DFG und BMBF vergeben Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2021 / Verleihung am 4. Mai
Vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit die wichtigste Auszeichnung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Das hat ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzter Auswahlausschuss in Bonn beschlossen. Die Verleihung der mit je 20 000 Euro dotierten Auszeichnung findet am 4. Mai wegen der Coronavirus-Pandemie im virtuellen Rahmen statt.
Die Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2021 gehen an:
Seit 1977 wird der Heinz Maier-Leibnitz-Preis jährlich an herausragende Forscherinnen und Forscher verliehen, die sich in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befinden und noch keine unbefristete Professur innehaben. Der Preis dient als Anerkennung und zugleich als Ansporn, diese Laufbahn eigenständig und zielstrebig fortzusetzen. Benannt ist er seit 1980 nach dem Atomphysiker und früheren DFG-Präsidenten Heinz Maier-Leibnitz, in dessen Amtszeit (1974–1979) er erstmals vergeben wurde. Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis gilt als der bedeutendste Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland.
Für die diesjährige Preisrunde waren insgesamt 150 Forscherinnen und Forscher aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden. Die Auswahl traf der zuständige Ausschuss unter dem Vorsitz der DFG-Vizepräsidentin und Mathematikerin Professorin Dr. Marlis Hochbruck.
Die Preisträgerinnen und Preisträger im Einzelnen:
Dr. Julia Borst (39), Romanistische Literaturwissenschaft, Universität Bremen
Bereits in ihrer Dissertation widmete sich Julia Borst einem in der Romanistik noch wenig bearbeiteten Thema, der Fiktionalisierung der traumatischen Gewalterfahrung der Post-Duvalier-Ära im zeitgenössischen haitianischen Roman. Mit ihrer auf einer DFG-geförderten Eigenen Stelle verfassten Habilitation zu zeitgenössischer afrohispanischer Diaspora-Literatur widmet sie sich derzeit abermals einem noch kaum bearbeiteten Themenfeld. Ihre Forschungsarbeiten gelten schon jetzt als wichtige Referenzen und tragen dazu bei, das noch wenig erforschte Werk afrohispanischer Autorinnen und Autoren in der Romanistik zu verankern. Auch leistete Borst einen wichtigen Beitrag zu den noch im Entstehen begriffenen Black Holocaust Studies. Kennzeichen Borsts sind ihre Vielsprachigkeit, theoretische wie methodische Vielseitigkeit und eine dialogbezogene, ethisch verantwortungsvolle Herangehensweise.
Dr.-Ing. Silvia Budday (32), Biomechanik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Silvia Buddays Arbeiten befassen sich mit der Modellierung und Charakterisierung mechanischer Eigenschaften von Gehirngewebe. Budday ist eine der weltweit führenden Wissenschaftlerinnen in dem noch jungen Forschungsgebiet der Kontinuumsbiomechanik. Ihre Forschung unter anderem zur Entwicklung mikromechanischer Modelle für Gehirngewebe, die es ermöglichen, Krankheiten früher zu diagnostizieren und Behandlungsmethoden zu optimieren, ist sowohl aus Sicht der Grundlagenforschung wie auch für die klinische Anwendung von hoher Relevanz. Seit 2019 leitet Budday eine DFG-geförderte Emmy Noether-Nachwuchsgruppe und engagiert sich als stellvertretende Sprecherin des Fachausschusses „Computational Biomechanics” der Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik (GAMM).
Dr. Josep Cornellà (36), Organische Molekülchemie, Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim/Ruhr
Josep Cornellàs Forschungsschwerpunkt liegt in der Entwicklung und Implementierung praktischer und effizienter Methoden für die organische Synthese auf Basis nachhaltiger und billiger Katalysatoren, die auch für den industriellen Einsatz etwa in der Wirkstoffforschung relevant sind. Seine Ergebnisse hat der Forschungsgruppenleiter des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim vielfach hochrangig veröffentlicht, 2019 warb Cornellà einen ERC Starting Grant ein. Nach dem Studium und der Promotion in Chemie in Barcelona und London führten ihn Forschungsaufenthalte als Marie Curie Postdoctoral Research Fellow nach Tarragona in Spanien und an das Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien.
Juniorprofessor Dr. Tim Dietrich (32), Astrophysik, Universität Potsdam
Tim Dietrich ist W1-Professor für theoretische Astrophysik an der Universität Potsdam und assoziierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. Seine Erforschung der Dynamik von binären Neutronensternsystemen hat das Wissen auf diesem Gebiet erheblich erweitert und neue theoretische Modelle geschaffen, die mit Beobachtungen verglichen werden können. So hat Dietrich sein Fachgebiet schon jetzt mitgeprägt – beispielsweise durch die Schaffung einer Datenbank mit berechneten Gravitationswellensignalen der Verschmelzung von zwei Neutronensternen. Die von ihm entwickelten numerischen Tools sind für die Analyse der Daten von Gravitationswellendetektoren zudem ausgesprochen wichtig. Dietrich ist Mitglied der LIGO Scientific Collaboration (LSC), einer Gruppe von Institutionen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die erstmals Gravitationswellen nachgewiesen hat.
Dr. Jakob Nikolas Kather (31), Computational Oncology, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Auf dem neuen Feld computerbasierter Methoden in der klinischen Bildgebung forscht Jakob Nikolas Kather. Die Ergebnisse seiner Arbeiten helfen, die Auswertung und Interpretation von komplexen Bilddaten weiterzuentwickeln und damit Diagnose- und Behandlungsansätze vor allem in der Onkologie zu verbessern, beispielsweise bei der Darmkrebsprävention. Kather gehört damit zu den noch wenigen Wissenschaftlern und Medizinern, die informatisch-technische Ansätze als hoch anerkannte Beiträge in der Medizin erarbeiten konnten. Die dafür notwendige Wissensbasis eignete er sich in einem neben dem Medizinstudium absolvierten naturwissenschaftlichen Master in Medizinphysik an. Die Erkenntnisse der von Kather geleiteten Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum der RWTH Aachen wurden in hochrangigen Journalen veröffentlicht. Seit 2019 ist er zudem Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.
Juniorprofessor Dr.-Ing. Kai Lawonn (35), Datenvisualisierung, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Kai Lawonns Forschung zur Datenvisualisierung reicht von der Medizinischen Visualisierung und Illustrativen Visualisierung über Geometric Computing und Computergrafik bis hin zur Visuellen Analyse. In seinen Arbeiten entwickelt Lawonn neue theoretische Konzepte und verbindet diese stets mit der Anwendung in so verschiedenen Gebieten wie der Medizin, Chemie und der Denkmalpflege. Diese thematische Breite erreichte der Mathematiker in außergewöhnlich kurzer Zeit: Promotion und Habilitation schloss er in Magdeburg innerhalb von fünf Jahren ab, zusätzlich forschte er an der TU Delft und der ETH-Zürich. Die dort aufgebauten internationalen Kontakte mündeten in viele (Co-)Publikationen in hochrangigen Journalen. Für seine Forschungsarbeiten erhielt Lawonn mehrfach Förderungen, darunter Sachbeihilfen der DFG. Unter seinen Auszeichnungen ist der EuroVis Young Researcher Award 2020 hervorzuheben, ein Preis für den herausragenden Nachwuchs auf dem Feld der Computergrafik und -visualisierung.
Dr. Patrick Roberts (29), Prähistorische Archäologie, Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Jena
Bei der Entwicklung und Anwendung bioarchäologischer Methoden – die auf der Analyse stabiler Isotope in Überresten prähistorischer Menschen und Tiere basieren und Aussagen zur Ernährung und Lebensweise erlauben – gehört Patrick Roberts zu den führenden Wissenschaftlern in Deutschland. Sein Fokus liegt auf den bisher nur wenig erforschten frühen Mensch-Umwelt-Beziehungen in tropischen Regenwäldern, einem besonders wichtigen, aber heute wohl am stärksten bedrohten Lebensraum. Roberts‘ Arbeiten zeigen zudem, wie archäologisches und paläoökologisches Wissen zu modernen Schutzzielen und zur Politikgestaltung in Bezug auf solche gefährdeten Regionen beitragen kann, die bis 2050 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aufnehmen werden. Roberts wurde an der Universität Oxford promoviert und hat neben seiner Gruppenleitungsfunktion in Jena Positionen an der Universität der Philippinen und an der Universität Queensland in Brisbane, Australien, inne. Roberts warb einen ERC Starting Grant ein und ist Mitglied der Global Young Academy.
Juniorprofessorin Dr. Anna Schenk (36), Physikalische Chemie, Universität Bayreuth
Im Grenzgebiet zwischen Physikalischer Chemie und den Materialwissenschaften bewegt sich die Forschung von Anna Schenk. Schenk kombiniert in einzigartiger Weise fächerübergreifend Konzepte aus der Biomineralisation mit physikalisch-chemischen Konzepten der Elektrokatalyse. Das Neue an diesem Ansatz ist, Konzepte der Natur zur Strukturierung kristalliner Materialien auf Katalysatormaterialien anzuwenden. Schenks Arbeiten haben so zum besseren Verständnis der Synthese und Analyse komplexer hybrider und hierarchisch strukturierter kristalliner Systeme beigetragen. Die Übertragung der Strukturierungskonzepte von Biomineralien auf Elektrokatalysatoren wie Kobaltoxid kann zudem einen völlig neuen Ansatz zur Synthese dieser Katalysatorklasse für die Energiewende bedeuten. Schenk ist Teilprojektleiterin eines DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs und warb ein Forschungsgroßgerät bei der DFG ein. Sie ist zudem stellvertretende Sprecherin des Jungen Kollegs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Juniorprofessorin Dr. Monika Schönauer (32), Neuropsychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Ein Engramm ist ein Erlebniseindruck, der eine Gedächtnisspur im Gehirn hinterlässt; die Gesamtheit aller Engramme bildet das Gedächtnis. Die Entwicklung des Engramms sowie den Prozess der Gedächtniskonsolidierung im Wachzustand und im Schlaf untersucht Juniorprofessorin Monika Schönauer gemeinsam mit ihrer DFG-geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe mithilfe von Bildgebungsverfahren. In einer viel beachteten Publikation zeigte Schönauer unter anderem, dass es schon eine Stunde nach einer Lernepisode zu hirnstrukturellen Veränderungen im Neokortex kommt, die alle Kriterien eines Gedächtnis-Engramms erfüllen. Dies widersprach der in der Gedächtnisforschung vorherrschenden Annahme, dass sich neokortikale Gedächtnisrepräsentation nur langsam und durch häufige Reaktivierung hippocampaler Aktivierungsmuster einstellt. Schönauer, die als Postdoktorandin in Princeton und Tübingen forschte, wurde 2019 mit dem Leopoldina-Preis für junge Wissenschaftler ausgezeichnet.
Dr. Jan Michael Schuller (33), Biochemie und Biophysik der Mikroorganismen, Philipps-Universität Marburg
Jan Michael Schullers Forschung hat auf verschiedenen Gebieten der Strukturbiologie, Biophysik und Biochemie neue Einblicke in grundlegende biologische Mechanismen hervorgebracht. So trug Schuller maßgeblich zum tieferen Verständnis der Funktion photosynthetischer Komplexe bei Cyanobakterien bei, was auch relevant in Bezug auf Anwendungsaspekte ist. Mit seiner von der DFG geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe untersucht Schuller in Cyanobakterien die Struktur von Enzymen, die an der Kohlenstofffixierung und dem Kohlenstoffkonzentrationsmechanismus beteiligt sind. Cyanobakterien sind photosynthetische Bakterien, die beispielsweise einen hohen Anteil im marinen Phytoplankton ausmachen. Schuller konnte an diesen Organismen zeigen, auf welche Weise die Kohlenstoffkonzentration durch das Wechselspiel des für die Fixierung von CO2 aus der Atmosphäre verantwortlichen Enzyms Rubisco und einer Kohlensäureanhydrase, die für CO2-Nachschub sorgt, erfolgt. Möglich wurde die Aufklärung dieses Mechanismus durch Schullers innovative strukturbiologische Methoden wie die Anwendung der Kryoelektronenmikroskopie auf Einzelmolekülebene.
Die virtuelle Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2021 findet am 4. Mai statt. Vertreterinnen und Vertreter der Medien erhalten hierzu im Vorfeld der Veranstaltung weitere Informationen.
Weitere Informationen zu den Preisträgerinnen und Preisträgern 2021 in Kürze unter:
Medienkontakt:
Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle: