Das Präsidium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Auswahl für den Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2002 bestätigt. Danach erhalten sechs junge deutsche Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin im Mai in Bonn den mit je 16 000 EUR dotierten Preis. Die Mittel für den Heinz Maier-Leibnitz-Preis werden der DFG vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Verfügung gestellt. Grundidee des seit 1977 jährlich verliehenen Preises ist, exzellente Forschungsleistungen von Wissenschaftler*innen auszuzeichnen, die nicht älter als 33 Jahre sein sollten. Der Preis ist nach dem im Jahr 2000 verstorbenen ehemaligen DFG- Präsidenten und Atomphysiker Heinz Maier-Leibnitz benannt.
Die Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise durch Staatssekretär Dr. Uwe Thomas vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den DFG- Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker fand am 2. Mai 2002 im Deutschen Museum in Bonn statt.
Der Chemiker Rainer Haag entwickelte mit seiner Forschergruppe an der Universität Freiburg eine Synthese zur Herstellung von vollständig verzweigten, baumartigen Makromolekülen, so genannten Glycerindendrimeren. Diese Makromoleküle, sowie die am gleichen Institut in den Gruppen von Rolf Mülhaupt und Holger Frey entwickelten, unvollständig verzweigten aber einfacher zugänglichen, Polyglycerine untersucht er für die Automatisierung chemischer Synthesen. Dabei bieten diese hochfunktionalen "Trägerpolymere" viele Andockstellen für kleine Moleküle, zum Beispiel für Wirkstoffe, die dort modifiziert werden können. Mit dieser Strategie kann man möglicherweise die Herstellung von Medikamenten vereinfachen. Durch einen weiteren Verarbeitungsschritt können die vollständig verzweigten Makromoleküle in ihrer Baumkrone Gastmoleküle aufnehmen und später wieder freisetzen. Eine solche "Verkapselung" eröffnet Wege zur gezielten Applikation von Medikamenten am Wirkort im Körper. Nach seiner Promotion an der Universität Göttingen forschte Rainer Haag an der britischen University of Cambridge und der Harvard University (USA). Im Rahmen eines Hochschulgründerprojektes der Universität Freiburg versucht Rainer Haag derzeit zusammen mit seinen Kollegen Holger Frey und Stefan Mecking vollständig verzweigte Makromoleküle marktfähig zu machen.
Die Astrophysikerin Guinevere Kauffmann entwickelt Modelle, die helfen, zentrale Aspekte der Astronomie besser zu verstehen: Galaxien, Schwarze Löcher, Dunkle Materie und Quasare. Nach ihrem Studium in Kapstadt (Südafrika) befasste sie sich im Rahmen ihrer Promotion an der britischen Cambridge University mit der Entstehung und Entwicklung von Galaxien. Ihr Modell ermöglicht es erstmals, die Bilder von jungen Galaxien, welche Großteleskope liefern, direkt mit einer Computersimulation der Galaxie-Entwicklung zu vergleichen. Am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelt sie jetzt ähnliche Modelle für Schwarze Löcher, Dunkle Materie und Quasare. Zwischenzeitlich forschte die in den USA geborene Deutsch-Amerikanerin zwei Jahre an der University of California. Bis heute publizierte sie 27 Aufsätze in der Fachzeitschrift "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society". Im Jahr 2000 hielt sie einen Plenarvortrag vor der Jahresversammlung der American Astronomical Society.
Der Biochemiker Achim Kramer entdeckte an der Harvard Medical School, dass ein bestimmter Botenstoff (TGF-alpha) an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt ist. TGF-alpha hemmt die Aktivität von Mäusen bei Anbruch des Tageslichtes, wenn es für sie Zeit zum Schlafen ist. Wie Achim Kramer im Fachblatt "Science" berichtete, sind Mäuse, deren Rezeptor für TGF-alpha defekt ist, nach Tagesanbruch lebendiger als ihre nachtaktiven Artgenossen. Im Rahmen seiner Promotion beschäftigte sich Achim Kramer mit einem ganz anderen Thema: Er erstellte an der Charité in Berlin eine Peptidbibliothek, mit deren Hilfe zu Autoimmunerkrankungen führende Antigen-Antikörper-Wechselwirkungen besser untersucht werden können. Parallel zu seinem Studium der Biochemie absolvierte Achim Kramer ein Klavierstudium an der Berliner Hochschule der Künste, das er als staatlich geprüfter Klavierlehrer abschloss.
Der Biologe Frank Lyko befasst sich seit seiner Promotion an der Universität Heidelberg mit dem Abschalten von Genen durch chemische Veränderungen des Erbguts (Epigenetik). Bereits seine Promotion veröffentlichte er in den Fachjournalen "Nature Genetics" und "Proceedings of the National Academy of Sciences". Am amerikanischen Whitehead Institute entdeckte er dann, was bis dahin niemand für möglich gehalten hätte: Auch die Fruchtfliege Drosophila melanogaster schaltet ihre Gene durch chemische Veränderungen aus. Der Schaltvorgang ist bei Fliegen und Menschen eine chemische Reaktion, die man als Methylierung bezeichnet. Jetzt versucht Frank Lyko zusammen mit seiner Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), diese Entdeckung für die Krebsbekämpfung nutzbar zu machen. Da eine überschießende Methylierung von Genen zum Tumorwachstum beitragen kann, testet er an der Fruchtfliege Substanzen, welche die Methylierung hemmen. Seine Arbeit am DKFZ wird durch das Emmy Noether-Programm der DFG unterstützt.
Der Elektrotechniker Robert Schober entwickelte im Rahmen seiner Promotion an der Universität Erlangen-Nürnberg eine Technik, mit der Gleichkanalstörungen beim Mobiltelefonieren vermindert werden können. Gleichkanalstörungen treten auf, wenn ein Handy an den Rand einer Funkzelle kommt und dadurch zwischen zwei Basisstationen gerät, die auf derselben Frequenz senden. Dabei verschlechtern sich die Datenübertragung und die Gesprächsqualität. Die von Robert Schober entwickelte Technik beruht auf einem so genannten inkohärenten Übertragungsverfahren. Seit April 2001 erforscht er an der kanadischen University of British Columbia, wie mit diesem Übertragungsverfahren die Mobilkommunikation weiter verbessert werden kann. Robert Schober publizierte bereits zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten. Allein elf seiner Beiträge veröffentlichte das Magazin des Institute of Electrical and Electronics Engineers, "Transactions on Communications".
Der Historiker Volker Zimmermann befasste sich in seiner Promotion an der Universität Düsseldorf mit der Stimmung und der Politik der Sudetendeutschen nach dem Anschluss der tschechoslowakischen Randgebiete an Deutschland im Jahr 1938. Er stellte fest, dass sich nach der anfänglichen Freude darüber, "heim ins Reich" gekommen zu sein, bald Ernüchterung bei den Sudetendeutschen breit machte. Eine von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik eingesetzte Historikerkommission nahm die Untersuchung in ihre Schriftenreihe auf, so dass das Buch 2001 auch in tschechischer Sprache erschien. Zimmermanns Forschung könnte auf diese Weise ein Stück Versöhnungsarbeit leisten. Heute untersucht Volker Zimmermann an der Universität Düsseldorf die Beziehungen zwischen der DDR und der Tschechoslowakei in den Jahren 1945 bis 1969. Zuvor unterrichtete er an der Karls-Universität in Prag. Mit zwei Schriften über Düsseldorf in der NS-Zeit brachte er historische Themen auch der breiten Öffentlichkeit nahe.