Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2015 geht an acht Wissenschaftler, die vom zuständigen Nominierungsausschuss aus 136 Vorschlägen ausgewählt wurden. Von den acht neuen Preisträgern kommen jeweils drei aus den Naturwissenschaften und den Geistes- und Sozialwissenschaften und zwei aus den Lebenswissenschaften. Verliehen wurden die Leibniz-Preise am 3. März 2015 in Berlin.
Mit Henry N. Chapman erhält ein international hoch renommierter Forscher den Leibniz-Preis, der in der Röntgenphysik und biologischen Physik bahnbrechende Entwicklungsarbeit geleistet hat. Chapman forscht an freien Elektronenlasern (FEL), mit denen sich komplexe Moleküle mittels ultrakurzer und hoch brillanter Röntgenpulse untersuchen lassen. Dabei sind jedoch grundlegende Probleme zu überwinden, allen voran jenes, dass die verwendeten Proben durch die extrem hohe Intensität der Röntgenstrahlung innerhalb kürzester Zeit – mitunter in 10 Femtosekunden, also 0,000 000 000 000 01 Sekunden – zerstört werden. Henry Chapmann entwickelte eine Methode, mit der er in Zusammenarbeit mit anderen Forschern erstmals innerhalb solcher kaum vorstellbarer Zeitspannen Beugungsbilder von Bio-Molekülen aufnehmen konnte, ehe die Proben verdampften. Bei dieser sogenannten seriellen Femtosekundenkristallografie (SFX) wird ein feiner Wasserstrahl mit winzigen Molekülproteinen mit dem freien Elektronenlaser gekreuzt. Die als „Abbildung vor Zerstörung" („diffraction before destruction") beinahe sprichwörtlich in die Fachwelt eingegangene Methode eröffnete den hochauflösenden Abbildungsverfahren in den Lebenswissenschaften völlig neue Möglichkeiten. Zugleich bahnte sie einen Weg zur Bestimmung der Struktur von Makromolekülen wie dem HI-Virus, die nicht kristallisiert werden können. Auf diese Weise konnte Chapman beispielsweise die Struktur eines Parasitenproteins aufklären, das die tropische Schlafkrankheit verursacht – was zugleich die Stärke des Physikers zeigte, wegweisende Methodenentwicklungen mit grundlegenden wissenschaftlichen Fragen zu verbinden.
In Großbritannien 1967 geboren, studierte und promovierte Henry Chapman im australischen Melbourne. Nach seiner Promotion folgten Postdoc-Jahre an der dortigen Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization sowie in den USA, wo er zuletzt eine Arbeitsgruppe am renommierten Lawrence Livermore National Laboratory leitete. 2007 kam Chapman an das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg und wurde Gründungsdirektor des Centers for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer gemeinsamen Einrichtung der Universität Hamburg, der Max-Planck-Gesellschaft und des DESY. Der Leibniz-Preis 2015 soll Chapman nicht zuletzt in die Lage versetzen, die noch größeren technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten der am DESY geplanten XFEL-Elektronenlaser-Anlage zu nutzen, die 2017 in Betrieb gehen soll.
Hendrik Dietz gehört zu den weltweit führenden Wissenschaftlern in der DNA-Nanotechnologie, die aktuell eines der dynamischsten Forschungsgebiete in der biomolekularen Grundlagenforschung ist. Sein besonderes Interesse gilt dem DNA-Origami, bei dem sich DNA zur sequenzprogrammierten Herstellung von hochkomplexen funktionalen zwei- und dreidimensionalen Nanokomponenten verwenden lässt. Diese Technik wurde zwar von anderen Forschern erfunden, doch erst durch die Arbeiten von Dietz zu einem sehr breit einsetzbaren Werkzeug gemacht, mit dem inzwischen weltweit nanoskalige Instrumente und Werkzeuge entwickelt und biologische und biophysikalische Hypothesen getestet werden. Zusätzlich zu seinen grundlegenden Arbeiten auf diesem Gebiet leistete Dietz auch für deren Anwendung Pionierarbeit, indem er etwa bewegliche Greifer und Schieber aus DNA konstruierte. Von großer praktischer Bedeutung sind seine Arbeiten für die Herstellung künstlicher Nanoporen in Lipidmembranen, wobei ein weiterer Schwerpunkt seiner Forschung auf der Entwicklung von DNA-basierenden Werkzeugen liegt, um Proteine mechanisch und räumlich zu orientieren und sie dann mittels einzelmolekülspektroskopischer Methoden zu analysieren. Mit einer völlig neuartigen Fabrikationsmethode konnte Dietz schließlich die Herstellung der komplexen DNA-Strukturen erheblich effizienter und schneller gestalten, was den Weg in eine industrielle Anwendung von künstlichen DNA-Objekten weist.
Mit 36 Jahren ist Hendrik Dietz der jüngste der Leibniz-Preisträger 2015. Der gebürtige Dresdner ist eigentlich Physiker, steht aber seit Langem der Chemie sehr nahe. Nach seinem Studium in Paderborn, im spanischen Saragossa und an der LMU München promovierte er 2007 an der TU München, bevor er als Postdoktorand an die Harvard Medical School ging. Bereits zwei Jahre nach seiner Promotion kehrte Dietz als Assistant Professor zurück an die TU München, wo er seit 2014 eine W3-Professur für Experimentelle Biophysik innehat. Dietz ist beteiligt an dem im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Exzellenzcluster „Nanosystems Initiative Munich", erhielt 2010 einen Starting Grant des European Research Council (ERC) und wurde für seine Arbeiten bereits mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet.
Stefan Grimme wird für seine wegweisenden Arbeiten in der theoretischen Chemie mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet, die in idealer Weise Theorie und Anwendung interdisziplinär verbinden. Der Bonner Chemiker beschäftigt sich mit der Entwicklung und dem Einsatz von theoretischen Modellen und Computerprogrammen, mit denen die räumliche Struktur von Molekülen, deren Bindungsverhältnisse und die Verteilung der Elektronen exakt berechnet werden können. Die von Grimme entwickelten Methoden und Computerprogramme sind innerhalb kurzer Zeit zu einem Standard geworden, der weltweit nicht nur in der Chemie zum Einsatz kommt; in gleicher Weise profitieren Biologen, Materialwissenschaftler und Syntheseforscher von den so deutlich erweiterten Anwendungsmöglichkeiten der modernen theoretischen Chemie. Grimmes Forschungsarbeiten sind von einem breiten Interesse und Themenspektrum geprägt, das von der Entwicklung quantenchemischer Methoden zur Bestimmung der absoluten Konfiguration von großen Molekülen und der sogenannten Dichtefunktionaltheorie mit empirischen Korrekturen für Dispersionswechselwirkungen bis hin zur theoretischen Elektronenspektroskopie und Thermochemie reicht. Auf höchstem wissenschaftlichem Niveau durchgeführt und in führenden Journalen publiziert, gehören Grimmes Arbeiten zu den weltweit meistzitierten Arbeiten seines Faches.
1963 in Braunschweig geboren, studierte Stefan Grimme Chemie an der Technischen Universität seiner Heimatstadt, an der er 1991 auch promoviert wurde. Nach mehrjähriger Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent habilitierte er sich 1997 in Bonn bei der Theoretischen Chemikerin Sigrid Peyerimhoff, die für ihre wegweisenden Arbeiten selbst 1989 mit dem Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet worden war. 2000 übernahm Grimme den Lehrstuhl für Theoretische Organische Chemie an der Universität Münster. 2011 nahm er den Ruf auf die Leitung des renommierten Mulliken Centers für Theoretische Chemie an und kehrte so an die Bonner Universität zurück.
Christian Hertweck hat mit seinen Forschungen zu bioaktiven Naturstoffen wesentliche Impulse für das bessere Verständnis und für die Gewinnung von Wirkstoffen gegeben, wofür er nun den Leibniz-Preis erhält. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten stehen kleine hochkomplexe organische Moleküle, die durch mikrobielle Biosynthese hergestellt werden und einen größtenteils noch „ungehobenen" Schatz an potenziellen therapeutischen Wirkstoffen darstellen, so etwa für Antibiotika und Krebsmedikamente. Auf diesem Feld konnte Hertweck zahlreiche neue genetische Determinanten für Naturstoffe entdecken und neue Methoden zur Erschließung solcher Stoffe aus anaeroben Bakterien, Endosymbionten und anderen Quellen entwickeln, bei denen dies zuvor nicht möglich war. Hertwecks Arbeiten haben jedoch nicht nur die Chancen auf neue Wirkstoffe enorm vergrößert, sondern zugleich auch die Grundlagenforschung erheblich vorangetrieben. So untersuchte er etwa, welche Rolle Naturstoffe als Informationsträger in mikrobiellen Interaktionen und Symbiosen spielen, was sowohl für das Verständnis von Ökosystemen aber auch für Infektionen und damit für die medizinische Forschung und Landwirtschaft von großer Bedeutung ist. Beeindruckende Beispiele auf diesem Gebiet sind Hertwecks Arbeiten zum Toxin Rhizoxin, das Reispflanzen schädigt und zugleich in der Medizin ein Ausgangspunkt für ein potenzielles Antikrebsmittel sein kann, und die Entdeckung der ersten Antibiotika aus anaeroben Bodenbakterien (Clostridien).
Jahrgang 1969, studierte Christian Hertweck in Bonn Chemie und wurde am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena promoviert. Als Postdoktorand forschte er an der University of Washington/Seattle, bevor er von 2001 bis 2005 wiederum in Jena am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) eine Nachwuchsgruppe leitete. Seit 2008 ist Hertweck stellvertretender Direktor des HKI und bereits seit 2006 zugleich W3-Professor an der Universität Jena.
Friedrich Lenger ist einer der vielseitigsten Sozialhistoriker seiner Generation, der sich weit über Deutschland hinaus einen Namen gemacht hat. Er erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten, die sich sichtbar von den klassischen Feldern und Ansätzen der deutschen Neuzeitgeschichtsschreibung abheben und tief in die Geschichte der europäisch-westlichen Moderne hineinführen. Lengers breites Oeuvre zeichnet sich in gleicher Weise durch hohe empirische Dichte, beeindruckende Literaturkenntnis, konzise Begrifflichkeit und die Fähigkeit zur originellen Zusammenschau aus, wobei er immer wieder enorme Stoffmengen durchdringt und zu neuen Fragen vorstößt. Schon seine frühen Studien zur Geschichte der Klassenbildung im 19. Jahrhundert sowie zur Sozialgeschichte der deutschen Handwerker fanden große Anerkennung, nicht weniger der Band „Industrielle Revolution und Nationalstaatsbildung" im neu konzipierten „Gebhardt-Handbuch der deutschen Geschichte". Wies Lenger mit diesen Arbeiten der Analyse der frühkapitalistischen Klassenbildung neue Wege, so setzte er mit seiner Habilitationsschrift von 1993 Standards in der Gelehrtenbiografie, indem er Werner Sombart als Schlüsselfigur eines deutschen „Mandarins" und zentralen Repräsentanten der deutschen Sozialwissenschaften zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus darstellte. Nach diesem auch über die Fachwelt hinaus erfolgreichen Werk und weiteren biografischen Studien wandte sich Lenger der Stadtgeschichte zu. Hier hat er binnen Kurzem in einer Fülle von Studien die Grundlagen der deutschen, europäischen und in Teilen nordamerikanischen Stadtgeschichte vermessen, mündend in die 2013 erschienene Geschichte der europäischen Metropolen im 19. und 20. Jahrhundert, einem wahren Opus Magnum.
1957 geboren, studierte Friedrich Lenger Geschichte und Sozialwissenschaften, Kulturanthropologie und Politische Wissenschaften in Bielefeld, Düsseldorf und an der University of Michigan. Nach dem dortigen Master und der Promotion 1985 in Düsseldorf war er wissenschaftlicher Assistent in Tübingen. Seine Habilitation erfolgte 1993 mit einem Stipendium der DFG, von der er anschließend auch ein Heisenberg-Stipendium erhielt. Nach einer ersten Professur in Erlangen-Nürnberg ist Lenger seit 1999 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Gießen. Seine weit über Deutschland hinaus reichende Anerkennung zeigt sich nicht zuletzt an Forschungsaufenthalten und Gastprofessuren an solch renommierten Einrichtungen wie dem St.Anthony's College in Oxford und der Georgetown University in Washington/DC.
Mit Hartmut Leppin wird einer der führenden Althistoriker Deutschlands mit dem Leibniz-Preis geehrt, der vor allem für die Spätantike und das frühe Christentum auch weltweit als herausragender Experte angesehen wird. In seinen Studien erweist sich Leppin immer wieder als eigenständiger Denker, der intellektuelle Risiken eingeht, um wissenschaftliches Neuland zu erschließen. Beispielhaft hierfür ist seine Habilitationsschrift, in der er die politischen Vorstellungen dreier bis dahin vernachlässigter spätantiker Kirchenhistoriker – Socrates, Sozosemus und Theodoret – zum christlichen Kaisertum untersuchte. Hier und in nachfolgenden ideengeschichtlichen Studien zu weiteren Kirchenvätern zeichnete Leppin ein überaus facettenreiches Bild der Beziehungen zwischen Christentum und politischer Macht in der Spätantike und insbesondere der Rolle des Christentums für die kaiserliche Selbstdarstellung. Von zentraler Bedeutung ist dabei das von Leppin entwickelte Konzept der Demut, das er auf Deutungen des alttestamentlichen Königtums zurückführte und auf das spätantike Kaisertum übertrug. Seine hieran anknüpfenden Studien zu Theodosius dem Großen und Justinian spiegelten sodann jenes spannungsreiche Verhältnis von Monarchie und Christentum, das von der Spätantike an über Jahrhunderte die europäische Geschichte bestimmen sollte. Neue Ansätze zur Deutung des frühen Christentums erschloss Leppin schließlich auch dadurch, dass er die Christianisierungen als einen nicht linearen Prozess auffasste und erstmals in ihrer ganzen zeitlichen und räumlichen Ungleichzeitigkeit darstellte.
In Helmstedt 1963 geboren, studierte Hartmut Leppin Geschichte, Latein, Griechisch und Erziehungswissenschaften in Marburg, Heidelberg und Pavia. Nach dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in Geschichte und Latein wurde er 1990 bei Karl Christ in Marburg mit einer Arbeit über die soziale Stellung von Bühnenkünstlern zur Zeit der Römischen Republik und des Prinzipats promoviert. 1995 folgte die Habilitation an der FU Berlin. Seit 2001 ist Leppin Professor an der Universität Frankfurt/Main. In Frankfurt arbeitet Leppin als Principal Investigator auch an dem im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Exzellenzcluster „Normative Orders" mit; ab Januar 2015 ist er zudem Sprecher eines neuen Sonderforschungsbereichs (SFB) „Schwächediskurse und Ressourcenregime". Leppin ist auch Mitherausgeber der Historischen Zeitschrift und des Reallexikons für Antike und Christentum.
Steffen Martus hat sich innerhalb von nur 15 Jahren als richtungsweisender Vertreter der Neueren deutschen Literaturwissenschaft hohe Anerkennung erworben. Der Leibniz-Preis würdigt zuallererst sein äußerst produktives wissenschaftliches Werk, das zeitlich wie sachlich überaus weitgespannt ist. In seiner bereits preisgekrönten Dissertation stellte Martus erstmals Friedrich von Hagedorn als exemplarischen Vertreter der Aufklärung als literarischer Bewegung dar und arbeitete so auf eine Neubestimmung dieser politisch wie literarisch auf die Moderne hinweisenden Umbruchepoche hin – ein Ansatz, an den Martus später wiederholt und auch in seinem jüngsten Buchprojekt zur Entdeckung der Unmündigkeit in der Aufklärung anknüpfte. Seine bahnbrechende Habilitationsschrift „Werkpolitik" mit Studien zu Klopstock, Tieck, Goethe und Stefan George zeigte dann, wie zentral kommunikative Beziehungen für die Herausbildung eines neuen Werk- und Autortyps von der Frühen Neuzeit über die Aufklärung bis in das 20. Jahrhundert waren. Derselbe Blick auf Autorschaft als soziologisch und historisch bedingte und zu erfassende Konstruktion lag auch seinen folgenden Monografien über Ernst Jünger und die Gebrüder Grimm zugrunde. Über dieses originelle Forschungsprofil hinaus gibt Martus auch durch sein Eintreten für eine kritische Reflexion der bisherigen und künftigen Möglichkeiten der Textphilologie sowie durch sein Engagement in der akademischen Lehre und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wichtige Impulse zur Erneuerung seines Faches.
Nach dem Studium der Deutschen Philologie, Sozialkunde, Philosophie und Soziologie in Regensburg wurde Steffen Martus, Jahrgang 1968, im Jahr 1998 in Berlin an der Humboldt-Universität (HU) promoviert. Als Postdoc war er am DFG-Graduiertenkolleg „Codierung von Gewalt im medialen Wandel" beteiligt, worauf eine Juniorprofessur an der HU und eine erste Professur in Erlangen-Nürnberg folgten. 2007 wurde Martus Professor an der Universität Kiel, seit 2010 ist er W3-Professor am Institut für deutsche Philologie der HU. Über seine Forschungs- und Lehrtätigkeit hinaus ist er auch intensiv in der akademischen Selbstverwaltung engagiert, so etwa im DFG-Fachkollegium Literaturwissenschaft, und setzt sich in zahlreichen Medien und Internetbeiträgen für neue Wege der Vermittlung von Literatur in die breite Öffentlichkeit ein.
Tobias Moser hat mit seinen Arbeiten erheblich zu einem besseren Verständnis synaptischer Prozesse im Innenohr und damit der Grundlage des Hörens beigetragen. Seine neuen konzeptionellen wie technischen und experimentellen Ansätze haben Maßstäbe gesetzt, die nun mit dem Leibniz-Preis gewürdigt werden. Mosers Hauptinteresse gilt den Haarsinneszellen im Innenohr, deren Verlust jeder Mensch ab einem gewissen Alter erleidet und der zu erheblichen Einschränkungen in der Kommunikation mit Mitmenschen führen kann. Bei der Erforschung dieser elektrophysiologisch, molekularbiologisch und mechanisch höchst komplexen und zudem schwer zugänglichen Zellen verband Moser anspruchsvollste Grundlagenforschung mit translationalen Ansätzen und klinischer Praxis. Besondere Bedeutung haben dabei seine Arbeiten zur Synapse der inneren Haarsinneszellen, der „Ribbon-Synpase". Diese ist, wie Moser entschlüsseln konnte, für die synchrone Aktivität der Hörnerven verantwortlich und damit die Grundlage für die Wahrnehmung der Tonhöhen und für die Schalllokalisation. Auf diese Weise konnte Moser auch zeigen, wie es möglich ist, mit Milli- und teilweise Mikrosekunden-Genauigkeit akustische in bioelektrische Signale umzusetzen. Auf translationalem und klinischem Gebiet entwickelte Moser schließlich mit optischen Stimulationen im Innenohr eine Alternative zur derzeit gebräuchlichen elektrischen Stimulation durch Cochlea-Implantate, der eine große Zukunft prognostiziert wird.
Geboren 1968, studierte Tobias Moser Medizin in Leipzig und wurde mit einer im Göttinger Labor des Leibniz- und Nobelpreisträgers Erwin Neher angefertigten Arbeit promoviert. In Nehers Abteilung am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie blieb er auch danach als Postdoktorand und Nachwuchsgruppenleiter. Parallel dazu begann er eine Facharztausbildung an der Universität Göttingen, an deren Universitätsklinikum er seit 2001 eine eigene Arbeitsgruppe, das „Inner Ear Lab" leitet. Nach der Habilitation in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde 2003 wurde er 2005 zum Professor ernannt und hat seit 2007 einen eigenen Lehrstuhl inne. Nachdem er mehrere Rufe aus Deutschland und den USA abgelehnt hat, baut Moser aktuell in Göttingen ein neues Institut für Auditorische Neurowissenschaften auf. Ebenso ist er Sprecher des seit 2011 geförderten Göttinger Sonderforschungsbereichs (SFB) „Zelluläre Mechanismen Sensorischer Verarbeitung".