Pressemitteilung Nr. 20 | 27. Juni 2023

Heinz Maier-Leibnitz-Preis geht an sieben Forscherinnen und drei Forscher

DFG vergibt wichtigste Auszeichnung für Forschende in frühen Karrierephasen / Erstmals 200 000 Euro Preisgeld / Verleihung am 16. Oktober 2023 in Berlin

DFG vergibt wichtigste Auszeichnung für Forschende in frühen Karrierephasen / Erstmals 200 000 Euro Preisgeld / Verleihung am 16. Oktober 2023 in Berlin

Sieben Wissenschaftlerinnen und drei Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit die wichtigste Auszeichnung in Deutschland für Forscherinnen und Forscher in der Aufbauphase ihrer Karriere. Das hat der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Vorschlag eines von ihm eingesetzten Auswahlausschusses beschlossen. Erstmals erhalten die Ausgezeichneten ein deutlich höher dotiertes Preisgeld von jeweils 200 000 Euro statt vormals 20 000 Euro, das sie bis zu drei Jahre für die weitere Forschungsarbeit verwenden können. Hinzu kommt eine 22-prozentige Programmpauschale. Die DFG hat den Preis mit dieser Preisrunde fest in ihr Förderportfolio übernommen, nachdem sie ihn zuvor zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vergeben hat. Verliehen werden die Preise am 16. Oktober 2023 in Berlin.

Die Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2023 gehen an:

  • Juniorprofessorin Dr. Isabelle Dolezalek, Kunstgeschichte, Universität Greifswald
  • Juniorprofessorin Dr. Elina Fuchs, Teilchen- und Atomphysik, Universität Hannover und Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig
  • Privatdozent Dr. Michael Homberg, Neuere Geschichte, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam
  • Dr. Dr. Leif Ludwig, Funktionelle Genomforschung, Berliner Institut für Gesundheitsforschung und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin
  • Dr.-Ing. Giulio Malavolta, Kryptographie, Max-Planck-Institut für Sicherheit und Privatsphäre, Bochum
  • Dr. Bonnie J. Murphy, Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt/Main
  • Dr. Sabine Richert, Physikalische Chemie, Universität Freiburg
  • Juniorprofessorin Dr.-Ing. Clarissa Schönecker, Strömungsmechanik, RPTU Kaiserslautern-Landau
  • Juniorprofessorin Dr. Vera Traub, Diskrete Mathematik, Universität Bonn
  • Juniorprofessorin Dr. Marcella Woud, Klinische Psychologie, Universität Bochum

Seit 1977 wird der Heinz Maier-Leibnitz-Preis jährlich an herausragende Forscherinnen und Forscher verliehen, die sich in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befinden. Die Auszeichnung soll die Preisträgerinnen und Preisträger, die noch keine unbefristete Professur innehaben, darin unterstützen und anspornen, ihre wissenschaftliche Laufbahn weiterzuverfolgen. Gewürdigt wird dabei nicht allein ihre Dissertation, sondern insbesondere, ob sie im Anschluss bereits ein eigenständiges wissenschaftliches Profil entwickelt haben und mit ihren Forschungsergebnissen die Fachcommunity bereichern, sodass auch in Zukunft wissenschaftliche Spitzenleistungen von ihnen erwartet werden können.

Benannt ist der Preis seit 1980 nach dem Atomphysiker und früheren DFG-Präsidenten Heinz Maier-Leibnitz, in dessen Amtszeit (1974–1979) er erstmals vergeben wurde. Für die diesjährige Preisrunde waren insgesamt 171 Forscherinnen und Forscher aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden. Die Auswahl traf der zuständige Ausschuss unter dem Vorsitz des DFG-Vizepräsidenten und Biochemikers Professor Dr. Peter H. Seeberger.

Die Preisträgerinnen und Preisträger im Einzelnen:

Juniorprofessorin Dr. Isabelle Dolezalek, Kunstgeschichte, Universität Greifswald

Mit Isabelle Dolezalek wird eine Forscherin ausgezeichnet, die in ihren Arbeiten Kunstgeschichte zur Globalkunstgeschichte des Mittelalters erweitert hat. So eröffnet sie in ihrer Dissertation „Arabic Script on Christian Kings” grundlegende neue Einsichten in die politischen, religiösen und kulturellen Beziehungsgefüge eines Mittelalters, das sich weder in nationalen Kategorien noch in Einteilungen wie „Ost“ und „West“ begreifen lässt. Dolezalek lenkt darin den Blick auf ein zunächst nebensächlich wirkendes Detail: die arabischen Schriftzeichen auf den Gewändern des sizilischen Hofes. Über welche Handelswege und Kulturbahnen sind sie dorthin gelangt? Ausgehend von dieser Frage entschlüsselt sie die komplexen politischen Machtkonstellationen, innerhalb derer der sizilische Hof um seine Eigenständigkeit gerungen hat. In ihren jüngeren Projekten gelingt es Dolezalek zudem, die Arbeit an der Universität und in Museen zu verbinden, um daraus das Beste für die Forschung sowie für zeitgemäße Präsentations- und Vermittlungskonzepte zu gewinnen.

Juniorprofessorin Dr. Elina Fuchs, Teilchen- und Atomphysik, Universität Hannover und Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig

Elina Fuchs hat mit ihren bisherigen Forschungsarbeiten relevante Beiträge zu zwei sehr unterschiedlichen, aber in gleicher Weise hoch spezialisierten Gebieten der theoretischen Physik geleistet: zum einen zur theoretischen Hochenergiephysik und beschleunigergetriebenen Elementarteilchenphysik, zum anderen zur dazu komplementären Hochpräzisionsphysik atomarer Übergänge. Gleichzeitig hat sie im Rahmen ihrer Arbeiten unerwartete Schnittstellen beider Gebiete aufgedeckt. Ihre Forschungen belässt sie nicht allein auf einer theoretischen Ebene – sie versucht, ihre Resultate stets nah an die experimentelle Datenlage heranzubringen oder selbst Experimente vorzuschlagen, um ihre theoretischen Ideen zu prüfen. So etwa hat Fuchs während ihrer Postdoc-Zeit die Isotopen-Shift-Spektroskopie als hochsensitive Messung zur Suche nach neuer Physik jenseits des Standardmodells empfohlen. Fuchs wurde aufgrund ihrer Leistung 2022 zur Theorie-Koordinatorin der CERN Quantum Technology Initiative (QTI) berufen.

Privatdozent Dr. Michael Homberg, Neuere Geschichte, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Bereits in seiner Promotion „Reporter-Streifzüge. Metropolitane Nachrichtenkultur und die Wahrnehmung der Welt 1870–1918“, in der er vergleichend für Nordamerika und Westeuropa die Genese eines neuen literarischen Journalismus analysierte, bewies Michael Homberg sein Geschick für transnationale und interkulturelle Fragestellungen. Diese Kompetenz hat er mit seinen Forschungen zur Globalisierung der Arbeitswelten in der Computerindustrie in Indien, den USA und Deutschland noch weiter ausgebaut. Darin wird die Rolle Indiens – etwa bei der erfolgreichen Ausbildung von Programmierern und IT-Experten – aus einer Kombination von politischen Entscheidungen und kulturellen Dispositionen erklärt und die Entwicklung der modernen Informationstechnologie damit erstmals aus der Perspektive des globalen Südens betrachtet. Homberg setzt mit seiner in dieser Form neuen Verbindung von IT-Geschichte als Vorgeschichte unserer Gegenwart und als transnationaler Verflechtungsgeschichte international Maßstäbe für zukünftige Forschungen.

Dr. Dr. Leif Ludwig, Funktionelle Genomforschung, Berliner Institut für Gesundheitsforschung und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin

Der promovierte Biochemiker und Mediziner Leif Ludwig beeinflusst mit seinen Forschungen bereits jetzt ein breites Forschungsfeld: Er entwickelt mit seinem Labor Einzelzell-Sequenzierungs-Technologien, um zentrale Fragen der Stammzellbiologie und der Biologie des mitochondrialen Genoms zu beantworten. Als Postdoktorand befasste er sich mit der sogenannten zellulären Heterogenität und der Verwandtschaft von Zellen. Heterogenität entsteht durch Variationen im Genom der Zellen, wenn sich diese während der Differenzierung von einem weniger spezialisierten zu einem stärker spezialisierten Zustand entwickeln. Ludwig gelang es mit neuen Ansätzen, Fragen der zellulären Heterogenität zu beantworten und damit maßgeblich zur weiteren Entwicklung der personalisierten Medizin beizutragen. Seine Arbeiten helfen zudem dabei, die Kartierung von humanen Zelleigenschaften, wie etwa im „Human Cell Atlas“, voranzutreiben.

Dr.-Ing. Giulio Malavolta, Kryptographie, Max-Planck-Institut für Sicherheit und
Privatsphäre, Bochum

Sicherheit und Privatheit sind grundlegende Bürgerrechte in demokratischen Gesellschaften und daher auch zentrale Anforderungen an moderne IT-Systeme. Giulio Malavolta hat mit seinen Arbeiten das Gebiet der Kryptographie, das die wissenschaftlichen Grundlagen von Informationssicherheit erforscht, bereits jetzt nachhaltig beeinflusst. Er widmet sich darin gleich drei hochaktuellen, technisch anspruchsvollen und dynamischen Gebieten: zum einen forscht er an Privatheit wahrenden Techniken, die auch bei Blockchains und Kryptowährungen zum Einsatz kommen; zum anderen entwickelt er Verschlüsselungsverfahren, die es ermöglichen, mit hoher Effizienz Funktionen auf verschlüsselten Daten zu berechnen. Schließlich arbeitet Malavolta an digitalen Signaturen, die auch Angriffen mit Quantencomputern widerstehen können. In all diesen Bereichen liefert er theoretisch fundierte Beiträge und schlägt zudem die Brücke zu praktischen Anwendungen.

Dr. Bonnie J. Murphy, Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt/Main

Bonnie Murphy wurde auf dem Gebiet der anorganischen Biochemie und der Spektroskopie komplexer Metalloenzyme promoviert, die für die von ihnen katalysierten Reaktionen metallhaltige Kofaktoren benötigen. Während ihrer Zeit als Postdoktorandin hat sie mithilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie die erste Struktur des intakten mitochondrialen Enzyms „ATP-Synthase“ in molekularer Auflösung beschrieben. Dabei handelt es sich um ein Transmembranprotein, das für den zellulären Energiehaushalt und damit für fast alle Vorgänge im Organismus eine wichtige Rolle spielt. Mit ihrer Arbeitsgruppe konnte Murphy zudem weitere wichtige Strukturen lösen: diejenige eines großen Enzymkomplexes, der CO2 in Methan umwandelt, sowie die Struktur eines Enzyms, das Wasserstoff produziert. Beide Arbeiten sind nicht zuletzt gesellschaftlich bedeutsam, da sie Erkenntnisse für die biotechnologische Herstellung chemischer Energiespeicher und zur Bewältigung des Klimawandels liefern.

Dr. Sabine Richert, Physikalische Chemie, Universität Freiburg

Sabine Richert arbeitet auf dem Gebiet der molekularen Spintronik zwischen Biophysik und Chemie. Der Spin oder Elektronendrehimpuls ist eine unveränderliche innere Teilcheneigenschaft und bestimmt wesentlich den Aufbau von Materie. In ihren Forschungen versetzt Richert Elektronen in Molekülen durch Anregung mit Licht in verschiedene Spinzustände und manipuliert sie. Auf diese Weise erforscht sie die physikalischen und chemischen Eigenschaften solcher Multi-Spin-Systeme. Damit legt sie Grundlagen im Gebiet der Spintronik, die die Quantentechnologie erheblich voranbringen werden. Richert verwendet dafür eine besondere Herangehensweise, die verschiedene Methoden der Elektronenspinresonanz mit schneller optischer Spektroskopie und theoretischen Rechnungen kombiniert. Die Veränderung von Spinzuständen ist auch technisch von größtem Interesse, weil auf diese Weise etwa Informationen in Molekülen gespeichert und ausgelesen werden können.

Juniorprofessorin Dr.-Ing. Clarissa Schönecker, Strömungsmechanik, RPTU Kaiserslautern-Landau

Mit Fragen der Strömungsmechanik in miniaturisierten Systemen befasst sich Clarissa Schönecker. Auf dieser Mikroebene herrschen andere physikalische Gesetzmäßigkeiten als in Makro-Maßstäben. Um die Geschwindigkeit von Körpern nah an der Oberfläche zu vermessen, nutzt sie eine sehr empfindliche optische Messmethode, die Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie. So konnte sie zeigen, dass die Verformbarkeit der Oberfläche eines Festkörpers große Auswirkungen auf die Umströmung und auf den Widerstand hat. Sie wies zudem nach, dass sich Körper mit elastischen Oberflächen beim Sinken durch ihre Verformbarkeit beschleunigen, anstatt eine konstante Geschwindigkeit zu erreichen, wie es bei starren Körpern der Fall ist. Selbst sehr kleine Verformungen verändern die Geschwindigkeit deutlich. Ihre Arbeiten sind für eine ganze Reihe von technischen Anwendungen relevant, etwa für die Katalyse oder die Kühlung von Schaltkreisen.

Juniorprofessorin Dr. Vera Traub, Diskrete Mathematik, Universität Bonn

Vera Traub forscht an der Schnittstelle von diskreter Mathematik und theoretischer Informatik auf dem Gebiet der kombinatorischen Optimierung. Diese befasst sich mit Fragestellungen, bei denen aus einer großen Anzahl von einzeln möglichen Varianten eine besonders gute Lösung gefunden werden soll. In ihrer Dissertation hat Traub sich mit sogenannten Approximationsalgorithmen für das Travelling-Salesman-Problem beschäftigt, eine in der Mathematik bekannte Problemstellung, bei der der kürzeste Rundweg zwischen mehreren Städten ermittelt werden soll, ohne alle Varianten einzeln auszuprobieren. Dabei wird üblicherweise auf bestimmte Algorithmen zurückgegriffen. Traub hat dafür einen neuen Ansatz gefunden, der auf dynamischer Programmierung beruht: Ihr Algorithmus findet in derselben Zeit deutlich bessere Lösungen, als es bisherige Algorithmen vermögen. In neueren Arbeiten beschäftigt sie sich zudem mit dem Design von Netzwerken. Traub konnte auch hierzu neue Methoden entwickeln, die allen bisher bekannten Verfahren überlegen sind.

Juniorprofessorin Dr. Marcella Woud, Klinische Psychologie, Universität Bochum

Die ausgebildete psychologische Psychotherapeutin Marcella Woud geht in ihrer Forschung der Frage nach, inwiefern kognitive Verzerrungen für die Entwicklung von psychischen Störungen ausschlaggebend sind. So neigen Patientinnen und Patienten, die unter einer Angststörung leiden, zum Beispiel dazu, mehrdeutige Situationen negativ zu bewerten, was wiederum die Angst verstärken kann. Woud verfolgt dabei konsequent einen translationalen Forschungsansatz. Dieser ermöglicht es ihr, die in der Grundlagenforschung identifizierten Mechanismen in passende psychologische Interventionen zu übersetzen, deren Ziel es ist, psychischen Störungen vorzubeugen oder sie zu behandeln. Woud hat das Forschungsgebiet der Kognitiven Verzerrungen, insbesondere der Interpretationsverzerrungen und deren Einbezug in die Psychotherapie, durch ihre Forschungen bereits stark beeinflusst. Überdies trug sie zur Optimierung der Psychotherapie bei Angststörungen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen bei.

Weiterführende Informationen

Die Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2023 findet am 16. Oktober im silent green Kulturquartier in Berlin statt. Vertreterinnen und Vertreter der Medien erhalten im Vorfeld der Veranstaltung weitere Informationen.

Informationen zu den Preisträgerinnen und Preisträgern 2023 in Kürze unter:

Kontakt:

  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG
    Tel. +49 228 885-2109

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