBIR) und Small Business Technology Transfer (STTR) noch einmal angeschaut werden und jede Waffengattung jeweils fünf dieser Programme in eine gesonderte Förderung nehmen sollten, „in a bid to improve the SBIR/STTR programs’ track record in technology maturation“.
Der NDAA enthält schließlich auch Bestimmungen zur Klärung des „Havanna-Syndroms“ (zuerst beim Personal der US-Botschaft in Havanna beschriebene Gesundheitsbeeinträchtigungen mit noch mysteriösen Ursachen) und zu Begegnungen des Militärs mit nicht zu identifizierenden Flugobjekten. Zu Letzteren heißt es: „DOD (...) set up a task force to further investigate such encounters, which it converted last month into an office called the Airborne Object Identification and Management Synchronization Group.”