Pressemitteilung Nr. 6 | 28. März 2022

DFG fördert neun neue Forschungsgruppen

Themen von der Polytraumaforschung über die bioinspirierte Oxidationskatalyse bis zur Humusauflage des Waldbodens / Insgesamt rund 38 Millionen Euro für erste Förderperiode

Themen von der Polytraumaforschung über die bioinspirierte Oxidationskatalyse bis zur Humusauflage des Waldbodens / Insgesamt rund 38 Millionen Euro für erste Förderperiode

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet neun neue Forschungsgruppen ein. Dies beschloss der Hauptausschuss der DFG im Rahmen seiner virtuellen Sitzung am 25. März 2022 auf Empfehlung des Senats. Die neuen Verbünde erhalten insgesamt rund 38 Millionen Euro inklusive einer 22-prozentigen Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Zusätzlich zu den neun Einrichtungen wurde die Verlängerung von sieben Forschungsgruppen für eine weitere Förderperiode beschlossen. Eine um eine weitere Förderperiode verlängerte Forschungsgruppe wird im Rahmen der D-A-CH-Zusammenarbeit mit dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol gefördert.

Forschungsgruppen ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Sie werden bis zu acht Jahre lang gefördert. Kolleg-Forschungsgruppen sind zudem speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnitten. Klinische Forschungsgruppen sind wiederum durch die enge Verknüpfung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit charakterisiert. Im Ganzen fördert die DFG zurzeit 174 Forschungsgruppen, 14 Kolleg-Forschungsgruppen und 14 Klinische Forschungsgruppen.

Die neun neuen Verbünde im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecherinnen und Sprecher)

Die Forschungsgruppe „Strukturerhaltende numerische Methoden für Volumen- und Übergangskopplung von heterogenen Modellen“ widmet sich der Modellierung und Simulation gekoppelter Systeme zur Beschreibung von magnetisierten Plasmen, komplexen Fluiden und elektrochemischen Prozessen. Bei gekoppelten Systemen werden mehrere Prozesse in der gleichen Region eines ausgewählten physikalischen Gebiets betrachtet (Volumenkopplung) oder in unterschiedlichen Teilen eines Gebiets verwendete mathematische Modelle an gemeinsamen Grenzen zusammengefügt (Übergangskopplung). Ziel ist es, effiziente numerische Methoden zu entwickeln, die wichtige strukturelle Eigenschaften der zugrunde liegenden kontinuierlichen Modelle garantieren, und diese auf Hochleistungsrechnern zu implementieren. (Sprecher: Professor Dr. Manuel Torrilhon, RWTH Aachen)

Um die globalen Klimaziele zu erreichen, sollte unter anderem eine effiziente Nutzung nicht erneuerbarer Kohlenwasserstoff-Ressourcen aus Erdöl, Erdgas und Kohle gefunden werden. Dafür braucht es neue Konzepte für die Anwendung umweltschonender und häufig vorkommender Oxidationsmittel wie Sauerstoff und Wasserstoffperoxid unter milden Bedingungen für die Herstellung von industriell relevanten Chemikalien. Die Forschungsgruppe „Bioinspirierte Oxidationskatalyse mit Eisenkomplexen“ widmet sich deshalb der Entwicklung bioinspirierter homogener Katalysatoren mit besserer Effizienz für die Oxidation von einfachen Kohlenwasserstoffen sowie komplexeren organischen Substraten. (Sprecher: Professor Dr. Thorsten Glaser, Universität Bielefeld)

Unter einem Polytrauma versteht man eine, beispielsweise durch einen schweren Unfall verursachte, gleichzeitig entstandene Verletzung mehrerer Körperregionen oder Organsysteme. Die schweren Verletzungen können zu Folgeerkrankungen und einer erhöhten Sterblichkeit führen. Trotz aller Fortschritte ist es noch nicht möglich, diese Wechselwirkungen vollständig zu erklären oder vorherzusagen. Dieser Problematik widmet sich die Forschungsgruppe „Translationale Polytraumaforschung zur Bereitstellung diagnostischer und therapeutischer Instrumente zur Verbesserung des Outcome“ unter Beteiligung fünf großer deutscher Traumazentren. Der Verbund zielt darauf ab, neue Mechanismen, mögliche Biomarker und Behandlungsstrategien bei Polytraumapatienten zu identifizieren. Diese sollen für die Früh- und Routineerkennung in der posttraumatischen Versorgung zur Anwendung kommen und auf ihre Eignung in der klinischen Routine geprüft werden. (Sprecher: Professor Dr. Ingo Marzi, Universität Frankfurt/Main)

Die Humusauflage bildet die Schnittstelle zwischen den ober- und unterirdischen Teilen von Waldökosystemen und bietet Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen. Sie dient zudem als Saatbett und Wurzelraum für die Vegetation und fungiert als Drehscheibe des Ökosystems, wo organische Substanz, Nährstoffe, Wasser und Klimagase gespeichert, absorbiert und umgewandelt werden. Die Forschungsgruppe „Humusauflage: Funktionsweise, Dynamik und Vulnerabilität im Wandel“ will an zwölf Standorten in europäischen Buchenmischwäldern die noch nicht erforschten Funktionen dieser Erdschicht ebenso analysieren wie ihre Veränderungen im Klimawandel. Zentrale These ist dabei, dass die Bodeneigenschaften europäischer Wälder durch Anpassungen der Organismen an den Nährstoffgehalt der Böden geprägt werden – und der Einfluss der Klimaerwärmung von den Wechselwirkungen mit diesen Anpassungen abhängt. (Sprecherin: Professorin Dr. Friederike Lang, Universität Freiburg)

In Gesellschaften, die durch Zu- oder Abwanderungsprozesse geprägt sind, nehmen die Akteure heute vielfach auf Menschenrechtsnormen Bezug, um ihre Selbstverständnisse und ihre Interessen zu definieren und zu artikulieren: So lautet die Annahme der Forschungsgruppe „Menschenrechtsdiskurse in der Migrationsgesellschaft (MeDiMi)“, die sich mit Reichweite, Formen und Folgen dieses als „Vermenschenrechtlichung“ bezeichneten Phänomens beschäftigt. Untersucht wird das Phänomen im juristischen wie auch im politischen oder soziokulturellen Handlungskontext. Die Analyse von zehn ausgewählten Untersuchungsfeldern soll ein neues Verständnis der Rolle der Menschenrechte in zeitgenössischen – insbesondere europäischen – Gesellschaften liefern. (Sprecher: Professor Dr. Jürgen Bast, Universität Gießen)

Aus der Sicht der Grundlagenforschung nimmt die Forschungsgruppe „Die nächste Generation von funktionalen Selbstheilungsmaterialien – Wiederherstellung von optoelektronischen und Transporteigenschaften in weichen Materialien zur Speicherung und Umwandlung von Energie (FuncHeal)“ neue Perspektiven für flexible und selbstheilende Energiespeicher- und -umwandlungsmaterialien in den Fokus. Gleichzeitig werden aber auch Wege und Herausforderungen für Anwendungsfelder – etwa in organischen Solarzellen oder Batterien – aufgezeigt, was der Forschung perspektivisch technologische Bedeutung verleiht. Im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen zielt die Fragestellung dabei nicht allein auf die „Heilung“ von Rissen und Beschädigungen, sondern auf die Wiederherstellung von Funktionen und Eigenschaften in komplexen Materialsystemen. (Sprecher: Professor Dr. Ulrich S. Schubert, Universität Jena)

Photon-Photon-Wechselwirkungen spielen eine zentrale Rolle im sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik, das alle bekannten Elementarteilchen und die wichtigen Interaktionen zwischen ihnen zusammenführt. Eine präzise Berechnung dieser Effekte ist jedoch wegen der Besonderheiten der Quantenwelt nicht immer direkt möglich. Die Forschungsgruppe „Photon-Photon-Wechselwirkungen innerhalb und jenseits des Standardmodells – vollständige Nutzung des Entdeckungspotenzials von MESA bis hin zum LHC“ hat sich zum Ziel gesetzt, das Verständnis dieser Wechselwirkungen zu verbessern und so die Hadronen- und Teilchenphysik als Ganzes erheblich voranzubringen. Grundlage dafür sind Messungen am neuen MESA-Beschleuniger in Mainz und am Large Hadron Collider (LHC) in Genf. (Sprecher: Professor Dr. Achim Denig, Universität Mainz)

Mit Fragestellungen zu Quantenvielteilchensystemen mit langreichweitigen Wechselwirkungen – bei denen sich die Elemente nicht nur in sehr geringem Abstand beeinflussen können – beschäftigt sich die Forschungsgruppe „Quantenspinsysteme mit langreichweitigen Wechselwirkungen: Experiment, Theorie und Mathematik“. Derartige Systeme will der Verbund besser verstehen und langfristig ermöglichen, sie gezielt herstellen und kontrollieren zu können und ihre Eigenschaften in quantentechnologischen Anwendungen, wie etwa in der Metrologie und Sensorik, zu nutzen. (Sprecher: Professor Dr. Igor Lesanovsky, Universität Tübingen)

In jüngster Zeit gleicht sich die regionale Diversität – also die unterschiedliche Artenvielfalt der in einer Landschaft verteilten Lebensgemeinschaften in Ökosystemen – wegen steigender Landnutzung immer stärker aneinander an. Die Forschungsgruppe „Erhöhung der strukturellen Diversität zwischen Waldbeständen zur Erhöhung der Multidiversität und Multifunktionalität in Produktionswäldern“ will einerseits die Auswirkungen dieser Homogenisierung bewerten und andererseits Strategien entwickeln, um deren negative Auswirkungen rückgängig zu machen. Konkret geht es um die Frage, ob die Verbesserung der strukturellen Komplexität die Biodiversität und Multifunktionalität in ehemals homogenen Produktionswäldern erhöhen kann. Hierzu wurden Waldbestände an elf Standorten in Deutschland ausgewählt. (Sprecher: Professor Dr. Jörg Müller, Universität Würzburg)

Die sieben für eine zweite Förderperiode verlängerten Verbünde
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecherinnen und Sprecher und mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):

  • FOR „New Refined Observations of Climate Change from Spaceborne Gravity Missions (NEROGRAV)“ (Sprecher: Professor Dr.-Ing. Frank Flechtner, TU Berlin)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/388296632
  • KFO „Phänotypische Therapie- und Immunresistenz in Krebs (PhenoTImE)“ (Sprecher: Professor Dr. Dirk Schadendorf, Universität Duisburg-Essen; Klinische Leitung: Professor Dr. Alexander Roesch, Universitätsklinikum Essen)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/405344257
  • FOR „Sensitivity of High Alpine Geosystems to Climate Change Since 1850 (SEHAG)“ (Sprecher: Professor Dr. Michael Becht, Universität Eichstätt-Ingolstadt)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/394200609
    Die Forschungsgruppe wird im Rahmen der D-A-CH-Zusammenarbeit mit dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol gefördert.
  • Kolleg-FOR „Religion und Urbanität: Wechselseitige Formierungen (UrbRel)“ (Sprecherin: Professorin Dr. Susanne Rau, Universität Erfurt)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/392820287
  • FOR „Chromosomale Instabilität: Funktionelle Wechselwirkungen von DNA-Replikationsstress und mitotischer Fehlfunktion“ (Sprecher: Professor Dr. Holger Bastians, Universität Göttingen)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/395736209
  • FOR „Revisiting the Volcanic Impact on Atmosphere and Climate – Preparations for the Next Big Volcanic Eruption“ (Sprecher: Professor Dr. Christian von Savigny, Universität Greifswald)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/398006378
  • FOR „Probing the Quantum Vacuum at the High-Intensity Frontier“ (Sprecher: Professor Dr. Holger Gies, Universität Jena)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/392856280

Weiterführende Informationen

Medienkontakt:

  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG
    Tel. +49 228 885-2109

Ausführliche Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Verbünde.

Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:

  • Volker Kreutzer
    Gruppenleitung Qualitäts- und Verfahrensmanagement
    Tel. +49 228 885-2227

Zu den Forschungsgruppen der DFG: