Themen von Schlaganfallregeneration und Maßnahmen gegen Allergien bis zu neuen Kommunikationsmessverfahren / Insgesamt rund 47 Millionen Euro für erste Förderperiode
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zehn neue Forschungsgruppen, zwei Klinische und eine Kolleg-Forschungsgruppe ein. Dies beschloss der Hauptausschuss der DFG auf Empfehlung des Senats während der DFG-Jahresversammlung in Rostock. Die neuen Verbünde erhalten insgesamt rund 47 Millionen Euro inklusive einer 22-prozentigen Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Die maximale Förderdauer dieser Forschungsgruppen und Klinischen Forschungsgruppen beträgt zweimal drei Jahre; Kolleg-Forschungsgruppen können zweimal vier Jahre gefördert werden. Zusätzlich zu den 13 Einrichtungen wurde die Verlängerung von sechs Forschungsgruppen und einer Klinischen Forschungsgruppe für eine zweite Förderperiode beschlossen.
Zu den neuen Forschungsgruppen gehören auch drei aus dem Bereich Public Health; sie sollen den Forschungsstandort Deutschland in diesem Bereich stärken und international sichtbarer machen. Vorausgegangen war eine einmalige Ausschreibung, die der Senat im September 2017 im Sinne einer fachstrategischen Anschubfinanzierung beschlossen hatte.
Forschungsgruppen ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Klinische Forschungsgruppen sind zusätzlich durch die enge Verknüpfung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit charakterisiert. Kolleg-Forschungsgruppen sind wiederum speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnitten. Im Ganzen fördert die DFG zurzeit 153 Forschungsgruppen, elf Klinische Forschungsgruppen und 13 Kolleg-Forschungsgruppen.
Die 13 neuen Verbünde im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecherinnen und Sprecher)
Als Myeloproliferative Neoplasien (MPN) werden seltene chronische Erkrankungen bezeichnet, bei denen es durch ein verstärktes Wachstum von blutbildenden Zellen zu einer bösartigen Umbildung des Bindegewebes im Knochenmark – einer Myelofibrose – kommen kann. Bisher kann diese nur durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden. Die Klinische Forschungsgruppe „Mechanismen und molekulare Zielstrukturen der Myelofibrose in Myeloproliferativen Neoplasien (MPN)” will diese Krankheit besser verstehen, um durch bessere Kenntnis der zugrundeliegenden Mechanismen neue zelluläre und molekulare therapeutische Ansätze zu identifizieren. (Sprecher: Prof. Dr. Tim Henrik Brümmendorf, RWTH Aachen)
Auch wenn der Klimawandel eine baldmögliche Abkehr von fossilen Energieträgern erfordert, werden klassische Verbrennungsmotoren noch mehrere Jahrzehnte technischer Standard bleiben. Vor allem der Ottomotor muss deshalb weiterentwickelt werden, um seinen Wirkungsgrad zu erhöhen. Die Forschungsgruppe „Zyklische Schwankungen in hochoptimierten Ottomotoren: Experiment und Simulation einer Multiskalen-Wirkungskette“ greift einen in diesem Zusammenhang besonders wichtigen und derzeit noch in weiten Teilen unverstandenen Aspekt auf, der auch für mit Gas oder neuartigen, alternativen Kraftstoffen betriebenen Motoren künftig große Relevanz besitzen wird. (Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Heinz Pitsch, RWTH Aachen)
Die Zahl der Nahrungsmittelallergien hat in den letzten 20 Jahren in den meisten Industrieländern stark zugenommen. Obwohl diese die Lebensqualität der Patienten teils dramatisch einschränken, existiert keine kausale Therapie, und auch das Wissen über Risiko- und Schutzfaktoren ist begrenzt. Die Klinische Forschungsgruppe „Nahrungsmittelallergie und Toleranz (Food@)“ zielt darauf ab, die Entwicklung von Nahrungsmittelallergien vom Säuglingsalter an besser zu verstehen. Auch sollen direkt anwendbare, neue Strategien für die Therapie, Prävention und Diagnostik von Nahrungsmittelallergien auf verschiedenen Krankheitsstufen entwickelt werden. (Sprecherin: Prof. Dr. Margitta Worm, Charité Berlin – FU Berlin und HU Berlin)
Was sind menschliche Fähigkeiten? Und wie kann ihr Verständnis helfen, genuin menschliche Aktivitäten zu verstehen? Diesen Fragen widmet sich die Kolleg-Forschungsgruppe „Menschliche Fähigkeiten” aus philosophischer, namentlich aus metaphysischer sowie aus erkenntnis- und handlungstheoretischer Perspektive. Zudem soll in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie der Rechtswissenschaft, der Psychologie, der Linguistik, der Bildungsforschung und der Politikwissenschaft untersucht werden, welche Rolle menschliche Fähigkeiten in praktischen Kontexten spielen. (Sprecher: Prof. Dr. Dominik Perler, HU Berlin)
Die Gesundheit von Flüchtlingen spielt in der Wissenschaft momentan eine untergeordnete Rolle: eine verpasste Chance, in einer heterogenen Gesellschaft wie der Deutschlands die Gesundheit der Gesamtbevölkerung zu verbessern. Die Forschungsgruppe „Fluchtmigration nach Deutschland: ein „Vergrößerungsglas“ für umfassendere Herausforderungen im Bereich Public Health” will gesundheitliche Ungleichheiten identifizieren, wie sie mit kontextuellen Einflüssen ebenso wie mit dem Gesundheitssystem einhergehen. Sie will die zugrundeliegenden Mechanismen analysieren und Konzepte sowie Strategien zur Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten vorschlagen. (Sprecher: Prof. Dr. Oliver Razum, Universität Bielefeld)
In der Informationstechnik steigen die Datenübertragungsraten stetig an, da der Bedarf für eine schnelle drahtlose Datenkommunikation ebenfalls rasant wächst. Um Geschwindigkeiten von 100 Gigabit pro Sekunde und höher technisch zu ermöglichen, wird ein neuer Ansatz in der Kommunikationstechnik benötigt. Diesem Thema widmet sich die Forschungsgruppe „Metrology for THz Communications“. Im Zentrum steht die Kommunikationstechnik für den weitgehend noch unberührten Terahertz-Frequenzbereich (THz), mit dem in Zukunft sogar Terabit pro Sekunde übertragen werden könnten, der die heutige Kommunikationstechnik jedoch vor enorme Herausforderungen stellt. Die Forschungsgruppe will unter anderem Messverfahren konzipieren, die die Leistungsfähigkeit der THz-Kommunikation in realen Umgebungen vorherzusagen helfen. (Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner, TU Braunschweig)
Weltweit sind Schlaganfälle die zweithäufigste Todesursache und der Hauptgrund für Langzeitbehinderungen unter Erwachsenen. Allein in Deutschland bekommt alle zwei Minuten ein Mensch einen Schlaganfall. Demgegenüber sind Behandlungsmethoden begrenzt und neue Verfahren bestehen den Praxistest oft nicht. Die Forschungsgruppe „ImmunoStroke: Von der Immunzelle zur Schlaganfallregeneration” hat es sich zur Aufgabe gemacht, die noch weitgehend unbekannten Mechanismen und immunologischen Wechselwirkungen in der chronischen Phase einer Hirnverletzung nach einem Schlaganfall aufzudecken und neue Standards bei der Behandlung von Patienten zu setzen. (Sprecher: Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz, Universität Duisburg-Essen)
Die außergewöhnlich dicht mit Proteinen besetzte innere Membran der Mitochondrien hat einen einzigartigen dreidimensionalen Aufbau: Er ermöglicht die Bildung spezifischer Protein- und Lipidumgebungen und sorgt damit für eine räumliche Trennung von unterschiedlichen Proteinfunktionen. Die Forschungsgruppe „Architektur und Heterogenität der inneren mitochondrialen Membran auf der Nanoskala“ will entschlüsseln, wie genau dies funktioniert. Die Arbeit soll einen entscheidenden Schritt zur Aufklärung wichtiger Fragen zur mitochondrialen Ultrastruktur leisten, die essenzielle Aufgaben für die Zelle erfüllt. (Sprecher: Prof. Dr. Stefan Jakobs, Universität Göttingen)
Die Forschungsgruppe „Klimawandel und Gesundheit in Afrika südlich der Sahara” wendet sich dem hochaktuellen Public-Health-Problem zunehmender Krankheitslast als Folge aktueller Umweltveränderungen zu. Und das in einer besonders gefährdeten Region: Vor allem die Landbevölkerung in Sub-Sahara-Afrika ist besonders stark betroffen und hat die geringste Anpassungskapazität. Die Forschungsgruppe widmet sich den Zusammenhängen zwischen Wetterveränderungen und den gesundheitlichen Folgen unter Berücksichtigung hydrologischer, landwirtschaftlicher und ökonomischer Faktoren. Ziel ist es, Modelle zu etablieren mit deren Hilfe zukünftige Entwicklungen vorhergesagt werden können. (Sprecher: Prof. Dr. Rainer Sauerborn, Universität Heidelberg)
Kupferiodid (CuI) ist ein breitbandiger p-Typ-Halbleiter, der Transparenz im sichtbaren Spektralbereich mit ansonsten unerreichter Löcherleitfähigkeit verbindet. Allerdings müssen trotz kürzlich erzielter Fortschritte noch eine Reihe grundlegender materialwissenschaftlicher und praktischer Herausforderungen überwunden werden, bevor CuI als multifunktionales Material in der Elektronik, Fotovoltaik oder Optik verwendet werden kann. Die Forschungsgruppe „Kupferiodid als multifunktionaler Halbleiter” will sich dieser Problematiken annehmen, um die Eigenschaften von CuI-basierten Materialien für Anwendungen nutzbar zu machen. (Sprecher: Prof. Dr. Marius Grundmann, Universität Leipzig)
In Deutschland gibt es einen hohen Anteil an Personen, die Schwierigkeiten damit haben, mit Gesundheitsinformationen umzugehen beziehungsweise sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden. Dabei stehen Gesundheitskompetenz und individuelle Gesundheit in unmittelbarem Zusammenhang. Am Beispiel frühkindlicher Allergieprävention will die Forschungsgruppe „Health Literacy in Early Childhood Allergy Prevention: Parental Competencies and Public Health Context in a Shifting Evidence Landscape (HELICAP)” unter anderem herausfinden, welche sozialen und ökologischen Bedingungen Voraussetzungen für Kompetenzentwicklung sind und welche Faktoren diese verhindern. Hierzu müssen auch geeignete Quantifizierungsmethoden für Gesundheitskompetenzen weiterentwickelt und etabliert werden. (Sprecher: Prof. Dr. Christian Apfelbacher, Universität Magdeburg)
TSPO ist ein Protein mit zahlreichen Funktionen. Eine besondere Bedeutung hat es unter anderem im Nervensystem. Hier setzt die Forschungsgruppe „Bedeutung des Translokator Proteins (18kDa) (TSPO) als diagnostische und therapeutische Zielstruktur im Nervensystem” an: Im Speziellen geht es beispielsweise um das Potenzial von TSPO-Positronenemissionstomografie (PET) bei Gehirntumoren, die Bedeutung von TSPO bei neurodegenerativen Prozessen im peripheren und zentralen Nervensystem sowie der Retina oder die Rolle des Proteins bei Furcht und Angst. (Sprecher: Prof. Dr. Rainer Rupprecht, Universität Regensburg)
Pumpen und Kanäle, Herzen und Gefäße: In technischen und biologischen Systemen sind pulsierende Strömungen allgegenwärtig. Durch die getaktete Beschleunigung der Flüssigkeit kommt es dabei immer wieder zu unverstandenen Effekten oder Phänomenen, die, etwa bei den Wechselwirkungen zwischen Strömung und Wand, zu technischen Problemen – oder kardiovaskulären Erkrankungen – führen können. Die Forschungsgruppe „Instabilitäten, Bifurkationen und Migration in pulsierender Strömung“ will zum grundlegenden Verständnis des pulsierenden Antriebs und der Strömungsgeometrie für Strömungsinstabilitäten auch bei komplexen Flüssigkeiten beitragen. (Sprecher: Prof. Dr. Christian Wagner, Universität des Saarlandes)
Die sieben für eine zweite Förderperiode verlängerten Verbünde
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecherinnen und Sprecher und mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Medienkontakt:
Ausführliche Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Verbünde.
Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
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