(24.03.22) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit dem Forschungsstipendium und seit 2019 mit dem Walter Benjamin-Stipendium die Grundsteinlegung für wissenschaftliche Karrieren durch Finanzierung eines eigenen, unabhängigen Forschungsvorhabens im Ausland und seit 2019 auch in Deutschland. Ein großer Teil dieser Stipendien wird in den USA und zu einem kleineren Teil auch in Kanada wahrgenommen, Ausdruck einer in vielen Disziplinen und in besonderem Maße in den Lebenswissenschaften herrschenden Überzeugung, dass es hilfreich für die Karriere sei, „in Amerika gewesen“ zu sein. In einer Reihe von Gesprächen möchten wir Ihnen einen Eindruck von der Bandbreite der DFG-Geförderten vermitteln. In dieser Ausgabe schauen wir, wer sich hinter der Fördernummer WA 4856 verbirgt.
DFG: Lieber Herr Dr. Wandt, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit dem Nordamerika-Büro der DFG nehmen. Ihr Vorname Bastian ist eine vor allem im Süden Deutschlands verbreitete Kurzform von Sebastian und Ihr Nachname Wandt findet sich zusammen mit dem Vornamen Dieter in DFG-Förderungen im Bereich der Physik. Sie sind aber nicht mit Dieter Wandt verwandt, oder?
Bastian Wandt (BW): Herzlichen Dank auch von meiner Seite für die Gelegenheit zu einem Gespräch und die Förderung meines derzeitigen Forschungsaufenthalts in Vancouver. Nein, mit dem Physiker Dieter Wandt bin ich nicht verwandt und nach allem, was mir meine Eltern so erzählen, wurde ich im Landkreis Peine geboren, also in der Gegend von Hildesheim, Braunschweig und Hannover, für alle diejenigen, die mit Niedersachsen nicht so gut vertraut sind.
DFG: Kamen denn die entscheidenden Impulse für Ihre Berufswahl aus der Familie?
BW: Das ist eine interessante Frage, die ich mir so noch nicht gestellt habe. Mein Vater ist bis zu seinem Ruhestand Polizist gewesen, meine Mutter technische Zeichnerin, also von daher könnte mir ein Interesse an Technik in die Wiege gelegt worden sein. In der Schule war ich dann auch keine wirkliche Granate, obgleich ich naturwissenschaftlich eigentlich immer interessiert gewesen bin. Auch im Bachelor-Studium deutete noch nicht so viel auf Informatik hin. Es gab da bei den Mechatronikern an der Uni nur einen Kurs und ehrlich gesagt, habe ich mich auch nie für einen sehr guten Programmierer gehalten. Viel von dem Erlernten habe ich mir zu Hause erarbeitet, auch dank meines Vaters. Er ist ein passionierter Bastler und gehörte vermutlich zu den frühen Nutzern von 386er-PCs und dadurch war ich schon sehr früh von Elektronik und Datenverarbeitung begeistert. Meine Wahl des Fachs Mechatronik für das Bachelor-Studium war also eigentlich schon vorgezeichnet und – ich nehme mal eine Frage von Ihnen vorweg – es gab dazu eigentlich nie ernsthafte Alternativen oder andere zwingende Talente.
DFG: Wären Sie 20 Jahre älter, hätten Sie sich mit Ihren Neigungen vermutlich an Mofas und Mopeds ausgetobt und das Studienfach wäre Maschinenbau geworden, oder?
BW: Das mag sein, aber ich habe mein Mofa in Ruhe gelassen und lieber an Robotern geschraubt, dann natürlich mit einer entsprechenden Verlagerung von Hardware in Richtung Software. Meine Bachelor-Arbeit handelte von automatisierten Gabelstaplern in auch von Menschen bevölkerten Arbeitsumfeldern. Die Hardware liegt da im Wesentlichen schon im Regal, man muss allerdings viel Mühe auf Software verwenden, soll da in der Praxis was Anderes rauskommen als Slapstick oder schlimmer eine Unfallakte bei der Berufsgenossenschaft.
DFG: Haben denn Ergebnisse Ihrer Bachelor-Arbeit tatsächlich Anwendung gefunden und wenn ja, wie sieht die Unfall-Bilanz aus?
BW: Unfälle haben sich zum Glück auf unser Labor beschränkt. Ich kann mich gut an eine Situation erinnern in der sich der Gabelstapler unvorhergesehen in die falsche Richtung gedreht hat und dabei unseren Laboraufbau zur Hälfte abgerissen hat. Da wir aber immer mit einer Hand über dem Notausschalter schwebten, konnte Schlimmeres verhindert werden. Unser Stapler war ein reines Forschungsprojekt und wurde – wenn überhaupt, dann nur in Teilen – im Alltag eingesetzt.
DFG: Zeigt sich Ihre Affinität zu Technik auch in Ihrem Privatleben? Wie kann man sich denn Ihren Haushalt vorstellen?
BW: Die Rollladen an Fenster und Türen sind automatisiert, eine Nachtabsenkung an der Heizung, Staubsaugerroboter, Licht geht dort automatisch an, wo jemand in den Raum tritt, so was halt.
DFG: Sie haben dann Ihr weitgehend automatisiertes Zuhause verlassen und sind in die Welt aufgebrochen. Was hat Sie dazu bewegt, für Ihren Postdoc-Aufenthalt an die kanadische Westküste zu gehen, immerhin neun Zeitzonen entfernt von der niedersächsischen Heimat?
BW: Genau diese neun Stunden, ich wollte vor allem wirklich mal raus aus Deutschland, mir das Land mal von außen anschauen und mein Englisch soweit aufpolieren, dass ich mich auch in einem deutlich internationaleren Umfeld wohlfühlen kann, als ich es von Hannover gewohnt war. Natürlich ist die Informatik an der University of Britisch Columbia (UBC) auch hervorragend, gehört wahrscheinlich zu den zehn besten Adressen weltweit, und in meinem Spezialgebiet ist mit Helge Rhodin jemand an der UBC, der seine Meriten am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken verdient hat. Seine Arbeitsgruppe ist der von der Zeitverschiebung und der englischen Sprache unabhängige Grund meines Aufenthalts in Kanada. Schließlich bin ich mittlerweile auch vom Wert eines internationalen Aufenthalts für die wissenschaftliche Karriere überzeugt, überzeugter noch als zur Antragsstellung, und ich würde vermuten, mein jetziger Auslandsaufenthalt wird nicht der letzte bleiben.
DFG: Ihr Spezialgebiet ist das Erfassen und die Analyse menschlicher Bewegungen mit nur einer Kamera, im Fachjargon Motion Capture bzw. MoCap. Was sind die besonderen Herausforderungen daran und wer braucht so was?
BW: Würden Menschen sich nur zweidimensional bewegen, käme ich zur Bewegungsanalyse wohl mit einer Kamera aus. Bei einer normalen, dreidimensionalen Bewegung hätte ich eigentlich gerne zwei Kameras in etwas Abstand zueinander, also einen Stereo-Blick. Nun ist Stereo oft nicht oder nur schwer zur realisieren und da können Teile der MoCap-Szene mittlerweile sehr gut helfen, weil wir an maschinellen Lernverfahren, an Dimensionalitätsreduktion, Compressed Sensing und Deep Learning forschen und entwickeln. Die Anwendungsbereiche sind dabei riesig und reichen von der physikalischen Analyse der in einzelnen Bewegungssegmenten wirkenden Kräfte zum Beispiel für den Bau von Prothesen, über die Sportanalyse, um etwa Überlastungen oder gar Verletzungen zu vermeiden oder um noch ein wenig besser zu werden als die Konkurrenz, bis hin in die Ergonomik, damit auch Sie genauer wissen können, dass Ihr Tennis-Ellbogen nicht von den vielen Mausklicks kommen kann. Dazu sollte man vielleicht noch den großen Bereich von Assistenzsystemen erwähnen, also den Räumen, die Mensch und Maschine teilen. Hier sollten Maschinen unbedingt und immer wissen, was die Menschen gerade tun bzw. tun werden, sonst gäbe es wieder eine Unfallakte. In dem Thema steckt zudem sehr viel Bilderkennung drin und Bilderkennung hat noch ganz andere Reize, mal von dem ganzen Bereich Big-Brother-Überwachung abgesehen. Während meines Masterstudiums betrieb ich mit einem Kommilitonen eine kleine Firma zu diesem Thema. Wir haben Programme zur Produktionsüberwachung gestrickt, mit denen Unternehmen ihre Qualitätskontrollen ein wenig weiter automatisieren konnten.
DFG: Haben Sie diese Firma noch?
BW: Nein, weil wir da in der Kürze der Zeit keine Stammkundschaft haben aufbauen können und uns darum das Risiko zu groß erschien, haben wir das ausklingen lassen. Mittlerweile würde mir wahrscheinlich auch die Zeit neben meiner Forschung fehlen, ein Unternehmen erfolgreich zu betreiben. Es liegt aber wie gesagt nicht an der Nachfrage nach dem, was wir angeboten haben. Die halte ich nach wie vor für hoch.
DFG: Sie haben bei den Nutzern der MoCap-Technologien Hollywood und die anderen Hersteller virtueller Unterhaltungswelten nicht genannt. Ist das nicht so relevant?
BW: Im Gegenteil, das ist überaus relevant und ein großer Markt. Aber, wie gesagt, mich interessieren die ökonomischen Dimensionen der Anwendungen von MoCap-Technologien weniger als die mit der Entwicklung verbundenen Herausforderungen an die Informatik. Näher ist uns ein anderer Bereich, nämlich der Leistungssport, aber aus einem anderen Grund. Die Profi-Sportarten in den USA, und hier vor allem Baseball, werden mittlerweile wissenschaftlich stark mit Bewegungsanalysen durchdrungen und viele Stadien sind mit sehr guten MoCap-Technologien ausgestattet. Baseball ist deswegen so weit fortgeschritten, weil die Leute mit dem Ball in der Hand (die Pitcher) ebenso von einem definierten Punkt aus arbeiten wie die Leute mit dem Schläger in der Hand (die Batter). Das macht es für die Wissenschaft reizvoll, weil Bewegungsvariationen kleiner sind als in dynamischeren Sportarten. Für den Profi-Sport sind die Erkenntnisse sehr nützlich, wie man mit nur kleinen Veränderungen von ein paar Winkeln in der Körperhaltung einen Strike Out wahrscheinlicher machen kann (das möchte ein Pitcher) oder einen Home Run (das möchte der Pitcher gerade nicht). Weil Innovationen immer dort vorangetrieben werden, wo es viel Geld zu verdienen gibt, könnte es durchaus sein, dass wir irgendwann mal sehr gute Assistenzsysteme haben werden, weil die Red Sox nicht gegen die Yankees verlieren wollten oder umgekehrt.
DFG: Wo liegen da diese Herausforderungen derzeit und kann man das Laien noch erklären?
BW: Während in Stadien, wie zum Beispiel beim Baseball, sehr viel Platz für große und teure Kamerasysteme vorhanden ist, ist dies zum Beispiel im Amateursport oder bei Sportarten, in denen weniger Geld steckt, nicht so ohne weiteres möglich. Das bedeutet, dass oft nur eine geringe Anzahl von Daten - wenn überhaupt - vorhanden ist. Diese Daten, auch wenn sie nicht optimal sind, zu nutzen ist eine große Herausforderung für die derzeitigen maschinellen Lernverfahren. Wenn dies irgendwann möglich ist, eröffnen sich völlig neue Anwendungsgebiete. Beispielsweise könnten Amateursportler ihre eigenen Bewegungen dreidimensional analysieren und bräuchten dazu nur ihr Smartphone. Ein anderes Beispiel sind Träger einer Beinprothese, die zuhause in einer ruhigen Umgebung ihren Gang analysieren können, anstatt in einer stressigen Umgebung bei einem professionellen Einsteller.
DFG: Wie sieht denn der Alltag eines Postdocs in der Informatik aus und wie das Mischungsverhältnis aus Frust und Erfolg?
BW: Das Zweite möchte ich mir eigentlich nicht vor Augen führen, denn es ist das in wissenschaftlicher Forschung eher übliche Verhältnis von 90 % Frustration und 10 % Erfolg. Auf der anderen Seite „it is a free country“ und die 10 % Erfolg gepaart mit Neugier lösen 90 % Frustration schnell auf. Das Erste ist dann eine Mischung aus vielleicht 20 % Anstellen konzeptioneller Überlegungen – häufig zu zweit oder im Team und gelegentlich auch an der Tafel mit staubiger Kreide – und 80 % meist individuelles Coden am Computer, also dem Klischee-Klassiker für Informatiker.
DFG: Aber Kaffee, Cola oder gar Red Bull spielen in Ihrem Leben doch eine Rolle, oder?
BW: Klar, ohne Koffein geht doch Programmieren gar nicht. Das ist es dann aber auch schon, denn mehr als acht Stunden, gelegentlich auch zehn, kann ich eigentlich nicht konzentriert genug arbeiten, dass die Ergebnisse auch sinnvoll wären, mit oder ohne koffeinhaltige Getränke. Aber nicht nur der Geist wird nach einer Weile müde, sondern auch der Körper, wobei ich allerdings durch Sport und wahrscheinlich noch relativer Jugend selbst nach einem Programmier-Marathon nicht unter Rückenschmerzen leide.
DFG: Sie beschreiben Ihr Arbeitsgebiet mit „Erfassung menschlicher Bewegungen mittels unüberwachtem oder nur schwach überwachtem maschinellen Lernen“. Wie kann man Maschinen unbeaufsichtigt lernen lassen und sollte man das tun?
BW: Das ist nicht so bedrohlich, wie es klingt. Wir unterscheiden beim maschinellen Lernen Situationen, in denen wir Eingangs- und Ausgangsdaten kennen, von solchen, wo wir sie nicht oder nur unvollständig kennen. In letzteren Fällen sprechen wir von unüberwachtem und nur schwach überwachtem maschinellen Lernen, was aber nicht heißt, dass wir da etwa Monster entstehen lassen würden, denen wir dann irgendwann mal den Netzstecker ziehen müssten. Dass so etwas überhaupt möglich ist, zeigt zum Beispiel die moderne Generation von Programmen für Spiele wie Schach oder Go. Die hat man wirklich unüberwacht bzw. nur schwach überwacht auf ein definiertes Ziel hin lernen lassen, nämlich zu gewinnen. Solange wir die Ziele des maschinellen Lernens definieren, brauchen wir uns da keine Sorgen zu machen und können künstliche Intelligenz auch völlig unbeaufsichtigt lernen lassen.
DFG: Das beruhigt, aber wie können Sie denn einem Computerprogramm vermitteln, dass Gewinnen schöner ist als Verlieren und es entsprechenden Ehrgeiz im Schach entwickelt?
BW: Sie denken zu menschlich. Der Computer „weiß“ doch gar nicht, dass er gerade Schach spielt. Ich definiere ihm einfach per Programm ein Ziel, sagen wir „erreiche 1.000 Punkte!“. Jeder gemachte Zug bringt nun Plus- oder Minuspunkte und ihn damit diesem Ziel etwas näher oder eben nicht. In der Wirklichkeit ist das freilich komplizierter und braucht viel Kaffee, doch Hexenwerk ist das nicht und auch nichts, was Fachleute nicht nachvollziehen können. AlphaGo zum Beispiel, das ist das Programm, gegen das seit 2016 fast kein Mensch mehr das Brettspiel Go gewinnen kann, beruht auf einer Reihe von publizierten Papers und Sie können auch nachlesen, welch enorme Rechenleistungen da aufgewendet werden mussten, den seinerzeit weltbesten Menschen in diesem Spiel zu schlagen.
DFG: Sich selber auf ein Ziel hin optimierende Programme können also mittlerweile rasch so mächtig werden, dass ich sie mir nur sehr ungerne in falschen Händen vorstelle, oder?
BW: Ja, das ist gewiss eine Gefahr, nur ist es halt die Pandora-Büchse, an deren Deckel meine Hände allenfalls zwei unter Tausenden sind. Das ist ein grundsätzliches Problem von Grundlagenforschung, dass aus neuem Wissen auch neue Werkzeuge gefertigt werden können, deren Anwendungskontrolle dann weit weg von der Grundlagenforschung liegen kann. Sich deshalb selber Grundlagenforschung zu verbieten, kann aber nicht die Lösung des Problems sein.
DFG: Als Deutschlands wichtigste Förderorganisation für Grundlagenforschung würden wir Ihnen da nicht widersprechen wollen. Ihre derzeitigen Arbeiten an der Erfassung und Berechnung menschlicher Körperhaltungen handeln häufiger vom Sportklettern. Sind Sie da auch aktiv und wenn ja, wo klettern Sie derzeit?
BW: Ja, Klettern ist vor allem deswegen spannend, weil die Bewegungen schwer zu analysieren sind. Stellen Sie sich bitte mal Alex Honnold vor. Er bestieg den El Capitan im Yosemite National Park ohne technische Hilfsmittel und ohne Sicherung, aber mit Bewegungen, die für Spinnen leichter plausibel zu machen sind als für Menschen. Ich selber bin auch seit vielen Jahren sehr ambitionierter Kletterer und deshalb nicht nur wissenschaftlich, sondern auch privat sehr interessiert daran, Kletterbewegungen besser zu verstehen. Nicht zuletzt sind auch die zahlreichen Bergsportarten, die hier in BC betrieben werden können, ein Grund, weshalb ich mich hier sehr wohl fühle.
DFG: Das hört sich doch danach an, dass Sie sich in British Columbia neben Ihrer Forschung nicht langweilen werden. Was sind denn Ihre Pläne für die Zeit nach dem derzeitigen Postdoc in Vancouver?
BW: Zunächst einmal habe ich ja noch Pläne in Vancouver. Da steht zum Beispiel ein Klavier in meiner Mietswohnung, das sich gerne mit mir anfreunden möchte. Ich bin aber noch nicht so ganz sicher, ob es auf Gegenseitigkeit beruht. Ich wohne hier kaum zehn Fußminuten vom Strand entfernt, was auch so seine Reize hat. Ich war kaum hier angekommen, da erzählte mir auf der Straße eine ältere Dame mit Hund ganz unaufgefordert, dass das Licht am Strand gerade ganz wunderbar sei und ich unbedingt hingehen solle. So sind sie offensichtlich, die Kanadier, total nett und freundlich. Das macht schon Spaß, hier zu sein und auch die ganzen naturräumlichen Schönheiten zur Verfügung zu haben. Aber zu meinen beruflichen Plänen: Weil ich sehr gerne in der Grundlagenforschung bleiben möchte, ist der Weg eigentlich schon vorgezeichnet, also über eine Nachwuchsgruppenleiterstelle hin auf eine Professur. Daran würde mich auch die Lehre reizen, die Herausforderung, Dinge so zu vereinfachen und zu erklären, dass Studierende was verstehen und durch Fragen ihr Verständnis- oder Lernfortschritt deutlich wird. Das alles wünsche ich mir vorzugsweise in Deutschland, allein schon der Familie und der Freunde wegen, aber so ganz festlegen wollen würde ich mich da derzeit nicht. In Deutschland wären die Hochburgen in meiner Disziplin derzeit in Tübingen und in Saarbrücken, in den USA gibt es da deutlich mehr Standorte, vor allem an den Küsten. Zudem gibt es natürlich auch große Firmen wie Google oder Facebook, bei denen auch sehr gute Forschung läuft, dann aber eben ohne Lehre und nicht mehr rein neugiergetrieben.
DFG: Was würden Sie denn neben der Freundlichkeit der Kanadier und den naturräumlichen Schönheiten der Landschaft noch auf der Habenseite von Vancouver verbuchen, oder anders gefragt: Was vermissen Sie derzeit, was werden Sie vermissen, wenn Sie nicht mehr in Kanada sind?
BW: Die kanadische Freundlichkeit ist so ansteckend, dass die deutsche Direktheit, also sofort zu sagen, was einem nicht passt, schnell mal in den Hintergrund treten kann. Das hat für mich zur Folge, dass ich es nicht mehr übers Herz bringe, einem Kanadier, der mir Poutine schmackhaft machen möchte, zu sagen, ich bevorzugte doch eher Döner oder Currywurst. Poutine sind Fritten, also erst einmal nichts Falsches. Sie sind dann aber in Bratensoße eingeweicht und mit schlechtem Käse überkrümelt, also nichts für den feinen Gaumen. Ist Döner und Currywurst zwar auch nicht, aber damit bin ich halt groß geworden. Auf den Ahorn-Sirup in allen seinen Varianten ist man hingegen zurecht stolz in Kanada. Da werde ich bestimmt was vermissen. Mitnehmen aus Kanada werde ich wahrscheinlich das Golfen mit Frisbee-Scheiben als sehr schöne Freizeitbetätigung. Statt eines Sacks mit verschiedenen Schlägern haben Sie verschiedene Frisbees dabei, welche für lange Strecken (Driver) und welche für den Putt, also das Ablegen des Frisbees in einem Zielkorb. Ich bin darauf gestoßen, als ich mir eine Verletzung der linken Schulter zugezogen hatte und eine Weile nicht mehr klettern konnte.
DFG: Eine abschließende Frage: Worüber können Sie lachen?
BW: Was meine Neigung zu Situationskomik angeht, bin ich wahrscheinlich auch bei Nicht-Informatikern in guter Gesellschaft. Informatiker haben darüber hinaus noch mehrere fachspezifische Bereiche fürs Lachen, zum Beispiel kreative Kommentare anderer Programmierer am Rande der Programmierzeilen. Anmerkungen neben den Programmzeilen dienen uns vor allem dazu, auch noch nach ein paar Wochen selber nachvollziehen zu können, was wir da gemacht und was wir uns dabei gedacht haben. Weil Programmieren nicht immer ein Team-Sport ist, gibt es auch Fehlersuchmethoden wie das sogenannte „Rubber Duck Debugging“, bei dem einer Quietsche-Ente, also der Rubber Duck, auf dem Schreibtisch jede Programmzeile erklärt wird, was für Außenstehende sehr merkwürdig wirken kann.
DFG: Dann möchten wir uns noch einmal herzlich für Ihre Zeit bedanken und Ihnen weiterhin eine gute Zeit in Vancouver, einen ertragreichen Forschungsaufenthalt und alles Gute für die Zukunft wünschen.