Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2014 geht an vier Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftler, die vom zuständigen Nominierungsausschuss aus 129 Vorschlägen ausgewählt wurden. Von den elf neuen Preisträger*innen kommen vier aus den Ingenieurwissenschaften, je drei aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den Lebenswissenschaften und einer aus den Naturwissenschaften. Verliehen wurden die Leibniz-Preise am 12. März 2014 in Berlin.
Mit Artemis Alexiadou wird eine herausragende und weltweit anerkannte Sprachwissenschaftlerin mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Ihr Forschungsfeld ist die moderne Grammatiktheorie und hier die Modellbildung für linguistische Strukturen, für die sie zentrale methodische Standards gesetzt und die Forschungsentwicklung international wesentlich geprägt hat. Dabei widmete sie sich einer Kernfrage der linguistischen Forschung, nämlich dem Verhältnis der Eigenschaften von Nomina und Verben. Indem Alexiadou parallele Strukturen in Verbal- und Nominalphrasen und die diesen zugrunde liegenden Regeln und Gesetze aufzeigte, leistete sie einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung von Modellen und Theorien zum menschlichen Sprachverständnis. Über die Modellbildung für linguistische Strukturen hinaus hat Artemis Alexiadou in ihrem zweiten großen Forschungsgebiet grundlegende empirische Erkenntnisse über die Syntax einer großen Zahl von Einzelsprachen erzielt. So entdeckte sie in einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Sprachen Muster und Netzwerke von Phänomenen, die zuvor unbekannt waren und die zu neuen Leitideen über das Funktionieren von Sprache beitrugen.
1969 im griechischen Volos geboren, studierte Artemis Alexiadou in Athen und in Reading Philologie und Linguistik, bevor sie in Potsdam promoviert wurde und sich 1999 habilitierte. Gefördert mit einem Heisenberg-Stipendium der DFG, wurde sie bereits 2002 auf die Professur für Theoretische und Englische Linguistik an der Universität Stuttgart berufen. Ihre ebenso erfolgreiche wie produktive Forschungstätigkeit verbindet sie mit starkem Engagement in der Wissenschaftsorganisation und wissenschaftlichen Selbstverwaltung, unter anderem als Sprecherin eines DFG-geförderten Internationalen Graduiertenkollegs sowie eines Sonderforschungsbereichs. Nicht zuletzt hat Alexiadou große Anziehungskraft auf den wissenschaftlichen Nachwuchs aus aller Welt.
Armin von Bogdandy ist einer der renommiertesten deutschen Staats-, Europa- und Völkerrechtler, dessen Oeuvre vor allem durch die Breite, Tiefe und Vielfalt der Forschungsinteressen und Arbeitsgebiete herausragt. In seinen zahlreichen Schriften befasste sich der juristisch wie philosophisch umfassend gebildete und polyglott begabte Wissenschaftler unter anderem mit der Rolle der Exekutive im europäischen Rechtsetzungsprozess, der Rechtsnatur der Europäischen Union und der Supranationalisierung der nationalstaatlichen Rechtsordnung. Das von Bogdandy herausgegebene Werk über das „Europäische Verfassungsrecht" und die von ihm gemeinsam mit Spitzenforschern aus ganz Europa verfassten rechtsvergleichenden Studien zum „Ius Publicum Europaeum" sind Standardwerke. Bogdandys Forscherblick gilt jedoch nicht nur dem positiven Recht; er fragt ebenso nach dessen philosophischen und historischen Grundlagen und nicht weniger nach politischen und sozialen Implikationen. Seine Auseinandersetzung mit zentralen Begriffen wie Verfassung, Demokratie, Legitimität oder Öffentlichkeit strahlen so immer wieder in die aktuelle politische und rechtliche Diskussion zum Thema Europa. Nicht zuletzt gelingt es von Bogdandy in seinen Arbeiten, die normativ orientierte deutsche rechtswissenschaftliche Tradition für die einschlägigen US-amerikanischen rechtswissenschaftlichen Diskurse anschlussfähig zu machen.
Geboren 1960, absolvierte Armin von Bogdandy sowohl eine volle juristische Ausbildung als auch ein Philosophie-Studium in Freiburg und Berlin. Nach der juristischen Promotion 1988 und Forschungsaufenthalten in Paris, Rom, Florenz und Warwick habilitierte er sich 1996 an der Freien Universität Berlin. Seine erste Professur hatte der Rechtswissenschaftler an der Universität Frankfurt/Main inne. Seit 2002 ist Armin von Bogdandy Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Daneben ist von Bogdandy seit 2001 Richter und seit 2006 Präsident am Kernenergiegericht der OECD in Paris. Von 2008 bis 2013 war er Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union.
Andreas Dreizler und Christof Schulz gehören zu den weltweit führenden experimentell orientierten Verbrennungsforschern. An verschiedenen Universitäten tätig, haben sie in hervorragender Weise einander ergänzende, teilweise auch gemeinsam publizierte Beiträge zum selben Forschungsgebiet – der quantitativen Laserdiagnostik reaktiver Strömungen – geleistet und erhalten dafür gemeinsam den Leibniz-Preis.
Andreas Dreizler ist eine ganze Reihe wesentlicher experimenteller Beiträge zur quantitativen Charakterisierung turbulenter Verbrennungsprozesse gelungen. Dazu gehören die weltweit ersten Messungen von Kohlenwasserstoffkonzentrationen und Temperaturen in Flammen, die nur durch die geschickte Nutzung von nicht linearen optischen Effekten möglich waren, oder die ersten quantitativ bildgebenden Messungen zur Formaldehydbildung in selbst zündenden Verbrennungsmotoren sowie zum turbulenten Transport in Flammen mithilfe von laserinduzierter Fluoreszenz und Hochgeschwindigkeitskameras. Zuletzt realisierte Dreizler neuartige Experimente, in denen dreidimensionale turbulente Strömungen in ihrem Orts-Zeit-Verhalten verfolgt werden können. Dreizlers Messverfahren und Ergebnisse werden weltweit zur Verbesserung von Verbrennungsmodellen genutzt. Den Grundstein für seine Arbeiten legte Dreizler bereits in seiner auf das Physik-Studium folgenden Promotion bei Jürgen Wolfrum in Heidelberg, der sich eine kurze Tätigkeit in der Technologieberatung anschloss, bevor Dreizler über die Universität Stuttgart an die Technische Universität Darmstadt kam, wo er seit 2008 im Exzellenzcluster „Smart Interfaces" eine neue Professur „Reaktive Strömungen und Messtechnik" innehat.
Christof Schulz hat entscheidende Beiträge zu Grundlagen und Technologien hochauflösender laserdiagnostischer Messverfahren und ihrer Anwendung zur experimentellen Charakterisierung technischer Verbrennungs- und Partikelsyntheseprozesse geleistet. Mit schwierigen Messmethoden gelang ihm erstmals eine hohe quantitative Genauigkeit zur Verfolgung der unerwünschten Stickstoffbildung während der Verbrennung. In weiteren Arbeiten gewann er beispielsweise neue Einsichten in die kinetischen Mechanismen der Rußbildung während der motorischen Verbrennung. Um seine Messverfahren auf technische Systeme wie Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen zu übertragen, entwickelte Schulz mikrooptische Sensoren und anwendungsspezifische Endoskope. Über die messtechnischen Methoden konnte Schulz schließlich sehr erfolgreich in ganz neue Wissenschaftsgebiete eindringen und wichtige Beiträge in den Materialwissenschaften leisten, die sich beispielsweise in der Entwicklung leistungsfähigerer Batterien mit höherer Kapazität und Standzeit niederschlagen. Auch Christof Schulz promovierte nach dem Chemie-Studium in Karlsruhe bei Jürgen Wolfrum in Heidelberg, wo er mit dem nun mit ihm ausgezeichneten Andreas Dreizler zusammentraf. Nach seiner Habilitation 2002 verbrachte Schulz mehrere Forschungsaufenthalte in Stanford, bevor er 2004 an die Universität Duisburg-Essen berufen wurde.
Nicole Dubilier wird als international hoch angesehene Marine Mikrobiologin mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Dubiliers besonderes Interesse gilt der Symbioseforschung, in der sie ökologische und evolutionäre Anpassungen zwischen Bakterien und wirbellosen marinen Lebewesen studiert. Ihre Forschungsobjekte findet sie dabei auf Schiffsexpeditionen in den Hydrothermalquellen der Tiefsee, aber auch in leichter zugänglichen Seegraswiesen und in sulfidreichen Küstensedimenten. Allen diesen Habitaten gemeinsam ist die geringe Verfügbarkeit von Energie- und Nährstoffen, weshalb die Wirtsorganismen auf organische Kohlenstoffverbindungen angewiesen sind, die von ihren bakteriellen Symbionten durch Chemosynthese produziert werden. Im darmlosen Wurm Olavius algarvensis konnte Nicole Dubilier hier eine besonders komplexe Vergesellschaftung mit gleich zwei Klassen bakterieller Partner aufklären. Dabei nutzen die primären Symbionten das von den sekundären Symbionten durch die Reduktion von Sulfat hergestellte Sulfid als Energiequelle, um den lebensnotwendigen Kohlenstoff zu fixieren. Mit diesen und anderen Arbeiten – etwa zu Muscheln, denen die Symbiose mit schwefel- und methanoxidierenden Bakterien eine hohe Produktivität ermöglicht – hat Dubilier neue Einblicke eröffnet in die Abhängigkeiten symbiotischer Lebewesen und in die Energiegewinnung von Lebewesen im Meerwasser.
Nach dem Studium und der Promotion in Biologie forschte Nicole Dubilier ab 1992 zunächst als Postdoc in Harvard, danach am Max-Planck-Institut (MPI) für Marine Mikrobiologie in Bremen und als Gastprofessorin in Paris. Seit Oktober 2013 ist sie Direktorin am Bremer MPI, bereits seit 2012 auch Professorin im Fachbereich Biologie/Chemie der Universität Bremen. 2013 erhielt sie einen ERC Advanced Grant. Über ihre Forschungstätigkeit hinaus bringt sie durch begeisternde Vorträge der Öffentlichkeit die globale Bedeutung mariner mikrobiologischer Systeme näher.
Leif Kobbelt gilt als der herausragende deutsche Computergrafiker im Bereich der Geometrieverarbeitung und als einer der innovativsten und produktivsten Vertreter seines Forschungsgebiets weltweit. Mit seinen Arbeiten trägt er maßgeblich dazu bei, die immer höheren Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft an die möglichst reale Abbildung dreidimensionaler Modelle zu erfüllen. Dafür sucht Kobbelt nach Algorithmen und Datenstrukturen, mit denen hochkomplexe 3-D-Objekte möglichst effizient modelliert, modifiziert, optimiert und schließlich interaktiv visualisiert werden können. Im Mittelpunkt seines Interesses stehen dabei Unterteilungsschemata und Maschennetze bei 3-D-Modellen; hier hat er sowohl für die Analyse und Modifikation existierender Maschennetze („Multiresolution Modelling") als auch für die Erzeugung und Optimierung neuer hochwertiger Maschennetze („Polygon Mesh Generation and Optimization") wegweisende Beiträge geliefert. Nicht zuletzt ist Kobbelt einer der Pioniere auf dem Gebiet der „Point-based Graphics", bei denen Oberflächen nur durch eine hinreichend dichte Menge an Punkten repräsentiert werden – aber ohne jede Information zu den Verbindungen zwischen den Punkten.
1966 in Köln geboren, studierte und promovierte Leif Kobbelt in Karlsruhe. Nach einem Postdoc-Aufenthalt in Wisconsin/USA habilitierte er sich 1999 bei Leibniz-Preisträger Hans-Peter Seidel in Erlangen-Nürnberg und war danach am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken tätig. 2001 wurde Kobbelt mit 34 Jahren als jüngster C4-Professor an die RWTH Aachen berufen, wo er seitdem den Lehrstuhl für Computergrafik innehat. Seit 2003 ist er zudem Direktor des Steinbeis-Transferzentrums Geometrieverarbeitung und Computer Aided Geometric Design. Für seine Arbeiten wurde er vielfach national wie international ausgezeichnet, so 2000 mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis der DFG und 2013 mit einem ERC Advanced Grant. Als akademischer Lehrer weiß Kobbelt Studenten und Doktoranden aus aller Welt zu begeistern. Darüber hinaus ist es ihm ein Anliegen, seine Forschungsergebnisse nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch allgemein nutzbar zu machen, etwa durch Open-Source-Softwarebibliotheken im Internet.
Laurens Molenkamp hat mit seiner wichtigsten Arbeit ein komplett neues Forschungsgebiet mitbegründet. Nach einer Vielzahl von grundlegenden Beiträgen zur experimentellen Festkörperphysik und insbesondere der Halbleiter-Spintronik gelang ihm 2007 die erste experimentelle Verifizierung eines bis dahin nur theoretisch vorhergesagten neuen Quantenzustands der Materie: der sogenannten topologischen Isolatoren. Der von Molenkamp experimentell nachgewiesene „Quanten-Spin-Hall-Effekt" ist verwandt mit dem „Quanten-Hall-Effekt", der bedeutendsten Entdeckung in der Festkörperphysik in den 1980er-Jahren. Im Gegensatz zu diesem tritt der „Quanten-Spin-Hall-Effekt" ohne ein externes Magnetfeld auf, sondern nutzt stattdessen eine starke Spin-Bahn-Kopplung und eröffnet damit eine Vielzahl von potenziellen Anwendungen, zum Beispiel in der Informationstechnologie. Diese Entdeckung hat sowohl der Grundlagen- als auch der angewandten Forschung fundamentale Impulse gegeben und „Topologische Isolatoren" zu einer der weltweit aktivsten Forschungsrichtungen der Festkörperphysik gemacht. In Deutschland führte sie nicht zuletzt zur Einrichtung des DFG-Schwerpunktprogramms „Topologische Isolatoren".
Geboren 1956, studierte Laurens Molenkamp physikalische Chemie in Groningen, wo er 1985 auch promoviert wurde. Anschließend war er fast ein Jahrzehnt in der industriellen Forschung tätig, bevor er 1994 auf eine Professur an der RWTH Aachen berufen wurde. Seit 1999 hat Molenkamp einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Universität Würzburg inne. Seine Arbeiten, allen voran zum Quanten-Spin-Hall-Effekt, sind hochrangigst publiziert und zitiert und haben ihm mehrere Auszeichnungen eingebracht, zuletzt einen Advanced Grant des ERC.
Mit Brigitte Röder erhält eine Forscherin den Leibniz-Preis, deren wissenschaftliches Werk sowohl für die Psychologie als auch für die modernen Lebenswissenschaften von höchster Bedeutung ist. Röders Forschungsarbeiten bewegen sich an den Schnittstellen von Kognitionspsychologie, Entwicklungspsychologie und kognitiver Neurowissenschaft. Vor allem mit ihren Untersuchungen zu den grundlegenden Mechanismen neuronaler Plastizität gehört Brigitte Röder zur Weltspitze. Leitfragen sind dabei etwa: Wie und in welchem Maß ist unser Gehirn fähig zur Anpassung an altersbedingte Veränderungen oder sensorische Deprivation bei Blindheit oder Gehörlosigkeit? Ist die Anpassungsfähigkeit des Gehirns trainierbar? Wie werden funktional spezialisierte Systeme des Gehirns entwickelt und aufrechterhalten? Röder betrachtet dabei gezielt die zeitliche Dynamik der Entwicklung. So untersucht sie etwa, wie sich Wahrnehmung und Verhalten bei erblindeten oder gehörlos gewordenen Personen verändern, vergleicht dies mit von Geburt an blinden oder gehörlosen Personen und setzt beides in Beziehung zur kortikalen Entwicklung. Diese und andere Arbeiten, die sich durch hohe Kreativität und vielfältige Verbindungen von psychologischen und psychophysiologischen Experimenten, Blickbewegungsmessungen und Bildgebungsverfahren auszeichnen, sind über die Grundlagenforschung hinaus auch für die Entwicklung von Bildungs- und Rehabilitationsprogrammen von hoher Bedeutung.
1967 geboren, studierte Brigitte Röder Psychologie in Marburg, wo sie bei Frank Rösler im Bereich der Kognitiven Neurowissenschaften auch promovierte und sich 2002 habilitierte. Ihre wissenschaftliche Heimat verließ sie mehrfach und forschte als Doktorandin und Postdoc in Illinois beziehungsweise Oregon. 1999 gehörte Brigitte Röder zu den ersten Geförderten im Emmy Noether-Programm der DFG. Von Marburg aus folgte sie einem Ruf an die Universität Hamburg, wo sie seitdem ungeachtet mehrerer Rufe forscht und lehrt. Für ihre Arbeiten wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet, 2010 erhielt sie einen Advanced Grant des ERC.
Irmgard Sinning verbindet in ihrer Forschungsarbeit die Biochemie, Biophysik und Strukturbiologie, und dies auf höchstem Niveau. Sie beschäftigt sich vor allem mit Proteinkomplexen, die dafür sorgen, dass unterschiedliche Membranproteine zu den für sie bestimmten Zielmembranen in den jeweiligen zellulären Kompartimenten gebracht werden. Dabei ist entscheidend, wie die Proteine durch die biologischen Membranen transportiert werden. Auf diesem Gebiet hat Irmgard Sinning eine ganze Reihe grundlegender Beiträge zur Aufklärung eines der wichtigsten Transportmechanismen geleistet: des durch das sogenannte SRP („Signal Recognition Particle") vermittelten Transportwegs. Mittels dieses Signalerkennungsteilchens, einem aus Protein und Ribonukleinsäuren bestehenden Komplex, werden die zu transportierenden Proteine zunächst erkannt und noch während ihrer Entstehung an den Ribosomen gebunden. Anschließend wird das Zielprotein zu einem Rezeptor geleitet, in dem sich schließlich eine Pore öffnet, durch die das Protein hindurch gefädelt und von einem Kompartiment in das nächste „translociert" wird. Das Verständnis dieses Prozesses ist enorm wichtig, denn nur am richtigen Ort und zur richtigen Zeit kann ein Membranprotein seine biologische Funktion ausüben.
Nachdem sie zunächst Lebensmittelchemie an der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) studiert hatte, arbeitete Irmgard Sinning an den Max-Planck-Instituten für Biochemie und Biophysik in der Gruppe des Leibniz- und späteren Nobelpreisträgers Hartmut Michel an ihrer Dissertation, die sie 1989 wiederum an der LMU abschloss. Es folgten Postdoc-Aufenthalte in Frankfurt und Uppsala und eine mehrjährige Tätigkeit als Nachwuchsgruppenleiterin am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Im Jahr 2000 folgte Irmgard Sinning einem Ruf als Professorin für Biochemie am Biochemiezentrum (BZH) in Heidelberg, wo sie bis heute tätig ist.
Rainer Waser ist auf herausragende Weise zugleich Naturwissenschaftler und Ingenieur. Sein wissenschaftliches Werk ist außergewöhnlich breit und spannt sich von der reinen Festkörperchemie über die sogenannte Defekt-Chemie bis hin zu elektronischen Eigenschaften und Modellierungen sowie von der Technologie neuer Materialien bis hin zu Arbeiten, die sich mit den physikalischen Eigenschaften von Bauelementen beschäftigen. Bereits seine frühen Untersuchungen zur elektrischen Degradation von Oxiden waren wegweisend und sind bis heute eine Grundlage für die Entwicklung der immer wichtigeren Ferroelektrika, ebenso seine Untersuchungen zu ferroelektrischen dünnen Filmen. Ein überaus wichtiges Forschungsthema Wasers sind resistive Schalter als Speicher in der Informationstechnologie. Nachdem erste Ansätze hierzu seit den 1960er-Jahren von anderen Forschern verfolgt worden waren, aber weder zu einer wissenschaftlichen Durchdringung noch zu einer technologischen Perspektive geführt hatten, war es 2006 Rainer Waser, der den grundlegenden Mechanismus für die Schalteigenschaft klärte. Dies eröffnete zum einen neue Wege für die Miniaturisierung von Speicherelementen. Zum anderen erwächst daraus ein riesiges Potenzial für einen schonenderen Ressourceneinsatz, da sich resistive Speicherelemente mit dreimal weniger Energie als herkömmliche Elemente schalten lassen.
Geboren 1955, studierte Rainer Waser Chemie an der Technischen Universität Darmstadt, an der er nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt in Southampton auch promoviert wurde. Anschließend war er acht Jahre in der Industrie tätig, bevor er 1992 als Professor an die Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der RWTH Aachen berufen wurde. Seit 1997 ist er zugleich Direktor am Peter Grünberg Institut des Forschungszentrums Jülich. Weltweit bestens vernetzt und einer der meistzitierten Vertreter seiner Forschungsgebiete, genießt Waser zudem hohes Ansehen als akademischer Lehrer und Mentor für den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Lars Zender ist der jüngste der diesjährigen Leibniz-Preisträger. Im Mittelpunkt seines Forschungsinteresses steht die Leber. Zender hat wesentlich neue Mechanismen entschlüsselt, die zur Erhaltung oder zur Wiederherstellung der Funktion der Leber beitragen. Mittels onkogenetischer Screens entdeckte er dabei zum einen neue Gene, die Tumoren in der Leber hemmen. Die dabei aufgebaute Methodik wandte er dann in einem zweiten, pathophysiologischen Kontext an, nämlich der Regeneration der Leberfunktion nach akutem oder chronischem Leberversagen als in der Regel letzte Alternative zur Lebertransplantation. Das zweite zentrale Forschungsgebiet des Gastroenterologen ist die Aufklärung der Rolle, die die Seneszenz, also die Zellalterung, bei der Entstehung von Krebs spielt. Hier konnte Zender nachweisen, dass das „Anschalten" der Seneszenz die Entstehung von Tumoren aus prämalignen Leberzellen verhindert und somit einen wichtigen Schutzmechanismus darstellt. Auf beiden Forschungsgebieten sind Zenders Arbeiten sowohl wichtige Beiträge zur Grundlagenforschung als auch Optionen zur Entwicklung und Weiterentwicklung therapeutischer Verfahren.
1975 geboren, arbeitete Lars Zender bereits während seines Studiums an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) an wissenschaftlichen Projekten zur Regulation von Zelltod in der Leber. Nach Promotion, Approbation und Assistenzarzt-Tätigkeit an der MHH ging er 2004 im Rahmen des Emmy Noether-Programms der DFG als Postdoktorand an das renommierte Cold Spring Harbor Laboratory. 2008 nach Deutschland zurückgekehrt, setzte er seine Forschungen als Emmy Noether- und als Helmholtz-Nachwuchsgruppenleiter fort und lehnte mehrere Rufe aus dem In- und Ausland ab, bevor er sich 2012 für die Universität Tübingen entschied, an deren Klinikum er nun die Sektion für translationale gastrointestinale Onkologie leitet. Für seine Arbeiten wurde Zender bereits mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem angesehenen Deutschen Krebspreis.