Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2013 geht an zwei Wissenschaftlerinnen und neun Wissenschaftler. Sie sind aus 135 Vorschlägen ausgewählt worden. Der mit 2,5 Millionen Euro dotierte Preis wurde am 19. März 2013 in Berlin verliehen. Er zeichnet hervorragende Wissenschaftler*innen für herausragende wissenschaftliche Leistungen aus.
Mit Thomas Bauer erhält ein Islamwissenschaftler den Leibniz-Preis, der auf vielleicht weltweit einmalige Weise die philologische Interpretation und Edition von Texten mit einem ebenso breiten wie innovativen kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Ansatz verbindet. Bauer wird zum einen identifiziert mit seinen Forschungen zur arabischen Dichtung etwa der Onagerepisode oder der Abbasidenzeit, die bereits grundlegend neue Erkenntnisse zur Kultur und Mentalität der vormodernen arabisch-islamischen Welt erbrachten. Bahnbrechend sind auch seine Studien zur bis dahin eher stiefmütterlich behandelten Literatur der Mamluken- und Osmanenzeit. Zum anderen verbindet sich Bauers Name mit der (Wieder-)Entdeckung des Islam als einer „Kultur der Ambiguität“. In einer grundlegenden Monografie wies Bauer nach, dass gerade der Islam über viele Jahrhunderte lang ausgesprochen offen war für Vielfalt und für eine Pluralität kultureller Diskurse und Handlungen – anders als die antike und mittelalterliche Tradition im Westen, aber auch im Gegensatz zur heutigen Realität in den islamischen Ländern. Diese in der Fachwelt wie in den Feuilletons begeistert aufgenommene Betrachtung gilt bereits jetzt über die Wissenschaft hinaus als wichtiger Beitrag zur interkulturellen Verständigung.
1961 geboren, studierte Thomas Bauer Islamwissenschaft und Semitische Philologie in Erlangen-Nürnberg. Auf Promotion und Habilitation folgten erste Tätigkeiten in Regensburg, Heidelberg und Erlangen-Nürnberg, bevor Bauer 2000 als Universitätsprofessor für Arabistik und Islamwissenschaft an die Universität Münster berufen wurde. In Münster machte sich Bauer auch als erfolgreicher Wissenschaftsorganisator – er ist Gründer des „Centrums für religiöse Studien“ und Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ – und beliebter akademischer Lehrer einen Namen.
Ivan Dikic gehört bereits seit geraumer Zeit zu den international führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der molekularen Onkologie und der zellulären Signalweiterleitung. Er forscht vor allem zum Signalmolekül Ubiquitin, das beim Abbau von nicht mehr leistungsfähigen oder nicht mehr benötigten Zellproteinen eine entscheidende Rolle spielt. Hier gelang Dikic die Entdeckung eines neuartigen Ubiquitinrezeptors – RPn13 – , dessen Struktur und Funktionsweise er zudem umfassend aufklärte. Mit diesen und anderen Arbeiten – vor allem zu Ubiquitin-bindenden Domänen von Zellproteinen – leistete Dikic entscheidende Beiträge zum besseren Verständnis grundlegender zellulärer Prozesse wie der DNA-Reparatur oder der angeborenen Immunität oder der von ihm erstmals beschriebenen sogenannten „selektiven Autophagozytose“. Seine Beiträge sind auch von höchster Bedeutung für die Medizin, da sich etwa Defekte beim Proteinabbau in verschiedensten Krankheiten niederschlagen.
Ivan Dikic ist kroatischer Staatsbürger. Er studierte in Zagreb Medizin, arbeitete als Postdoktorand an der New York University und in Uppsala/Schweden. Ab 2002 war zunächst Professor für Biochemie an der Universität Frankfurt, seit 2009 ist er Direktor des dortigen Buchmann Instituts für Molekulare Lebenswissenschaften und des Instituts für Biochemie II. Dikic ist Mitglied der Leopoldina und wurde für seine Forschungen bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Krebspreis und einem Advanced Grant des European Research Council (ERC).
Mit gerade 40 Jahren ist Frank Glorius einer der weltweit bedeutendsten Experten in der hart umkämpften Organischen Katalyseforschung. Dies gilt speziell für eines ihrer schwierigsten Gebiete, nämlich der Aktivierung von C-H-Bindungen. Mit diesen können gezielt Bindungen zwischen Kohlenstoffatomen erzeugt werden, was für den Aufbau komplexer organischer Moleküle, etwa für Pharmazeutika oder Pflanzenschutzmittel, aber auch bei Komponenten für neue Materialien oder für die Ernährung essenziell ist. Mit seiner Anwendung der C-H-Aktivierung für die Synthese von heterozyklischen Verbindungen hat Glorius hier ebenso Pionierarbeit geleistet wie auf dem von ihm ganz maßgeblich entwickelten Gebiet der durch zweiwertiges Rhodium katalysierten oxidativen Kreuzkupplungen. Genauso weisen schließlich auch seine Forschungen zur Verwendung der sogenannten „N-heterozyklischen Carbenliganden“ in der Organokatalyse Frank Glorius als absolute Ausnahmeerscheinung auf seinem Gebiet aus, der bereits jetzt Bahnbrechendes geleistet hat, den Höhepunkt seiner Produktivität aber sogar noch vor sich haben dürfte.
Frank Glorius studierte Chemie in Hannover und am Max-Planck-Institut (MPI) für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr. Nach der Promotion in Basel forschte er zunächst in Harvard und erneut am Mülheimer MPI. Mit nur 32 Jahren wurde er Professor für Organische Chemie in Marburg, 2007 folgte er dem Ruf nach Münster. Vor dem Leibniz-Preis wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, so mit dem renommierten Alfried Krupp-Förderpreis für junge Hochschullehrer und einem Starting Grant des ERC.
Onur Güntürkün erhält den Leibniz-Preis als einer der Wegbereiter und wichtigsten Vertreter einer biologisch fundierten Psychologie. Sein grundlegendes Ziel ist es, zu ergründen, wie Wahrnehmung, Denken und Handeln im Gehirn entstehen. Dabei gilt sein Blick solch unterschiedlichen Einzelthemen und Gegenständen wie dem motorischen Lernen, der Angst und den Entscheidungsprozessen oder dem Risikoverhalten und dem Küssen. Güntürküns Arbeiten sind gekennzeichnet durch die Verknüpfung psychologischer, biologischer und neuroanatomischer Fragestellungen, Konzepte und Befunde aus artvergleichenden Verhaltens- und Neurowissenschaften. So konnte er am Beispiel von Elstern zeigen, dass Vögel, obwohl sie keinen cerebralen Cortex haben, sich genauso wie Primaten selbst im Spiegel erkennen und damit so etwas wie ein Selbstkonzept entwickeln können. Ausgehend von diesem Befund wies Güntürkün nach, dass sich die Vorderhirnstrukturen von Vögeln und Primaten in einem evolutionären Prozess einander angenähert haben und trotz unterschiedlichen Aufbaus in ihren neurobiologischen Grundlagen und in ihren im Verhalten zu beobachtenden Leistungen konvergieren. In seinen Arbeiten, so auch über die funktionellen Hirnasymmetrien von Tauben – die denen des Menschen ähneln –, erweist sich Güntürkün auch methodisch immer wieder als höchst kreativ.
In Izmir in der Türkei geboren, besuchte Onur Güntürkün die Schule in Baden-Baden und Izmir und kehrte nach Deutschland zurück, um in Bochum Psychologie zu studieren und zu promovieren. Nach Forschungsaufenthalten in Paris und San Diego habilitierte er sich in Konstanz. Seit 1997 ist er Professor für Biopsychologie in Bochum. Über seine vielfach ausgezeichneten Arbeiten hinaus genießt er auch als akademischer Lehrer einen ausgezeichneten Ruf – und als Wissenschaftsvermittler, der mit seiner eigenen Begeisterung für die Forschung auch seine Zuhörer und die Öffentlichkeit in den Bann zu schlagen versteht.
Peter Hegemann kann ohne Wenn und Aber als der Begründer eines der dynamischsten aktuellen Forschungsfelder in den Lebens- und Neurowissenschaften angesehen werden: der Optogenetik beziehungsweise Neurophotonik. Ausgehend von frühen eigenen Forschungen an der einzelligen Grünalge Chlamydomonas wies Hegemann als erster nach, dass die unterschiedlichsten Zelltypen durch Licht „schaltbar“ sind, sobald sie mit einem bestimmten Lichtrezeptor-Protein – dem Kanalrhodopsin-2-Protein – ausgestattet sind. Dies eröffnete die von vielen Wissenschaftlern herbeigesehnte Möglichkeit, die Auswirkungen von Änderungen etwa der Ionenzusammensetzung oder des pH-Wertes in Zellen ohne gröbere Eingriffe untersuchen zu können. Mithilfe der Kanalrhodopsine konnte Hegemann sodann einzelne Nervenzellen wie auch komplexe neuronale Netzwerke bis hin zum Mäusegehirn mit präzisen räumlich-zeitlichen Lichtmustern anregen. In jüngeren Arbeiten führte Hegemann sogar gezielt Verhaltensänderungen in der Maus durch Licht herbei. Seine – oft gemeinsam mit Karl Deisseroth aus Stanford – entstandenen Arbeiten sind fundamental für die Grundlagenforschung und als Werkzeug in den Lebenswissenschaften; darüber hinaus können sie aber auch zur Behandlung von neuronalen Krankheiten, die auf einer Beeinträchtigung von Sinneszellen beruhen, oder von Autismus und Schizophrenie beitragen.
Nach dem Studium der Chemie in Münster und München promovierte Peter Hegemann bei Dieter Oesterhelt am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, bevor er als Postdoktorand an die Syracuse University nach New York ging. Nach Stationen in München und Regensburg ist er seit 2005 Professor für Experimentelle Biophysik an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Marion Merklein ist die jüngste der neuen Leibniz-Preisträger*innen. Die 39-Jährige wird als herausragende Ingenieurwissenschaftlerin an der Schnittstelle zwischen Werkstoffwissenschaften und Fertigungstechnologie ausgezeichnet. Ihre bereits mehr als 300 Forschungsarbeiten weisen eine hohe thematische Bandbreite auf, wobei ihr besonderes Interesse drei Themen gilt: der Auslegung und Optimierung von Leichtbaustrukturen aus Blechen, der Warmblechumformung – das sogenannte „Presshärten“ – und der Blechmassivumformung. In vielen ihrer Arbeiten gelingt Marion Merklein der wichtige Brückenschlag zwischen den Werkstoffwissenschaften und der Produktionstechnik, häufig geht sie dabei auch von Fragestellungen aus der industriellen Anwendung aus. Damit hat sie bereits jetzt maßgeblich dazu beigetragen, dass die Umformtechnik als ressourcen- und energieeinsparende Fertigungstechnologie stetig an Bedeutung gewonnen hat und weiter gewinnen wird. Dies gilt vor allem für qualitativ hochwertige Produkte, die so bis nahe an die Endkonturen heran gefertigt werden können.
Marion Merkleins wissenschaftlicher Werdegang ist eng verbunden mit der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, wo sie Werkstoffwissenschaften studierte, promovierte, als Oberingenieurin und Forschungsgruppenleiterin tätig war und sich auch habilitierte. Mit nur 34 Jahren erhielt sie parallel drei Rufe aus dem In- und Ausland und entschied sich erneut für die FAU. Ihr Lehrstuhl für Fertigungstechnik gilt als einer der international führenden und als gleichermaßen hervorragend vernetzt in Wissenschaft und Industrie. Ihre Forschungsarbeiten treibt die Ingenieurwissenschaftlerin immer wieder auch als Sprecherin größerer Verbünde voran, so einer DFG-Forschergruppe und eines Sonderforschungsbereichs/Transregios. Bereits 2004 erhielt Merklein den Heinz Maier-Leibnitz-Preis von DFG und BMBF, die wichtigste Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftler*innen in Deutschland; weitere Preise folgten. Auch in der akademischen Lehre und Selbstverwaltung ist Merklein vielfach engagiert und anerkannt.
Roderich Moessner und Achim Rosch haben beide herausragende Beiträge zur Erforschung von stark wechselwirkenden Quantensystemen erbracht und erhalten dafür den Leibniz-Preis. Ihr Forschungsfeld ist sowohl in der Grundlagenforschung als auch für zukünftige Anwendungen eines der spannendsten Gebiete der modernen Festkörperphysik und stellt besonders für die Theoretische Physik eine enorme Herausforderung dar.
Roderich Moessner hat diese Herausforderung vor allem auf dem Gebiet der frustrierten Quantenspinsysteme angenommen, auf dem er zu den weltweit führenden Wissenschaftlern zählt. Er konnte als erster die über 70 Jahre alte Hypothese von der Existenz magnetischer Monopole operationalisieren. Moessner sagte voraus, dass im Spineis magnetische Dipole in magnetische Monopole zerfallen und identifizierte zugleich ein System, in dem dieser Effekt beobachtet werden sollte. Tatsächlich konnte dies nur ein Jahr später von anderen Wissenschaftlern experimentell nachgewiesen werden. Auch Moessners Arbeiten zur Resonating Valence Bond-Phase im Quanten-Dimermodell in magnetisch frustrierten Systemen waren wegweisend. Den Grundstein für diese Erfolge legte Moessner bereits während des Studiums und seiner Promotion in Oxford, wo er sich ebenso wie später als Postdoc in Princeton und beim CNRS in Paris an den internationalen Koryphäen seines Faches orientierte. Nach erneuter Lecture-Tätigkeit in Oxford wurde Moessner 2007 mit nur 36 Jahren Direktor am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden.
Achim Rosch befasst sich höchst erfolgreich mit einem breiten Spektrum physikalischer Fragestellungen auf dem Gebiet der Theorie der kondensierten Materie. Neben grundlegenden theoretischen Arbeiten kooperiert er immer wieder mit experimentell arbeitenden Gruppen. Hieraus ist etwa die vielbeachtete Theorie der quantenkritischen Punkte in antiferromagnetischen Metallen hervorgegangen. Spektakulär ist auch die experimentelle Identifikation eines Skyrmion-Gitters in Helimagneten auf Grundlage von Roschs theoretischer Analyse. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeiten sind ultrakalte Atome. Zusammen mit Leibniz-Preisträger Immanuel Bloch konnte erstmals das fermionische Hubbard-Modell mit ultrakalten Gasen in optischen Gittern experimentell realisiert werden. Große Aufmerksamkeit erregte schließlich Roschs Vorhersage von Zuständen mit negativer absoluter Temperatur. Achim Rosch studierte Physik in Karlsruhe, wo er auch 1997 promovierte. Seine Postdoc-Zeit verbrachte er an der Rutgers University in New Jersey, bevor er wiederum in Karlsruhe Leiter einer DFG-geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe wurde. Bereits 2004 wurde er Professor an der Universität Köln, wo er seit 2006 auch Sprecher eines Sonderforschungsbereichs ist.
Die Medizinerin Erika von Mutius hat grundlegende Erkenntnisse über die Entstehung und damit auch für die Behandlung von Lungenerkrankungen im Kindesalter erzielt, für die sie nun mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet wird. Ausgehend von klinischen Beobachtungen hat sie groß angelegte epidemiologische Studien durchgeführt, die klare Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und Krankheitsentstehung gezeigt haben. Ihre vielleicht wichtigsten Untersuchungen galten dem allergischen Asthma bei Kindern, dessen Häufigkeit seit etwa 30 Jahren ebenso kontinuierlich wie deutlich zunimmt. Viele Studien machen dafür genetische Faktoren und Umwelteinflüsse verantwortlich. Erika von Mutius konnte in einer groß angelegten vergleichenden Studie dazu nachweisen, dass beispielsweise die hohe Umweltverschmutzung im Raum Leipzig im Vergleich zur Großstadt München nicht zu erhöhtem Aufkommen von Asthma bei Kindern führte. Vielmehr ergab sich als wesentliche Erkenntnis aus Studien wie dieser: Gerade Kinder, die in ländlichem Raum und speziell in der Umgebung von Tieren aufwachsen, haben eine verringerte allergische Disposition. Die zugrunde liegenden Ursachen hierfür hat Erika von Mutius weiter untersucht und diese haben eine große Bedeutung für die Rolle der hygienischen Bedingungen für Neugeborene und Kleinkinder bei der Ausbildung einer Allergie.
Erika von Mutius Heimat als Wissenschaftlerin wie als Ärztin ist die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und das dortige Dr. von Haunersche Kinderspital, wo sie – unterbrochen von einem Forschungsstipendium an der University of Arizona in Tuscon/USA – von der Facharztausbildung für Pädiatrie über die Tätigkeit als Oberärztin und in leitenden Ambulanzfunktionen bis zur Habilitation alle wichtigen Stationen absolvierte. Seit 2004 ist Erika von Mutius Professorin für Pädiatrie an der LMU und weiterhin im Dr. von Haunerschen Kinderspital auf dem Gebiet der pädiatrischen Pneumologie und Allergologie tätig. Ihre Arbeiten fanden durchweg hohe internationale Beachtung und wurden vielfach ausgezeichnet.
Vasilis Ntziachristos wird für seine international höchst beachteten Beiträge zur optischen Bildgebung ausgezeichnet. Mit ihnen hat er sowohl die Grundlagenforschung als auch die Möglichkeiten der Patientenbehandlung wesentlich beflügelt. In der Grundlagenforschung gilt sein besonderes Interesse der nicht invasiven Anwendung optischer Verfahren wie der Fluoreszenz in größeren Strukturen oder im gesamten Körper von Säugetieren und dies auch noch als Ganzkörperbildung im dreidimensionalen Kontext. Hier konnte Ntziachristos sehr zielgerichtet neue tomografische Verfahren entwickeln, die auch quantitatives theoretisches Modellieren in Geweben erlauben Die Möglichkeit einer schonenderen und sichereren Behandlung insbesondere von Krebspatienten hat ihren Ursprung in Ntziachristos‘ molekularer Bildgebung der Verteilung und Wirkung von Medikamenten im Gewebe. Indem dabei der Weg fluoreszierender Proteine und anderer Moleküle verfolgt wird, lassen sich molekulare Prozesse in gesamten Tumoren und dem umgebenden Gewebe in Echtzeitverhältnissen beschreiben. Damit könnte sich die Photonenbildgebung nutzen lassen, um Tumorgrenzen in endoskopischen und offenen Eingriffen zu zeigen und bösartiges Gewebe trennscharf zu entfernen.
In Griechenland geboren, studierte Vasilis Ntziachristos in Thessaloniki und promovierte an der University of Pennsylvania in Philadelphia. Danach war er als Assistant Professor in Harvard tätig. Seit 2007 hat er eine Professur für Biologische Bildgebung an der Technischen Universität München inne und ist zudem Direktor des Instituts für Biologische und Medizinische Bildgebung am Helmholtz Zentrum München. Auch er wurde für seine Arbeiten bereits mehrfach ausgezeichnet. Von der DFG erhielt er unter anderem ein Reinhart Koselleck-Projekt für im positiven Sinne besonders risikoreiche Forschungen.
Mit Lutz Raphael erhält ein Historiker den Leibniz-Preis, der mit seinen Arbeiten und seinen wissenschaftssoziologischen Denkanstößen den Blick auf die jüngste Zeitgeschichte Europas und deren unterschiedliche Deutungen maßgeblich verändert hat. Zeitgeschichte fasst Raphael dabei von Beginn seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht als Nationalgeschichte, sondern als europäische Geschichte auf. Als besonders fruchtbar erwies sich dabei für ihn selbst wie für sein Fach der Austausch mit der französischen Historikerschule um die Zeitschrift „Annàles“ und mit den philosophischen, soziologischen und anthropologischen Methoden seines Lehrers Pierre Bourdieu, die er mit eigenen, dem Konzept der „longe durée“ verpflichteten Studien weiterentwickelte. Anfangs mikrohistorisch fokussiert, bezieht Raphael in jüngeren Studien zunehmend transnationale und globalhistorische Ansätze mit ein. Ebenso einflussreich – auch über Deutschland hinaus – sind seine Analysen zur modernen Expertenkultur, insbesondere derjenigen der Historiker und Soziologen. Schließlich hat sich Raphael auch als Historiograf der modernen Historiografie einen Namen gemacht, zuletzt mit seiner Monografie „Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme“; hier ist er einer der führenden Repräsentanten einer neuen Generation von Geschichtswissenschaftlern, die eine kritische methodologische Selbstreflexion ihres Fachs vorantreiben.
1955 geboren, studierte Lutz Raphael in Münster und Paris Geschichte. Nach der Promotion in Münster war er als Assistent in Darmstadt tätig, bevor er 1996 seine jetzige Professur für Neuere und Neueste Geschichte in Trier übernahm, die er mehrfach mit Gastprofessuren in Paris verband. Raphael war beziehungsweise ist Mitglied und zeitweise Sprecher zweier geschichtswissenschaftlicher Sonderforschungsbereiche der DFG sowie Fellow renommierter geisteswissenschaftlicher Kollegs im In- und Ausland. Als Mitglied im Wissenschaftsrat und in zahlreichen Kommissionen wie dem Arbeitskreis für Moderne Sozialgeschichte und der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften engagiert er sich nicht zuletzt für die kritische Selbstbetrachtung und Erneuerung akademischer Diskurse.