(26.04.2024) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit dem Forschungsstipendium und dem Walter Benjamin-Stipendium die Grundsteinlegung für wissenschaftliche Karrieren durch Finanzierung eines eigenen, unabhängigen Forschungsvorhabens im Ausland und seit 2019 auch in Deutschland. Ein großer Teil dieser Stipendien wird in den USA und zu einem kleineren Teil auch in Kanada wahrgenommen. In einer Reihe von Gesprächen möchten wir Ihnen einen Eindruck von der Bandbreite der DFG-geförderten Wissenschaftlern vermitteln.
DFG: Liebe Frau Dr. Lagemann, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit dem Nordamerika-Büro nehmen.
Esther Lagemann (EL): Ich danke Ihnen für die Gelegenheit zu einem Gespräch und natürlich auch für das Stipendium, das mir hier an der University of Washington in Seattle die Freiheit für einen weitgehend unabhängigen und hoffentlich ertragreichen Forschungsaufenthalt gibt.
DFG: Sie haben Ihr Abitur in Neuss bei Düsseldorf absolviert. Wie kamen Sie von dort zu einem Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen?
EL: Zwischen beiden Orten liegen 70 Kilometer und beides ist katholisches Rheinland, also auch kulturell sind Neuss und Aachen nicht weit voneinander entfernt, aber darauf wollten Sie vermutlich nicht hinaus. Mein Vater ist ebenfalls Maschinenbauingenieur und hat an der Fachhochschule in Aachen studiert. Weil ich ein Einzelkind bin, durfte ich bei den zahlreichen Basteleien meines Vaters – er hatte vor seinem Studium eine Schlosserlehre absolviert – mitmachen. Zwar selten an den spielentscheidenden Stellen, z.B. durfte ich eher den Staubsauger festhalten als selber bohren, aber er ließ mich technische Interessen entwickeln. Meine Mutter ist Heilpädagogin und Erzieherin und eher für das Musisch-Künstlerische in unserer Familie zuständig. Wenn Sie sich meine Leistungskurse in der Oberstufe anschauen, dann sind da in etwa meine Eltern abgebildet, nämlich Mathematik für meinen Vater und Kunst für meine Mutter. Man sieht also, dass mich meine Eltern mit ihren unterschiedlichen Neigungen durchaus geprägt haben. Aber natürlich habe ich meine Interessen nicht nur entwickelt, um den Eltern zu gefallen. Meine Eltern haben mich darin unterstützt, alles auszuprobieren, wozu ich Lust hatte, und ich konnte ganz frei herausfinden, was mir wirklich Spaß macht. Dazu hat dann auch die Schule beigetragen, eine Schule für Mädchen mit einem Schwerpunkt in den MINT-Fächern – wir hatten in meiner Jahrgangsstufe jeweils zwei Leistungskurse Mathematik und Physik – und eine sehr gute und wertschätzende Betreuung. Nun kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie es mir an einer anderen Schule ergangen wäre, doch meinem eher zurückhaltenden Naturell kam es während der Schulzeit sehr entgegen, dass reine Mädchenklassen wahrscheinlich ruhiger sind als gemischte Klassen, und für mich ist Ruhe die beste Lernatmosphäre.
DFG: Ist mit Mathematik und Kunst als Leistungsfächern im Abitur dann Maschinenbau so naheliegend?
EL: Vielleicht nicht ganz so naheliegend, aber ich hatte mich an der RWTH nicht nur für Maschinenbau, sondern auch noch für Architektur eingeschrieben und mich dann erst zu Studienbeginn final für Maschinenbau entschieden.
DFG: Wirken die ersten Semester in einem Fach wie Maschinenbau nicht wegen des sogenannten „Aussiebens“ in Kursen wie etwa Physik und Mechanik abschreckender als in Architektur?
EL: Ich bin zum einen zwar eher zurückhaltend, aber darum nicht gleich schreckhaft, zum anderen war ich zum Studienbeginn in Aachen nicht ganz alleine, sondern in Gesellschaft von einigen anderen Mädels aus meiner Schule. Natürlich sind die ersten Wochen und Monate eines Studiums schon etwas ganz anderes als die gymnasiale Oberstufe, aber wir sind alle recht gut an den neuen Herausforderungen gewachsen. Das dann noch unbekannte Leben in einer fremden Stadt kommt auch noch hinzu, denn ich wollte mit bestandener Reifeprüfung auch auf eigenen Füßen stehen, wenngleich ich einräumen muss: Bis zur eigenen Waschmaschine in Aachen hat es dann doch bis zum zweiten Semerster gedauert, aber beim Anschließen hat mein Vater dann mir geholfen und ich nicht mehr ihm.
DFG: Was waren Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren zu einem erfolgreichen Studium?
EL: Zu Beginn sicher die Tatsache, dass mein Vater bereits Ingenieur war. Das half mir aufgrund seines grundsätzlichen Verständnisses der Studieninhalte und der Methodiken und natürlich durch sein Interesse an dem, was ich so mache. Aber auf der anderen Seite ist meine Spezialisierung während des Studiums eine andere geworden, als es seine gewesen ist, insofern war für mich seine Sammlung an Fachbüchern und -wissen nur begrenzt nützlich.
DFG: Mit Blick auf Ihre Spezialisierung fällt der Begriff „Wandschubspannung“ ins Auge, der von Laien möglicher- und fälschlicherweise im Bereich der Statik oder gar Architektur verortet wird. Was hat es damit auf sich?
EL: Wandschubspannung ist eine zentrale Größe in der Strömungsmechanik. Sie beschreibt also nicht etwa die Spannung innerhalb eines Objekts, sondern die Reibung bzw. den Widerstand beim Vorbeiströmen von Flüssigkeiten und Gasen an Objekten. Unmittelbar an der Grenze zwischen Oberfläche und Strömung ist dieser Widerstand durch die Reibung am Größten, weil die Strömung auf die Geschwindigkeit der Wand, welche sich in den meisten Fällen nicht bewegt, abgebremst wird. Diesen Bereich der „Abbremsung“ bezeichnen wir als Grenzschicht. Die Schubspannung nimmt zwar mit Entfernung von der Wand ab, allerdings unterliegt sie den ständigen Wechselwirkungen mit den aus der Strömung entstehenden Turbulenzen. Und das macht die Messung und die Vorhersage der Wandschubspannung sehr kniffelig. Nun könnte man sagen, turbulente Strömungen seien halt chaotisch wie vieles im Leben, aber damit wären weder die Grenzschichttheoretiker*innen zufrieden, noch die Ingenieur*innen in den vielen Bereichen, die sich mit Aero- und Fluiddynamik beschäftigen. Die sind zum Beispiel daran interessiert, Flugzeugflügel und Windkraftanlagen zu optimieren und Vorgänge im menschlichen Blutgefäßsystem besser zu verstehen. In all diesen Bereichen spielt die Wandschubspannung nämlich eine sehr wichtige Rolle.
DFG: Mit welchen Methoden rücken Sie denn diesem scheinbaren Chaos zu Leibe?
EL: Eine sehr nützliche und darum mittlerweile auch weit verbreitete Methode in der experimentellen Strömungsmechanik ist die sogenannte Particle Image Velocimetry, kurz PIV. Sie ist ein optisches Verfahren zur Ermittlung von Geschwindigkeitsfeldern in strömenden Gasen und Flüssigkeiten. Sie geben kleinste Partikel in die Strömung, beleuchten diese mit einem Laser, fotografieren das Strömungsfeld dann in kurzen Abständen und können auf diese Weise näherungsweise ermitteln, welcher Punkt der Strömung zu welcher Zeit wie schnell war, indem Sie die Bewegung der Partikel verfolgen. Wenn man eine hohe räumliche Auflösung in der Grenzschicht erzielt, kann man sogar aus der Geschwindigkeitsverteilung in Wandnähe die Wandschubspannung berechnen.
DFG: Ändern die Beigaben dabei nicht das Strömungsverhalten und verfälschen das Ergebnis?
EL: Ja, genau aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Eigenschaften dieser Partikel auf das zu vermessende Strömungsfeld abzustimmen. Wir benutzen Tracerpartikel in der Größe von etwa einem Mikrometer, etwa Öltröpfchen oder andere „ideale“ Substanzen, ideal in dem Sinne, dass sie keinen Einfluss auf das Strömungsverhalten haben, oder jedenfalls keinen, den wir nicht rausrechnen und damit die Strömung vermessen könnten. Für solche Substanzen gibt es kommerzielle Anbieter, weil die PIV-Methode in der Fluidmechanik sehr beliebt ist.
DFG: Die Vermessung von Geschwindigkeitsfeldern in Strömungen ist aber nicht das Ziel, oder?
EL: Nein, die Vermessung von Geschwindigkeitsfeldern mit Hilfe von PIV ist eher ein Standardverfahren, zumindest in vielen Anwendungsbereichen, in denen wir optischen Zugang zu der entsprechenden Strömung haben. Viel weniger trivial ist das Verständnis dieser Geschwindigkeitsfelder und, wie ich vorhin schon kurz angesprochen hatte, wie sich die Dynamiken der turbulenten Strömungsstrukturen auf die Wandschubspannung auswirken. Sehr schön wäre es, jetzt sprechen wir über den heiligen Gral meines Forschungsbereichs, würden wir dieses Verständnis dann auch in einem mathematischen Modell ausdrücken können, das eine möglichst generelle Aussagekraft hat. Also ein Modell, was sowohl die Wechselwirkungen in einem Blutgefäß als auch an einem Flugzeugflügel beschreiben kann. Aber natürlich habe ich diesen Gral allenfalls im Hinterkopf und nicht gleich vor Augen.
DFG: Sie wollen bei der Gralssuche Techniken des maschinellen Lernens einsetzen. Wie darf man sich das vorstellen?
EL: Mein Walter Benjamin-Antrag ist tatsächlich überschrieben mit „Vorhersage und Verständnis der Modulation der Wandschubspannung durch nichtlineare Wechselwirkungen auf der Grundlage von Techniken des maschinellen Lernens“ und müsste für den Laien vielleicht übersetzt werden mit „Verständnis von Turbulenz-Chaos mit Hilfe eines künstlichen Gehirns“. Hier in der Gruppe von Steve Brunton bestehen in verschiedener Hinsicht sehr gute Voraussetzungen, das Projekt erfolgreich durchzuführen. Im hiesigen „AI Institute in Dynamic Systems“ kommen sowohl Experten der künstlichen Intelligenz bzw. des maschinellen Lernens als auch Experten von dynamischen Systemen, wie beispielweise turbulente Strömungen, zusammen. Ziel ist es, modernste Methoden wie neuronale Netze zu nutzen, um dynamische Systeme besser zu verstehen, zu modellieren und zu kontrollieren. In meinem Fall nutzen wir aktuell einen sogenannten „Autoencoder“, ein neuronales Netz, welches aus mehr als 1 Mio. Neuronen besteht und quasi ein maschinelles „Gehirn“ darstellt. Dieses Gehirn füttern wir jetzt mit Informationen, welche in unserem Fall PIV-Daten sind. Das neuronale Netz soll auf Basis dieser Daten die Dynamik der Wandschubspannung lernen. Im Idealfall soll es uns dann auch noch verraten, wie es den Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeitsfeldern und der Wandschubspannung gelernt hat. Denn nur auf eine Black Box zu starren, hilft uns ja nicht weiter. Damit dies allerdings klappen kann, müssen wir die richtige Architektur für das Netzwerk finden, also wie zum Beispiel die verschiedenen Neuronen miteinander verbunden werden müssen, und ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass Architektur doch nochmal eine Rolle in meinem Leben spielen würde – nur eine etwas andere, als vielleicht gedacht.
DFG: Wie muss man sich das Training eines neuronalen Netzwerkes denn vorstellen? Es reagiert doch nicht wie Menschen auf Trainingsanreize?
EL: Die grundlegende Idee ist tatsächlich dieselbe. Wir wollen unser neuronales Netz mit Informationen füttern, damit es etwas lernt. Genauso, wie das menschliche Gehirn beispielsweise durch visuelle Eindrücke Erfahrungen sammelt und neue Synapsen bildet. In unserem Fall wollen wir aber einen Experten heranzüchten, das heißt, wir trainieren unser Netz nur mit PIV-Daten. Wir nutzen dafür auch synthetisch erzeugte PIV-Bilder, also mit einer Simulationssoftware statt einem Experiment. Einerseits haben wir so mehr Möglichkeiten, verschiedene Strömungsfälle zu erzeugen und zum Beispiel die Eigenschaften der Partikel, die Lichtverhältnisse etc. zu variieren, was in einem Experiment deutlich aufwendiger ist. Andererseits, und das ist der entscheidendere Punkt, kennen wir bei diesen synthetischen Daten ganz genau die zugrundeliegenden Strömungseigenschaften und wie sie mit der Wandschubspannung interagieren. Diesen Zusammenhang kennen wir in experimentellen PIV-Daten in der Regel nicht – das ist ja das Problem – und deshalb könnten wir auch nicht beurteilen, ob unser neuronales Netz überhaupt einen physikalisch richtigen Zusammenhang lernt. Mithilfe dieser synthetischen Daten können wir also dem Netz sagen, was das richtige Ergebnis ist, und so lernt er – hoffentlich – mit immer mehr Trainingseinheiten, genauere Vorhersagen zu machen. Ähnlich, wie wir einem Kind immer wieder einen Apfel geben und ihr oder ihm sagen, dass dies ein Apfel ist, bis das Kind selber weiß, was ein Apfel ist. Ein neuronales Netz zu trainieren erfordert in etwa genauso viel Geduld und Hingabe, denn es kann auch ziemlich störrisch sein und unwillig, zu lernen.
DFG: Wie soll es denn mit Ihrer Karriere nach Abschluss Ihres aktuellen Projekts weitergehen??
EL: Zuallererst wünsche ich mir sehr gute Ergebnisse, um mich erfolgreich auf eine Nachwuchsgruppenleiterstelle in Deutschland zu bewerben oder vielleicht auch hier in den USA um eine Tenure Track-Stelle, also die Stelle eines Assistenz-Professors. Ich würde sehr gerne als Forscherin im akademischen Umfeld bleiben, weil mir neben der Forschung auch die Lehre sehr viel Spaß macht. Bei einem Praktikum in einem Kindergarten während der Schulzeit bin ich zwar rasch an die Grenzen einer altersgerechten Didaktik und Pädagogik gestoßen, aber während der vier Jahre meiner Lehrtätigkeit an der RWTH Aachen und der Betreuung von Studierenden lief es dafür umso besser.
DFG: Sie sind jetzt seit knapp einem halben Jahr in Seattle im Bundesstaat Washington. Haben Sie schon Gelegenheit gehabt, ein wenig die Umgebung zu erkunden?
EL: Im Winterhalbjahr ist es eigentlich zu regnerisch, um die Umgebung ausgiebig zu erkunden, aber mein Mann und ich waren, abgesehen von den typischen Sightseeing-Spots wie der Space Needle und Pike Place Market, schon auf Whidbey Island, im Discovery Park und an den anliegenden kleinen Stränden. Für den Sommer haben wir schon weitere Ausflüge in die nahen Berge und Nationalparks geplant. Wir wohnen aber an einem der vielen Binnengewässer in Seattle und durch die Nähe zum Pazifik können wir täglich Möwen hören und Spaziergänge am Wasser machen. Neben der Nähe zum Wasser liebe ich besonders den Blick in die Ferne auf die Bergketten und weiten Wälder, die man bei gutem Wetter immer im Hintergrund sieht. Wir leben also für Aachener Verhältnisse ohnehin schon in exotischen Gefilden. Zudem ist man ja in den ersten Monaten sehr viel mit dem Einleben beschäftigt, sowohl mit der Einrichtung des neuen Zuhauses und des Zurechtfindens in einem fremden Land als auch mit der Einrichtung mit seinem Forschungsprojekt in der Arbeitsgruppe.
DFG: Wie würden Sie Ihre derzeitige Arbeitsgruppe im Unterschied zu denen beschreiben, die Sie in Deutschland kennengelernt haben?
EL: Die Gruppe von Steve Brunton ist an einer der besten Universitäten in den USA, der University of Washington in Seattle. Seattle ist wegen zahlreicher innovationsgetriebener Unternehmen wie Microsoft, Google, Amazon und Boeing als Technik-Landschaft enorm groß und wird gelegentlich sogar als das nächste „Silicon Valley“ bezeichnet. Christian und ich sind froh, dank des DFG-Stipendiums bei Steve einen Postdoc machen und an unseren eigenen Projekten arbeiten zu dürfen. Die Gruppe von Steve ist für amerikanische Verhältnisse recht groß und besteht aus etwa 12 Postdocs und 10 Doktorand*innen von denen vielleicht die Hälfte aus den USA kommen. Die anderen kommen aus Indien, Korea, Kanada und Osteuropa. An der RWTH waren dagegen von 40 Doktorand*innen in meinem Institut nur vier keine „Bildungsinländer“ und kamen aus China, Indien und Spanien. Das ist der Aspekt der Internationalität, bei dem man in Deutschland noch deutlich Luft nach oben hat. Der andere Aspekt, der mir hier sehr deutlich aufgefallen ist, sind die verschiedenen Abstufungen in den Ausbildungsgängen auf beiden Seiten des Atlantiks. In Deutschland ist zwischen dem Bachelor-Studium und der Promotion der Master noch der Regelfall und damit jede Menge Lernstoff und auch wichtige Schritte hin zur Selbstständigkeit. In den USA beginnt man nach vier Bachelor-Jahren gleich mit der Promotionsausbildung und entsprechend weniger selbstständig und weniger weit ausgebildet sind hier die Doktoranden.
DFG: Sind Sie glücklich mit Ihrer Entscheidung für eine ingenieurwissenschaftliche Laufbahn?
EL: Voll und ganz, ich könnte mir im Gegenteil heute nicht mehr vorstellen, was aus mir geworden wäre, hätte ich statt Maschinenbau in Aachen Architektur studiert. Obwohl man ja auch festhalten muss, dass meine Forschung in der Strömungsmechanik nicht der klassischen Berufswahl im Ingenieurwesen entspricht, die viele vielleicht haben. Auch aus meinen anderen, eher musischen Neigungen wie Flötenspiel, Volleyball oder Jazz- und Modern Dance keinen Beruf gemacht zu haben, betrachte ich auf keinen Fall als Fehlentscheidung.
DFG: Zum Abschluss: Hätten Sie noch einen besonderen Tipp für Frauen, die ein Maschinenbaustudium in Erwägung ziehen?
EL: Ja absolut, denn so ein Studium ist sehr lohnenswert in seiner Mischung aus physikalisch-mathematischen Grundlagen und extrem vielfältiger Anwendung. Es ist aber nach wie vor eine Männerdomäne und mit entsprechend geringem Feedback, welches Frauen im Schnitt vielleicht etwas mehr brauchen als Männer, wird gelehrt und gelernt. Sie werden als Frau mit sehr vielen Männern in den Lehrveranstaltungen sitzen, bei uns in Aachen lag im Bachelor-Studium der Frauenanteil bei etwa 12 %. Die überwiegende Mehrheit der Männer verbreitet zudem gerne den Eindruck, sie hätte schon Ahnung von der Materie, quasi bevor diese überhaupt gelehrt wird, was dann noch einmal besonders einschüchternd wirken kann. Das sollte Sie aber auf keinen Fall davon abhalten, ihren eigenen Weg zu finden und das zu studieren, was Ihren Interessen entspricht. Bei über 1000 Studierenden pro Jahrgang, zumindest in Aachen, gibt es genügend Auswahl, um gleichgesinnte Freunde und Lernpartner*innen zu finden. Mein zusätzlicher Tipp: Als Frau sollten Sie nie zu spät in eine Grundlagenvorlesung kommen. Nicht, weil Sie dann etwas verpassen würden. Ganz im Gegenteil: Sie betreten den Hörsaal und haben dann die ungeteilte Aufmerksamkeit von mehreren Hundert männlichen Studenten, die sich alle gegenseitig mit Nettigkeiten und Kommentaren überbieten wollen. Aber abgesehen davon muss ich sagen, dass ich nie das Gefühl hatte, als Frau diskriminiert oder direkt benachteiligt zu werden.
DFG: Dann bedanken wir uns im Sinne einer wachsenden Frauenquote in den Ingenieurwissenschaften herzlich für diesen Tipp und für das gleichermaßen unterhaltsame und informative Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Mann alles Gute für die berufliche und familiäre Zukunft, die Sie hoffentlich dann auch wieder nach Deutschland führen wird.