Themen reichen von „Eisen, neu gedacht!“ über den regionalen Klimawandel bis zu den intervenierenden Künsten / 141 Millionen Euro Fördermittel für zunächst vier Jahre
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung der Spitzenforschung an den Hochschulen 14 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss, der per Videokonferenz tagte. Die neuen SFB werden ab dem 1. Januar 2022 zunächst vier Jahre lang mit insgesamt rund 141 Millionen Euro gefördert. Darin enthalten ist eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Zwei der neuen Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen.
Zusätzlich zu den 14 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 20 SFB um je eine weitere Förderperiode, darunter zehn SFB/Transregio. Sonderforschungsbereiche ermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den antragstellenden Hochschulen dienen. SFB werden maximal zwölf Jahre gefördert. Ab Januar 2022 fördert die DFG insgesamt 279 SFB.
Die 14 neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen und unter Nennung der Sprecherinnen und Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen):
Mehr denn je werden Künste gegenwärtig von dem Anspruch bestimmt, gesellschaftlich wirksam zu sein. So engagieren sie sich für Demokratie und Menschenrechte, sie adressieren Krisen wie Klimawandel und Corona und entwerfen neue Lebens- und Arbeitsformen. Forscherinnen und Forscher zahlreicher geisteswissenschaftlicher Disziplinen und der Soziologie schlagen zur Beschreibung dieses Phänomens den Begriff „Intervenierende Künste“ vor, der ihrem Sonderforschungsbereich auch seinen Titel gibt. Der Verbund verfolgt dabei das Ziel, die gesellschaftliche Stellung von Kunst als intervenierender Praxis neu zu bestimmen und einen begrifflich-theoretischen Rahmen für die Kunst im gegenwärtigen Zeitalter zu erarbeiten (FU Berlin, Sprecher: Professor Dr. Jürgen Brokoff).
Es gibt kaum wirksame Medikamente zur Behandlung von Herzschwäche mit erhaltener Auswurffraktion(„HFpEF“), einem erst seit einigen Jahren bekannten Krankheitsbild, das für die Betroffenen oft tödlich endet. Die Auswurffraktion ist der Blutanteil, der bei jedem Herzschlag aus der linken Herzkammer gepumpt wird. Die umfassende grundlagenwissenschaftliche, bis in die klinische Forschung reichende Charakterisierung der Erkrankung und ein besseres Verständnis der zahlreichen, ihr zugrunde liegenden Mechanismen sind das Ziel des Sonderforschungsbereichs „Mechanistische Charakterisierung von Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion durch tiefe Phänotypisierung – Etablierung einer neuen Klassifizierung von HFpEF für gezielte Therapie-Ansätze“. (Charité – FU Berlin und HU Berlin, Sprecher: Professor Dr. Burkert Pieske)
Zu einzelnen Metaphern in religiösen Texten gibt es bereits umfangreiche Forschung. Der Sonderforschungsbereich „Metaphern der Religion. Religiöse Sinnbildung in sprachlichen Prozessen“ verfolgt einen neuen Ansatz, indem er die Verwendung von Metaphern als zentrales Prinzip religiöser Sinnbildung versteht. Anhand zahlreicher religiöser Strömungen will er die Herausbildung von Religion als soziokulturelles Phänomen besser begreifen und zentrale Entwicklungen innerhalb der religiösen Traditionen genauer erfassen. Dabei nutzt er neuartige Analysemethoden der Computerlinguistik, wovon er sich auch einen technischen Fortschritt für die computergesteuerte Analyse von Texten erwartet. So sollen alle identifizierten Metaphern langfristig mit einem gemeinsamen „Thesaurus religiöser Metaphern“ verknüpft werden. (Universität Bochum, Sprecher: Professor Dr. Volkhard Krech)
Bei allen Fortschritten auf dem Gebiet der Astrophysik ist die Interaktion von kosmischer Strahlung und Materie noch lange nicht ausreichend erforscht. Der Sonderforschungsbereich „Das Wechselspiel der kosmischen Materie – von der Quelle bis zum Signal“ will daher das Zusammenspiel von Materie und Energie mit besonderem Fokus auf den Energietransfer zwischen magnetischen Feldern, kosmischer Strahlung, thermischen Plasmen sowie Dunkler Materie systematisch untersuchen. Damit will er einen Beitrag leisten, die grundlegenden Eigenschaften von Materie im Universum zu entschlüsseln. (Universität Bochum, Sprecherin: Professorin Dr. Julia Tjus)
Phänomene wie Dürren oder zunehmende Niederschläge werden der globalen Erwärmung und der natürlichen Variabilität des Klimasystems zugeschrieben. Allerdings können derzeitige Klimamodelle diese Beobachtungen nicht hinreichend erklären. Der Sonderforschungsbereich „Regionaler Klimawandel: Die Rolle von Landnutzung und Wassermanagement“ erforscht deshalb die Ursachen des Klimawandels auf regionaler Ebene. Seine zentrale Hypothese ist, dass eine veränderte Nutzung der Landoberfläche sowie vor allem die Intensivierung von Landwirtschaft und Bewässerung den Wasser- und Energiekreislauf und damit auch das regionale Klima verändern. (Universität Bonn, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Jürgen Kusche)
Weltweit leiden insbesondere in den westlichen Industrienationen rund drei Milliarden Menschen an Übergewicht und Fettleibigkeit. Dies führt zu Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Seit Kurzem ist bekannt, dass das thermogene Fettgewebe, aus braunem und beigem Fettgewebe bestehend, wichtig für das Gleichgewicht des Energiestoffwechsels ist – nicht aber, wie die Mechanismen der Aktivierung und Regulation im Einzelnen funktionieren. Der SFB/Transregio „Braunes und beiges Fett – Organinteraktionen, Signalwege und Energiehaushalt (BATenergy)“ will hierüber ein übergreifendes Verständnis erlangen, um die Ursachen für die Übergewichtigkeit zu verstehen und Behandlungsmethoden zu entwickeln. (Universität Bonn, Sprecher: Professor Dr. Alexander Pfeifer; ebenfalls antragstellend: Universität Hamburg, TU München)
Viele chemische Prozesse und Materialien etwa in der Wasserstofftechnik oder im Bereich der Elektromobilität basieren auf seltenen, teuren, giftigen oder umweltschädlichen Metallen wie Ruthenium, Platin, Palladium oder Blei. Dagegen ist Eisen als vielseitiges, günstiges, leicht verfügbares und gesundheitlich unbedenkliches Material geradezu ideal geeignet, um Fragen der Nachhaltigkeit aus chemischer Perspektive anzugehen. Der Sonderforschungsbereich „Eisen, neu gedacht!“ hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, Eisen in seinen Verbindungen durch präzise Manipulation der chemischen Umgebung so zu beeinflussen, dass es langfristig als Ersatz für seltene, giftige oder kritische Metalle dienen kann. (TU Darmstadt, Sprecherin: Professorin Dr. Ulrike Ingrid Kramm)
Einen besonders umfassenden Blick auf die künftigen Herausforderungen des Straßenverkehrs wirft der SFB/Transregio „Digitaler Zwilling Straße – Physikalisch-informatorische Abbildung des Systems ,Straße der Zukunft‘“. In dem „Digitalen Zwilling Straße“ sollen die Grundlagen für die Analyse und Steuerung der zukünftigen Straße als intelligentes System geschaffen werden, die dann eine effiziente Nutzung der Straßeninfrastruktur ermöglichen und zugleich den Anforderungen an die Mobilität der Zukunft genügen. Besonders ist dabei die Einbeziehung rechtlicher und politischer Perspektiven wie die des Datenschutzes und von Fragen der Nachhaltigkeit. (TU Dresden, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Michael Kaliske; ebenfalls antragstellend: RWTH Aachen)
Wie tragen grundlegende kognitive Funktionen wie Wahrnehmung, selektive Aufmerksamkeit, Handlungsplanung und Entscheidungsfindung zu sozialen Interaktionen bei? Und wie können sie neuronal erklärt werden? Um diese Fragen zu beantworten, untersucht der Sonderforschungsbereich „Kognition der Interaktion“, wie Gesichter und andere soziale Reize wahrgenommen, visuell-sensorische Vorhersagen getroffen werden und selektive Aufmerksamkeit auf die Handlungen anderer gelenkt wird. In seiner Arbeit verbindet der SFB verhaltensbiologische und kognitionspsychologische Aspekte mit Ansätzen aus der Systemischen und Theoretischen Neurowissenschaft. (Universität Göttingen, Sprecher: Professor Dr. Alexander Gail)
Etwa 4 Prozent der Krebspatienten in Deutschland leiden an bösartigen Neubildungen, sogenannten Neoplasien, der B-Zellen, einem wichtigen Bestandteil des Immunsystems. Der Sonderforschungsbereich „Aufklärung und Targeting pathogener Mechanismen bei B-Zell-Neoplasien“ will die Therapiechancen von Patientinnen und Patienten mit dieser Krebsart verbessern. Dies soll durch die effiziente Unterbrechung onkogener Signalwege der Lymphomzelle, also der Tumorzelle, und die spezifische Modulation der Lymphom-Mikroumgebung erreicht werden. Zu diesem Zweck will der Verbund wesentliche Aspekte der Lymphom-Biologie erforschen. (Universität zu Köln, Sprecher: Professor Dr. Michael Hallek)
In Industrieländern sind etwa 8 Prozent der Menschen von Autoimmunerkrankungen betroffen. Diese treten auf, wenn es durch bestimmte genetische und nicht genetische Faktoren eine fehlgeleitete Immunantwort gegen körpereigene Strukturen gibt. Pemphigoid-Erkrankungen (PE) sind Autoimmunerkrankungen, die Haut und Schleimhäute schädigen. Sie gehören trotz zunehmender Bedeutung in einer alternden Gesellschaft zu den weltweit weniger erforschten Autoimmunerkrankungen. Der Sonderforschungsbereich „Pathomechanismen Antikörpervermittelter Autoimmunerkrankungen (PANTAU): Erkenntnisse durch Pemphigoid-Erkrankungen“ erforscht PE als Modell für Autoantikörper-vermittelte Autoimmunerkrankungen, um die Mechanismen der Krankheitsentstehung zu entschlüsseln und neue Ansätze für Diagnostik und Therapie zu eröffnen. (Universität Lübeck, Sprecher: Professor Dr. Detlef Zillikens)
Die Erforschung der „Licht-Materie-Wechselwirkung an Grenzflächen“ mittels starker, ultraschneller Laserfelder steht im Zentrum des Vorhabens von theoretischen und experimentell arbeitenden Physikerinnen und Physikern. Mit neuartigen Ansätzen will der Sonderforschungsbereich geometrische, elektronische und topologische Eigenschaften der Materie mithilfe maßgeschneiderten Lichts untersuchen. Ziel ist es, die Teilchendynamik in den Materialien bestmöglich zu kontrollieren. (Universität Rostock, Sprecher: Professor Dr. Dieter Bauer)
Welche molekularen und zellulären Mechanismen liegen dem generellen Struktur- und Funktionsverlust von Geweben und Organen beim Altern zugrunde? Der Aufklärung dieser Frage hat sich der Sonderforschungsbereich „Alterung an Schnittstellen“ verschrieben, wobei er sich auf Prozesse im Gehirn, in Haut- und Bindegeweben sowie im Immunsystem konzentriert. Er tut dies ausgehend vom Paradigma der Grenzfläche oder Schnittstelle, um Alterung als funktionalen oder dysfunktionalen Kommunikationsprozess an verschiedenen strukturellen und molekularen Grenzflächen zu beschreiben und zu verstehen. (Universität Ulm, Sprecher: Professor Dr. Hartmut Geiger)
Neueste Forschungen zu Herzmuskelerkrankungen zeigen, dass inflammatorische, also entzündliche, und immunologische Mechanismen die Leistung des Herzens beeinflussen. Dabei können sie je nach Kontext und Zeit, etwa bei einem Infarkt, sowohl positive als auch negative Effekte haben. Der Sonderforschungsbereich „Kardio-immune Schnittstellen“ will die Wechselwirkungen zwischen diesen Mechanismen und Herzerkrankungen aufklären und damit Grundlagen für neue Therapien schaffen. (Universität Würzburg, Sprecher: Professor Dr. Stefan Frantz)
Die 20 für eine weitere Förderperiode verlängerten SFB
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen und Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):
Medienkontakt:
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Sonderforschungsbereichen unter:
www.dfg.de/sf