Eröffnung des ersten deutsch-russischen SFB

Rektorin Ursula Gather, Generalkonsulin Heike Peitsch, DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek (v.v.l.); SFB-Ko-Sprecher Alexey Kavokin und Yuri Kusrayev, SPSU-Vizerektor Sergei Tunik, SFB-Sprecher Manfred Bayer (h.v.l.)

Rektorin Ursula Gather, Generalkonsulin Heike Peitsch, DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek (v.v.l.); SFB-Ko-Sprecher Alexey Kavokin und Yuri Kusrayev, SPSU-Vizerektor Sergei Tunik, SFB-Sprecher Manfred Bayer (h.v.l.)

© DFG

(29.09.15) Premiere in St. Petersburg: Ende September ist der erste gemeinsam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Russian Foundation for Basic Research (RFBR) geförderte deutsch-russische Sonderforschungsbereich (SFB/TRR 160) eröffnet worden. Zur Festveranstaltung reiste eine Delegation der DFG mit Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek an der Spitze nach St. Petersburg. Von der Technischen Universität Dortmund, der Sprecherhochschule des neuen Sonderforschungsbereichs, waren Rektorin Ursula Gather und SFB-Sprecher Manfred Bayer vor Ort. An der feierlichen Eröffnung im Petersburger „Haus der Wissenschaftler“ nahmen zudem über 80 Forscherinnen und Forscher teil. Grußworte überbrachten die deutsche Generalkonsulin Heike Peitsch sowie Vertreter der russischen, am SFB beteiligten Institutionen wie der Staatlichen Universität St. Petersburg und dem Ioffe-Institut.

Der erste deutsch-russische Sonderforschungsbereich wird seit Anfang 2015 für zunächst vier Jahre gefördert. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Transregio (TRR), der sich auf mehrere Forschungsstandorte verteilt. Am TRR 160 sind neben der TU Dortmund als Sprecherhochschule auch die Ruhr-Universität Bochum und die Universität Paderborn sowie auf russischer Seite das Ioffe-Institut und die Staatliche Universität St. Petersburg (SPSU) beteiligt. Gemeinsam erforschen die fast 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Thema „Kohärente Manipulation wechselwirkender Spinanregungen in maßgeschneiderten Halbleitern“. Am 21. September 2015 erfolgte nun auch der offizielle Auftakt im altehrwürdigen St. Petersburger „Haus der Wissenschaftler“.

In politisch schwierigen Zeiten ist die Eröffnung des Sonderforschungsbereichs ein wichtiges Signal

In der Tat hätte man sich für den Startschuss des ersten deutsch-russischen Sonderforschungsbereichs kein schöneres Ambiente wünschen können. Das traditionsreiche „Haus der Wissenschaftler“, direkt im Zentrum der „nördlichen Hauptstadt“ am Palastufer neben Winterpalais und Ermitage gelegen, bot einen feierlichen Rahmen für den Festakt. 1920 hatte Maksim Gorki den Fürstenpalast Vladimir Aleksandrovichs mit seinen prächtigen Sälen und Kaminzimmern zum ersten Veranstaltungs- und Begegnungszentrum für die Wissenschaftler des Landes umfunktioniert. Im prunkvollen „Weißen Saal“ gratulierte nun die Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in St. Petersburg, Heike Peitsch, den beteiligten Forscherinnen und Forschern, aber auch den beiden Förderorganisationen DFG und RFBR für die Einrichtung dieses bilateralen Großprojekts. Der Standort St. Petersburg habe schon immer eine ganz besondere Bedeutung für die Wissenschaft im Allgemeinen und die deutsch-russischen Beziehungen im Speziellen gehabt, sagte die Generalkonsulin. In politisch schwierigen Zeiten wie diesen sei die Eröffnung des SFBs ein umso wichtigeres Signal, was die beiderseitige Kooperationsbereitschaft in Forschung und Wissenschaft belege und den Dialog zwischen Deutschland und Russland nachhaltig stärke.

Ebenjene jahrhundertelange und außerordentlich erfolgreiche Tradition der deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen hob auch DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek in ihrer Festansprache hervor. Schließlich seien in St. Petersburg 1724 die Russische Akademie der Wissenschaften und die Staatliche Universität mit tatkräftiger Unterstützung führender deutscher Gelehrter, allen voran Gottfried Wilhelm Leibniz, gegründet worden. Seitdem habe es vor allem auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder politische Zäsuren in der bilateralen Zusammenarbeit gegeben – aber die DFG habe es sich zur Aufgabe gemacht, gerade auch unter erschwerten Rahmenbedingungen Kooperationen zwischen den beiden Forschernationen zu ermöglichen. Deshalb seien alle Förderprogramme der DFG weiterhin für die Beteiligung russischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geöffnet, erklärte Dzwonnek. Beste Beispiele dafür seien dieser erste deutsch-russische Sonderforschungsbereich (TRR 160) und das erste deutsch-russische Internationale Graduiertenkolleg in den Geisteswissenschaften (IGK 1956), das im März dieses Jahres in Moskau eröffnet werden konnte. „Diese beiden großen und langfristigen Forschungsverbünde bilden ein tragfähiges Fundament für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, da sie durch integrierte Nachwuchsprogramme insbesondere auch die Förderung junger deutscher und russischer Forscherinnen und Forscher unterstützen“, sagte Dzwonnek.

Festansprache der DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek im „Haus der Wissenschaftler“

Festansprache der DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek im „Haus der Wissenschaftler“

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Erhöhung der internationalen Sichtbarkeit und langfristige Förderperspektiven

Auch die Technische Universität Dortmund und die Staatliche Universität St. Petersburg sehen im TRR 160 eine einmalige Möglichkeit zum Ausbau ihrer bestehenden Hochschulpartnerschaft. Der Prorektor der SPSU, Sergey Tunik, überbrachte die Glückwünsche der Universitätsleitung und der gesamten Hochschule, einer der ältesten und bedeutendsten wissenschaftlichen Einrichtungen Russlands. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, verwies in ihrem Grußwort aber auch auf die langjährige Zusammenarbeit mit weiteren führenden St. Petersburger Forschungsinstituten, die zur Entstehung des SFBs beitrugen. Juri Kusrayev, stellvertretender Direktor des Ioffe-Instituts und Ko-Sprecher des neuen SFB, stellte im Anschluss zwei Aspekte heraus, die im Zuge der aktuellen Reform der Akademie der Wissenschaften und der drohenden Schließung vieler russischer Forschungsinstitute umso bedeutsamer sind: Mit der Kooperation im Rahmen des SFB erhöhe sich nicht nur kurzfristig die internationale Sichtbarkeit, sondern es ergäben sich vielmehr langfristige Förderperspektiven zur Finanzierung der gemeinsamen Forschungsvorhaben.

Im Anschluss an die Grußworte stellte SFB-Sprecher Manfred Bayer (TU Dortmund) den inhaltlichen Aufbau und die Ziele des Langzeitprojekts vor. So erhoffe man sich in den nächsten zwölf Jahren durch die gezielte Kontrolle von Spinanregungen einen entscheidenden Fortschritt in der Entwicklung von neuartigen Bauelementen für die Informationstechnologie in den hierfür verwendeten Halbleitermaterialien. Die Ladungsträger in diesen Materialien drehen sich wie Kreisel um sich selbst und besitzen deshalb einen sogenannten Spin, erklärte Bayer. Doch wie lässt sich dieser Spin für elektronische Bauelemente nutzen? Der TRR 160 will diese Frage beantworten und neben den elektrischen und optischen vor allem auch die magnetischen Eigenschaften der Elektronen in den Halbleitern kontrollieren. Dazu wollen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler modernste Spektroskopie-Techniken und theoretische Methoden anwenden und neuartige Material- und Bauelement-Konzepte entwickeln. Am Ende sollen so die Grundlagen für eine zukünftige Spinelektronik, Spinoptik und spinbasierte Quanteninformationsverarbeitung gelegt werden.

DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek (m.) und Rektorin Ursula Gather (TU Dortmund) zu Gast bei Rektor Nikolay Kropachev (SPSU)

DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek (m.) und Rektorin Ursula Gather (TU Dortmund) zu Gast bei Rektor Nikolay Kropachev (SPSU)

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Den Abschluss der Eröffnung bildete ein kleiner Stehempfang im historischen „Eichensaal“ des Hauses, zu dem Alexey Kavokin (SPSU), russischer Ko-Sprecher des SFB und Moderator der Veranstaltung, die Festversammlung lud. Die über 80 geladenen Gäste, darunter rund 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sonderforschungsbereichs aus Deutschland, sowie Vertreterinnen und Vertreter weiterer deutscher und russischer Wissenschaftsorganisationen, Forschungsinstitutionen und Hochschulen aus St. Petersburg, nutzen die Möglichkeit zu Vertiefung bestehender und zur Anbahnung neuer Kontakte.

Der erste deutsch-russische SFB: Meilenstein der wissenschaftlichen Zusammenarbeit

Dem generellen Ausbau der Beziehungen zur Staatlichen Universität St. Petersburg diente auch ein Besuch einer deutschen Delegation an der Hochschule tags darauf. Rektor Nikolay Kropachev begrüßte DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek und die Rektorin der TU Dortmund, Ursula Gather. Weitere Teilnehmer des Gesprächs im Rektorat waren die DFG-Programmdirektorin Amelie Winkler aus der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster, sowie der fachlich zuständige DFG-Programmdirektor Michael Mößle aus der Gruppe der Physik, Mathematik und Geowissenschaften und der Leiter des DFG-Büros in Russland, Jörn Achterberg. Der erste deutsch-russische SFB wurde dabei von beiden Seiten als Meilenstein der wissenschaftlichen Zusammenarbeit bewertet. Die deutschen und russischen Verhandlungspartner einigten sich zudem auf weitere konkrete Punkte der Zusammenarbeit, die sowohl die Hochschulpartnerschaft mit der TU Dortmund als auch die institutionelle Kooperation mit der DFG betreffen.