(18.12.19) Anfang Dezember richtete die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Higher School of Economics (HSE) in Moskau eine Abendveranstaltung mit Communicator- und Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Onur Güntürkün aus. Zur DFG-Leibniz-Lecture mit dem Titel „Cognition without a Cortex“ lockte der Biopsychologe von der Ruhr Universität Bochum (RUB) rund 100 Interessierte vieler Moskauer Forschungseinrichtungen sowie Vertreterinnen und Vertreter der vor Ort ansässigen deutschen Wissenschaftsorganisationen.
Der Vorlesung ging ein Rundgespräch im Rektorat der Hochschule voraus. Daran nahmen neben Leibniz-Preisträger Güntürkün u.a. HSE-Prorektor Prostakov, RUB-Prorektorin Kornelia Freitag sowie Vertreterinnen und Vertreter der DFG, der Deutschen Botschaft Moskau und der Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr) teil. Die RUB will die seit einigen Jahren bestehende Hochschulpartnerschaft mit der HSE weiter ausbauen und sieht natürlich auch in den Forschungen von Onur Güntürkün großes Kooperationspotenzial. Die Ständige Vertreterin des deutschen Botschafters, die Gesandtin Beate Grzeski, würdigte die gemeinsame Initiative der großen deutschen Delegation als eine herausragende Veranstaltung des laufenden Deutsch-Russischen Themenjahres zur Hochschulkooperation und Wissenschaft 2018–2020.
Welch wichtige Rolle mittlerweile das Format der DFG-Leibniz-Lectures im fachspezifischen, aber auch im wissenschaftspolitischen Austausch zwischen Deutschland und Russland einnimmt, betonte Grzeski in ihren Grußworten bei der Eröffnung der Vorlesung. Die DFG organisiert Leibniz-Lectures von Preisträgerinnen und Preisträgern des bedeutendsten deutschen Forschungspreises weltweit an Standorten mit eigenen Auslandsrepräsentanzen. Dabei werden Themen der Spitzenforschung in Deutschland präsentiert und Möglichkeiten der bilateralen Zusammenarbeit aufgezeigt. Leibniz-Lectures werden im Ausland als „Botschafter deutscher Wissenschaft“ hoch geschätzt und führen immer wieder zu neuen Forschungskooperationen.
Bereits zum neunten Mal seit 2012 organisierte das DFG-Büro Moskau eine Leibniz-Lecture in Russland, so Dr. Jörn Achterberg, Direktor in der Internationalen Zusammenarbeit der DFG. Aus der Geschäftsstelle in Bonn reiste auch die zuständige Fachreferentin Dr. Julia Engel (Gruppe Geistes- und Sozialwissenschaften) nach Moskau, um die Kontakte mit den russischen Forscherinnen und Forschern zu vertiefen. Neben der DFG-Leibniz-Lecture standen zudem ein Rundtisch in der Russischen Akademie der Wissenschaften und ein Treffen mit deren Präsidenten, Prof. Dr. Aleksandr Sergeev, sowie das German-Russian Science Forum „Brain Science and the Next Generation of Artificial Intelligence“ an der Lomonossow-Universität auf dem Programm, das vom Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) Moskau organisiert wurde.
Onur Güntürkün ist ein ausgewiesener Wissenschaftler im Bereich der neuro-biologischen Forschung. Sein grundlegendes Ziel ist es zu ergründen, wie Wahrnehmung, Denken und Handeln im Gehirn entstehen. Für seine wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde Professor Güntürkün 2013 mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG und 2014 für die beispielhafte Vermittlung seiner Forschungen an die Öffentlichkeit mit dem von DFG und Stifterverband vergebenen Communicator-Preis ausgezeichnet. In Moskau trug er zu kognitiven Fähigkeiten von Raben und Papageien vor, die im Gegensatz zu Menschenaffen über wesentlich kleinere Gehirne verfügen, jedoch erstaunliche Leistungen im Bereich der Wahrnehmung erbringen. Krähen bauen beispielsweise komplexe Werkzeuge, Elstern erkennen sich selbst im Spiegel. Trotz unterschiedlicher Gehirnarchitekturen bei Vögeln und Säugetieren scheinen sich im Laufe der Evolution vergleichbare neuronale Mechanismen ausgebildet zu haben. Diese Ähnlichkeiten gehen dabei nicht auf ein gemeinsames Erbe zurück, so Güntürkün, sondern entwickelten sich im Verlauf der Evolution in vergleichbarer Art bei beiden Tiergruppen. Im DFG-Büro Moskau zeichnete Onur Güntürkün auch vier Short Lectures für die russische Internetplattform „Postnauka“ auf.
Die gastgebende Hochschule der Leibniz-Lecture, die Moskauer Higher School of Economics (HSE), wurde 1992 nach dem Vorbild der London School of Economics (LSE) als Reformuniversität gegründet und soll in den nächsten Jahren zu einer Volluniversität ausgebaut werden. Sie gehört zum erlesenen Kreis der Nationalen Forschungsuniversitäten Russlands und ist die einzige der vierzig führenden Hochschulen des Landes mit einem starken Profil in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. An den insgesamt vier Standorten in Moskau, St. Petersburg, Nizhny Novgrorod und Perm sind über 44 000 Studierende eingeschrieben. Internationale Kooperationen bestehen mit vielen deutschen Hochschulen, deren Forschungsprojekte seit Langem auch von der DFG unterstützt werden. Die HSE ist Veranstalter der jährlichen „April International Academic Conference on Economic and Social Development“, der wichtigsten akademischen Plattform zur sozialen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Modernisierung Russlands, an der 2016 auch DFG-Präsident Peter Strohschneider mit einem Vortrag teilnahm.