Am 3. Dezember 1999 hat der Hauptausschuß der DFG die Preisträger*innen im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm für das Jahr 2000 bestimmt. Drei Wissenschaftlerinnen und elf Wissenschaftler wurden mit dem höchstdotierten deutschen Förderpreis ausgezeichnet. Die mit größerem apparativen Aufwand arbeitenden Wissenschaftler*innen erhielten ein Preisgeld von drei Millionen, die stärker theoretisch ausgerichteten Forscher*innen von 1,5 Millionen Mark, das für Forschungsarbeiten in einem Zeitraum von fünf Jahren vorgesehen ist.
Die feierliche Verleihung der Preise im Leibniz-Programm für 2000 durch den DFG-Präsidenten Prof. Ernst-Ludwig Winnacker fand am 10. Februar 2000 im Bonner Wissenschaftszentrum, Ahrstraße 45, statt.
Nach seinem Studium der Psychologie an der Universität Gießen beschäftigte sich Klaus Fiedler als wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst mit Fragen des computerunterstützten Unterrichts und dann der Sprachentwicklung. Von 1980 bis 1982 war er Habilitationsstipendiat der DFG und blieb bis 1991 der Universität Gießen zunächst als Hochschulassistent und dann als C2-Professor treu. Er nahm dann einen Ruf als Professor für Mikrosoziologie und Sozialpsychologie an die Universität Mannheim an und ist seit 1992 Professor für Sozialpsychologie an der Universität Heidelberg.
Seine wissenschaftlichen Arbeiten zeichnen sich durch große Vielfalt aus: Neben allgemeinen psychologischen Fragestellungen beschäftigen Klaus Fiedler sozialpsychologische Themen wie Zusammenhänge zwischen Sprache und sozialer Wahrnehmung und Prozesse der sozialen lnformationsverarbeitung. Außerdem untersucht er, wie aus sprachlichen Merkmalen Ziele, Absichten und Einstellungen der jeweils Sprechenden erschlossen werden können; ein Forschungsgegenstand, der unter anderem wegen der Möglichkeit, Lügen anhand sprachlicher Merkmale aufzudecken, von großer Bedeutung ist.
Nach einem Studium der Mineralogie und Kristallchemie und der Promotion im Fach Metallkunde an der Universität Stuttgart arbeitete Peter Greil am Max-Planck-Institut für Metallforschung. Im Jahr 1988 nahm er einen Ruf an die TU Hamburg-Harburg an. 1993 übernahm er die Professur für Glas und Keramik und die Leitung des Instituts für Werkstoffwissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Peter Greil befaßt sich mit den Grundlagen der Herstellung von Keramiken und Keramik-Verbundwerkstoffen. Zur Herstellung dieser modernen Werkstoffe bedient er sich eines neuartigen Syntheseverfahrens, mit dem sowohl Polymere als auch Metalle und ihre Oxide zu neuartigen Kompositen vereinigt werden können. Häufig dienen ihm Bauprinzipien der belebten Natur als Richtschnur für neue "biomimetische" Werkstoffe. Seit kurzem beschäftigt sich Greil mit Beschichtungen zum Schutz vor Korrosion, die künftig unter anderem bei Glühkerzen für Dieselmotoren eingesetzt werden sollen.
Nach dem Medizinstudium wandte sich Matthias Hentze als Postdoktorand in den USA der molekularen Biologie zu. Bereits mit 29 Jahren wurde er Gruppenleiter im Europäischen Labor für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg und habilitierte sich im Alter von 30 Jahren. Seit einem Jahr ist er am EMBL Senior Scientist und Programmkoordinator sowie Mitorganisator eines internationalen Graduiertenprogramms. Matthias Hentze ist Inhaber mehrerer Patente und hat bereits verschiedene Auszeichnungen erhalten.
In seinen Untersuchungen zur Molekularbiologie des zellulären Eisenstoffwechsels hat Hentze wichtige Regulationsvorgänge entdeckt, die auf der Kontrolle der Bildung von Rezeptoren beruhen, die die Aufnahme und Speicherung von Eisen steuern. Hentze hat als erster systematisch die Regelung des Stoffwechsels durch die Kontrolle der sogenannten Translation, der Bildung von Proteinen anhand von genetischer Information, untersucht. Diese Pionierarbeiten sind für das Verständnis von Eisenstoffwechselkrankheiten von großer Bedeutung. Er gilt als einer der wenigen Wissenschaftler, die eine Brücke zwischen Molekularbiologie und Humanmedizin schlagen.
Peter M. Herzig hat Geologie und Mineralogie an der RWTH Aachen studiert, dort promoviert und sich - nach einem Forschungsaufenthalt als Feodor-Lynen-Stipendiat an der Universität von Toronto - in Aachen habilitiert. Gleich zweimal erhielt Herzig für seine Arbeiten den Friedrich-Wilhelm-Preis der RWTH. Nachdem er als Visiting Professor in Kanada tätig war, folgte er 1993 einem Ruf an die TU Bergakademie Freiberg, wo er seitdem den Lehrstuhl für Lagerstättenlehre im Institut für Mineralogie innehat und Dekan der Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau ist.
Peter Herzig hat sich der rohstofforientierten Meeresforschung verschrieben. Er hat bereits an 15 Forschungsexpeditionen mit Forschungsschiffen und Tauchbooten teilgenommen. Sein Spezialgebiet sind die "Black Smokers" genannten Hydrothermalsysteme im Bereich ozeanischer Riftbecken; seine Arbeiten an diesen Systemen haben maßgeblich zum Verständnis von Erzbildungsprozessen im heutigen Meeresboden beigetragen. Die Ergebnisse sind darum auch für die Suche nach wirtschaftlich wichtigen Erzlagerstätten relevant, die ehemals im Meer gebildet wurden. So fand Herzig 1990 im Südwestpazifik Erzlagerstätten mit erhöhtem Goldgehalt und konnte erstmals gediegenes Gold in Meeresbodensulfiden nachweisen.
Reinhard Jahn hat als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes in Freiburg und Göttingen Biologie und Chemie studiert und das Staatsexamen für das gymnasiale Lehramt abgelegt. Nach der Promotion 1981 in Göttingen und einem Postdoktoranden-Aufenthalt in den USA wurde er 1985 AssistenzProfessor an der Rockefeller University. Weitere Tätigkeiten am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in Martinsried und am Howard Hughes Medical Institute an der Yale University folgten. 1997 kehrte er als Direktor für Neurobiologie am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie nach Göttingen zurück.
Jahn hat mit seinen Untersuchungen wesentlich zum Verständnis des für zahllose Lebensvorgänge wichtigen Prozesses der Verschmelzung von Membranen beigetragen. Insbesondere hat er sich mit dem Prozeß der Signalweitergabe zwischen Nervenzellen beschäftigt. Während die Signale innerhalb der Zellen elektrisch weitergegeben werden, geschieht dies an den Synapsen durch sogenannte Neurotransmitter. Jahns Arbeitsgruppe untersucht die molekularen Vorgänge an den Nervenenden, die bei der Freisetzung von Neurotransmittern ablaufen. Dies ist für die Grundlagenforschung ebenso wie für medizinische Anwendungen von besonderer Bedeutung.
Aditi Lahiri hat an der Universität Kalkutta und dann an der amerikanischen Brown University komparative Philologie und Linguistik studiert. Weitere Stationen ihrer akademischen Laufbahn waren die University of California in Los Angeles, die University of California in Santa Cruz und das Max-PlanckInstitut für Psycholinguistik in Nijmegen. Im Jahr 1992 wurde sie Professorin für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz.
Aditi Lahiri arbeitet auf dem Gebiet der Phonologie, einer Unterdisziplin der Sprachwissenschaft, die sich mit der Funktion der Laute in einem Sprachsystem beschäftigt. Sie hat Theorien zum Sprachwandel untersucht und weiterentwickelt. In der Phonetik hat sie über akustische Charakteristika für phonologische Merkmale sowie über den Umgang mit phonologischen Merkmalen in der automatischen Spracherkennung gearbeitet. Seit 1997 führt Frau Lahiri viele ihrer Arbeiten im Sonderforschungsbereich 471 "Variation und Entwicklung im Lexikon" durch. Ihre Arbeiten sind von zentraler Bedeutung für die neuere Entwicklung der historischen Sprachwissenschaft.
Gertrude Lübbe-Wolff studierte Jura in Bielefeld, Freiburg und an der Harvard Law School. Nach der Promotion und Habilitation kehrte sie der Universität zunächst den Rücken und wurde Leiterin des Bielefelder Wasserschutzamtes. Hier sammelte sie Erfahrungen im Umweltrecht, auf das sie sich im weiteren spezialisierte. Heute ist sie Professorin für Öffentliches Recht und Direktorin des Zentrums für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld.
Frau Lübbe-Wolff hat sich mit der Verzahnung von Recht und Moral im Umweltschutz auseinandergesetzt und gezeigt, wie sehr die Debatte um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von moralischen Argumenten beherrscht wird. In ihren Beiträgen steht die Umsetzung von Recht vom Normbefehl in die Praxis, die "Wirkungsforschung des Rechts", im Mittelpunkt. Die Rechtswissenschaft hat auf diesem Gebiet eine Reihe neuer Instrumente und Prinzipien entwickelt, mit denen die institutionell und ökonomisch komplexe Welt des Umweltschutzes bewältigt werden soll; auf diesem Gebiet nimmt Gertrude LübbeWolff eine führende Stellung ein.
Dieter Lüst hat an der TU München Physik studiert und an der Ludwig-Maximilians-Universität promoviert. Als HeisenbergStipendiat war er nach der Habilitation in München am CERN in Genf tätig und folgte 1993 einem Ruf als C4-Professor an die Berliner Humboldt-Universität. Er ist Sprecher eines mit Teilchenphysik befaßten Graduiertenkollegs der DFG und seit 1998 auswärtiges Mitglied des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Potsdam-Golm.
Dieter Lüsts Arbeitsgebiete sind die String- und supersymmetrischen Feldtheorien. Es geht dabei um die grundlegende Frage der Zusammenführung von Quanten- und Gravitationsphysik. Ziel ist das einheitliche Verständnis aller physikalischen Kräfte, von der starken Kernkraft über die elektroschwachen Kräfte bis zur Gravitationskraft, sowie die einheitliche Beschreibung der zahlreichen Elementarteilchen, aus denen die Materie besteht.
Stefan Müller hat in Bonn, Edinburgh und Paris Mathematik studiert und in Edinburgh promoviert. Er war Assistenz-Professor an der Carnegie-Mellon University in Pittsburgh, bevor er sich 1994 in Bonn habilitierte. Nach Professorenstellen in Freiburg und Zürich ging er 1996 als Direktor an das Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig. Er hat den Max-Planck-Forschungspreis erhalten und ist stellvertretender Direktor des angesehenen mathematischen Forschungsinstituts in Oberwolfach.
Müllers Interesse gilt der angewandten Analysis, den Eigenschaften und Lösungen von partiellen Differentialgleichungen. Solche Differentialgleichungen spielen in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften eine große Rolle, da mit ihnen die Beschreibung von zum Teil sehr komplexen Vorgängen in Natur und Technik möglich ist. Die besondere Leistung von Stefan Müller besteht darin, die Analysis für eine Vielzahl von anwendungsrelevanten Problemen der Mechanik und der Materialwissenschaften aufgegriffen und tiefliegende, teilweise überraschende Ergebnisse gefunden zu haben. Auf diese Weise ist, ausgehend von der reinen Mathematik und grenzüberschreitend zur Physik und Mechanik, ein Gesamtwerk entstanden, das man als "mathematische Materialwissenschaft" bezeichnen kann.
Manfred Pinkal studierte Linguistik, Germanistik, Philosophie und Informatik in Bochum und Stuttgart. Nach der Promotion 1976 in Stuttgart und Habilitation 1984 in Düsseldorf war er Gastprofessor an der University of Texas at Austin. Er war Heisenberg-Stipendiat der DFG und erhielt 1987 seinen ersten Ruf auf eine C3-Professur für Informatik an die Universität Hamburg. Seit 1990 hat er eine C4-Professur für Computerlinguistik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, inne und ist dort an einem Graduiertenkolleg sowie am Sonderforschungsbereich 378 beteiligt.
Manfred Pinkal hat wesentlich zum Dialog zwischen Linguistik und Informatik und zur Etablierung der Computerlinguistik als Fach in Deutschland beigetragen. Die herausragende wissenschaftliche Bedeutung seiner wissenschaftlichen Arbeit besteht vor allem darin, daß es ihm gelungen ist, zwischen einer methodisch rigiden Sprachtheorie und den Gegebenheiten der unsystematischen, vagen, inkohärenten menschlichen Sprachen zu vermitteln. Er hat eine Theorie entworfen, die die präzise Erfassung vager und anderer unbestimmter Ausdrücke erlaubt, und hat ein Verfahren entwickelt, mit dem phonetisch unvollständige Äußerungen erfaßt und verarbeitet werden können.
Ilme Schlichting hat Biologie und Physik in Heidelberg studiert und dort 1990 promoviert. Als Feodor-Lynen-Stipendiatin war sie an der Brandeis University, USA, tätig. Seit 1994 leitet sie eine selbständige Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie in Dortmund.
Schlichting hat durch ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Proteinkristallographie neue Einblicke in die Struktur und Funktion von Biomolekülen eröffnet. Es ist ihr gelungen, Reaktionen solcher Moleküle im Kristall schonend auszulösen und die Zwischenprodukte lange genug zu stabilisieren, daß das Sammeln von relevanten Daten möglich ist. Dazu bedient sie sich modernster Geräte und Methoden.
Friedrich Temps hat an der Universität Göttingen Chemie studiert und dort 1983 promoviert. Nach einem Postdoktoranden-Aufenthalt am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen, wo er sich 1994 habilitierte. 1995 folgte er einem Ruf an die Universität Kiel. Hans-Joachim Werner hat seine Doktorarbeit am Max-PlanckInstitut für Biophysikalische Chemie in Göttingen angefertigt und 1977 promoviert. Nach seiner Habilitation 1982 in Frankfurt war der Heisenberg-Stipendiat in Kaiserslautern, Los Alamos, USA, und Cambridge, England, tätig. 1987 nahm er einen Ruf an die Universität Bielefeld an. Seit 1994 leitet er das Institut für Theoretische Chemie an der Universität Stuttgart.
Beide Wissenschaftler haben herausragende Leistungen zum Verständnis des Verlaufs elementarer chemischer Reaktionen erbracht; der eine mit grundlegenden Experimenten, der andere mit detaillierten theoretischen Untersuchungen. Friedrich Temps hat sich vorwiegend mit der Zerfallsreaktion von Molekülen beschäftigt, darunter die Zerfallsreaktionen von sogenannten Radikalen, die für die Chemie der Atmosphäre von Bedeutung sind. Hans-Joachim Werner hat sich international einen Namen mit der Entwicklung von Methoden und Computeranwendungen in der Theoretischen Chemie, speziell der Quantenchemie, gemacht.
Martin Wegener hat in Frankfurt am Main Physik studiert und dort auch promoviert. Nach zwei Jahren in den Bell Laboratories in den USA trat er 28jährig eine C3-Professur für Experimentelle Festkörperphysik an der Universität Dortmund an und erhielt mit 34 Jahren einen Ruf auf eine C4-Professur am Institut für Angewandte Physik der Universität Karlsruhe.
Das Arbeitsgebiet von Herrn Wegener ist die Kurzzeitspektroskopie an Halbleitern; Halbleiter-Bauelemente haben für die Mikroelektronik große Bedeutung erlangt. Wegener interessiert sich sowohl für grundlegende als auch für anwendungsorientierte physikalische Fragestellungen. Kürzlich gelang es ihm, den mit nur etwa 10 Femtosekunden (1 Sekunde = 1015 Femtosekunden) bislang kürzesten Laserimpuls im blauen Spektralbereich herzustellen. Mit dieser Technik können nun wesentlich genauer als bisher Zusammenstöße von Elektronen im Inneren von Halbleitern untersucht werden, da diese Kollisionen sich in extrem kurzen Zeitabständen ereignen und deshalb nur mit Lichtpulsen von sehr kurzer Zeitdauer sichtbar gemacht werden können.