Drei junge Wissenschaftlerinnen und drei Wissenschaftler erhalten den Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2005 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dies beschloss das Präsidium der DFG in seiner Sitzung am 17. März in Dresden. Die mit je 16 000 Euro dotierte Auszeichnung wurde am 6. Juni 2005 in Bonn gemeinsam verliehen von DFG-Präsident Professor Ernst-Ludwig Winnacker und Ulrich Kasparick, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Für herausragende Leistungen erhalten jährlich sechs Nachwuchswissenschaftler*innen den Preis, der nach dem früheren DFG-Präsidenten und Atomphysiker Heinz Maier-Leibnitz benannt ist. Die Mittel stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung der DFG zur Verfügung.
Mit analytischer Zahlentheorie beschäftigt sich Valentin Blomer. Die Teildisziplin fragt mithilfe von Methoden der Analysis und Funktionentheorie nach der Anzahl von ganzen Zahlen unterhalb einer gewissen Grenze, die eine bestimmte Eigenschaft erfüllen. Dies ist vergleichbar mit der Frage nach der Anzahl passender Schlüssel mit vorgegebener Größe zu einem Schlüsselloch. Je weniger Schlüssel passen, desto origineller ist das Schloss oder desto besser eignen sich die entsprechenden Zahlen, um zum Beispiel wichtige Nachrichten zu verschlüsseln. Zu den beeindruckenden Leistungen des 27-jährigen Wissenschaftlers zählt die überraschende Widerlegung einer Vermutung des berühmten Mathematikers Paul Erdös, bei der es um die Anzahl der Darstellungen natürlicher Zahlen unterhalb einer Schranke als Summe von zwei ganzen Zahlen geht, die mit einer Primzahl auch durch deren Quadrat teilbar sind. Im April 2004 von einem Forschungsaufenthalt in Kanada zurückgekehrt lehrt Valentin Blomer seitdem als Juniorprofessor Mathematik in Göttingen.
Woher weiß eine Pflanze, wo sie Wurzeln und wo Blätter ansetzen muss? In der Forschung ist bekannt, dass das Hormon Auxin reguliert, wo bei einer Pflanze oben und unten ist. Der zweifach promovierte Nachwuchswissenschaftler Jiri Friml hat herausgefunden, dass bestimmte Eiweiße das Wachstumshormon an die richtige Stelle dirigieren. Mit der Entdeckung dieser PIN-Proteine hat der Molekularbiologe und Biochemiker nicht nur grundlegende Denkanstöße für sein Fachgebiet geliefert, sondern auch Pflanzenzüchter und Raumfahrtbiologen inspiriert. Überdies experimentiert der gebürtige Tscheche mit einer speziell hochauflösenden Mikroskopie so, dass PIN-Proteine, die bislang schwer zu orten waren, in Zellen von Pflanzenembryos analysiert werden können. Als Leiter einer Nachwuchsgruppe der Volkswagenstiftung und Mitarbeiter eines DFG-Sonderforschungsbereichs untersucht Jiri Friml mit seinem jungen Forscherteam derzeit, wie sich Pflanzen unter Einfluss der PIN-Proteine entwickeln und Gestalt annehmen.
Natalja Novak interessiert, was Allergien auslöst und wie Therapien für Betroffene verbessert werden können. Im Forschungslabor der Bonner Poliklinik für Dermatologie konnte sie nachweisen, wie ein bestimmter Rezeptor dem Körper das entscheidende Signal gibt, überempfindlich zu reagieren. Dringen zum Beispiel Pollen in den Körper eines Allergikers ein, bildet sich sofort eine Vielzahl von Antikörpern. Doch erst die so genannten IgE-Rezeptoren verbinden Antikörper und reaktionsbereite Zellen und geben das Signal für Juckreiz, Niesen und vieles mehr. Mit ihren Arbeiten konnte die Nachwuchswissenschaftlerin mit österreichisch-kroatischer Staatsangehörigkeit nicht nur wesentlich zur Allergieforschung beitragen, sondern auch einen Anwendungsbezug herstellen. Seit 2003 ist Natalija Novak Oberärztin im Team von Prof. Thomas Bieber. Ihr derzeitiges Forschungsprojekt über Hauterkrankungen wird von der DFG gefördert. Darüber hinaus leitet sie ein Teilprojekt der DFG-Forschergruppe "Genetik komplexer Erkrankungen", das sich mit der Genetik zur Neurodermitis beschäftigt.
Vernachlässigte Autoren und Lücken in der Literaturgeschichte faszinieren Sandra Pott. Mit ihren Arbeiten zur Morallehre in Frankreich und Deutschland während des 18. Jahrhunderts und der Verweltlichung der Wissenschaften nach der Renaissance konnte sie wesentlich zur Verfeinerung wichtiger Leitthesen in der Literaturwissenschaft beitragen. Grundlage ihrer Forschung sind neben deutschsprachigen Texten auch englisch- und französischsprachige Quellen oder Werke unbekannter Autoren. Zugang zu seltenem Textmaterial fand die Germanistin unter anderem während ihrer einjährigen Aufenthalte in London und Paris. Seit 2003 leitet Sandra Pott eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe der DFG. Gemeinsam mit ihrem Team stellt sie Nachforschungen an, wie Gedichte des 18. bis 20. Jahrhunderts die Entwicklung von Stil und Ästhetik beeinflussten. Von den Einsichten verspricht sie sich einen wesentlichen Erkenntnisgewinn für die noch lückenhafte Theorie der Lyrik.
Der Frage, wie Planeten entstehen, geht Sebastian Wolf nach. Ihm gelang es, den Transport von Strahlung in der staubigen Umgebung von gerade entstandenen Sternen erstmals dreidimensional zu simulieren. Damit wird eine systematische Erforschung der weitgehend unverstandenen Planetenbildung ermöglicht. Seine Pionierarbeit setzte der Astrophysiker fort, indem er mithilfe von hochempfindlichen Teleskopen Magnetfelder in der Entstehungsumgebung von sonnenähnlichen Sternen vermessen und kartieren konnte. In internationalen Forscherteams analysierte er Debris-Scheiben, die eine wichtige Rolle in der Spätphase der Bildung von Planetensystemen spielen. Gemeinsam mit seiner Emmy Noether-Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Astronomie arbeitet Sebastian Wolf nun an der Theorie und Darstellung des Ursprungs und der Entwicklung eines werdenden Planeten.
Die wechselseitige Beeinflussung von Literatur und Zeitgeschichte ist das Spezialgebiet von Anne-Julia Zwierlein. Am Beispiel des Literaturklassikers "Paradise Lost" von John Milton machte die Anglistin deutlich, dass der Roman die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Englands im 17. Jahrhundert widerspiegelt und gleichzeitig einen wichtigen Einfluss auf die Imperialismusdebatte der aufstrebenden Weltmacht hatte. Mit Methoden aus der vergleichenden Literaturwissenschaft erforscht die fünfsprachige Philologin nun Klassiker in ihrem jeweiligen historischen Kontext. Dabei reicht ihr Fachwissen mittlerweile von Shakespeare bis zu postmodernen Autoren. Ihre Aufmerksamkeit schenkt sie derzeit der Rolle von Naturwissenschaften bei der Entstehung von Literatur und dem Bildungsroman im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts. Letzterer ist Thema ihrer Habilitation.