Für die Förderung der besten wissenschaftlichen Projekte ist es wichtig, alle Potenziale und Talente auszuschöpfen und Förderentscheidungen wissenschaftsgeleitet und diskriminierungsfrei zu treffen. Daher dürfen wissenschaftliche Urteilsbildungs- und Entscheidungsprozesse, zum Beispiel die Bewertung von bei der DFG eingereichten Förderanträgen, allein auf Basis von wissenschaftserheblichen Kriterien erfolgen. Gleichzeitig werden unvermeidbare, besondere persönliche Lebensumstände – sofern gegeben – ausschließlich zugunsten von Forschenden berücksichtigt.
Es können jedoch positive wie negative Voreingenommenheiten oder Wahrnehmungsverzerrungen (im Englischen "bias") im Prozess bestehen, beispielsweise hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Gesundheitszustand, familiären Verpflichtungen oder der wissenschaftlichen Herkunftsinstitution einer antragstellenden Person. Jeder Mensch hat Bias – in individuell verschiedener Art und Intensität. Dies gilt auch für die Wissenschaft und Forschende, die nach Objektivität und Evidenz streben. Auch bei der Begutachtung, Bewertung und Entscheidung von bei der DFG eingereichten Anträgen erhalten die Beteiligten Informationen über die antragstellende Person.
Um eine wissenschaftsgeleitete Befassung sicherzustellen, stehen ein kurzer Film, Handlungsempfehlungen sowie weiteres Hintergrundmaterial zur Verfügung. Die folgenden Hinweise und Informationen geben einen Einblick in die o.g. komplexen Prozesse und können für eine Reflexion genutzt werden:
DFG-Vordruck 10.60 - Hinweise für die Vermeidung von Bias in wissenschaftlichen Urteilsbildungsprozesse mit konkreten Handlungsempfehlungen auf S. 2
Hinweis: Der Film ist auch in einer barrierearmen Fassung mit Audiodeskription verfügbar; d.h. mit gesprochener Beschreibung visueller Inhalte.
Transparente Verfahren und die Beachtung von vorgegebenen Standards tragen zur Verminderung von Bias bei. Insbesondere die festgelegten Bewertungskriterien werden daher für alle beteiligten Personen gleichermaßen angewendet.
Die DFG legt besonderen Wert darauf, dass in ihren Prozessen, auf deren Basis Förderentscheidungen getroffen werden, keine Benachteiligung aufgrund von wissenschaftsfremden Faktoren erfolgt. Entsprechend findet die Urteilsbildung zu Projektanträgen und zu wissenschaftlichen Leistungen wissenschaftsgeleitet statt. Ergänzend wird bei der Einschätzung der antragstellenden Personen die individuelle Lebenssituation (sofern angegeben) angemessen und ausschließlich zu ihren Gunsten berücksichtigt. Denn Begutachtung, Bewertung und Entscheidung dürfen sich nicht zum Nachteil der Antragsteller*innen auf unverschuldete Ausfallzeiten oder Zeiten eingeschränkter Forschungstätigkeit stützen. Insofern wird den Antragsteller*innen die Mitteilung zu ihrer besonderen persönlichen Situation angeraten.
Die Verfahrensschritte Begutachtung, Bewertung und Entscheidung sind bei der DFG getrennt und unabhängig voneinander gestaltet, so dass bereits auf diese Weise eine Qualitätssicherung von Begutachtung und Bewertung durch die verschiedenen wissenschaftlichen Gremien der DFG untereinander stattfindet.
Darüber hinaus werden Bewilligungen und Ablehnungen vor der Entscheidung in der DFG-Geschäftsstelle hinsichtlich korrekter Verfahrensabläufe qualitätsgesichert. Werden hier Bias oder Diskriminierungen erkannt, können entsprechende Schritte eingeleitet werden.
In den allgemeinen und in den verfahrensspezifischen Begutachtungshinweisen sind die Bewertungskriterien für Projektanträge, die vertrauliche Behandlung der zu begutachtenden Antragsdokumente sowie der Umgang mit wissenschaftsfremden Kriterien dargelegt. Voten sollen auf die Inhalte der Antragsdokumente, den Lebenslauf bzw. bei Vor-Ort- und Panelbegutachtungen auch auf die Präsentation der Antragsteller*innen sowie auf ihre Ausgewiesenheit für das Projekt gründen.
Auch das Vorgehen bei Befangenheiten ist geregelt, um Interessenkonflikte auszuschließen. Die Rahmengeschäftsordnung für die Fachkollegien gibt einheitliche Arbeitsgrundsätze für jedes Fachkollegium vor.
Die Kategorien des CV-Musters der DFG verdeutlichen, dass wissenschaftliche Leistungen in ihrer gesamten inhaltlichen Breite (ohne Metriken und ohne Foto) begutachtungsrelevant sind sowie ggf. auch die individuellen Lebenssituationen der Antragstellenden zu ihren Gunsten berücksichtigt werden sollen.
Kenntnis und Umgang mit Bias sind zudem Bestandteil guter wissenschaftlicher Praxis. Das Vorliegen von Faktoren, die den Eindruck der Befangenheit begründen können (siehe Merkblatt "Hinweise zu Fragen der Befangenheit"), ist der Fachabteilung der DFG-Geschäftsstelle mitzuteilen.
Im Selbstverständnis der DFG heißt es: „Die Kernaufgabe der DFG besteht in der wettbewerblichen Auswahl der besten Forschungsvorhaben von Wissenschaftler*innen an Hochschulen und Forschungsinstituten und in deren Finanzierung." Die zu den Anträgen eingeholten Voten bewerten ehrenamtlich tätige Gutachter*innen „nach ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien". Doch wie geht die DFG-Geschäftsstelle damit um, wenn in extern eingeholten Gutachten wissenschaftsfremde Kriterien genannt werden und in die Bewertung einfließen?
Letztlich unterfallen Forschende im deutschen Wissenschaftssystem dem Kodex "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" der DFG. Die darin enthaltenen Leitlinien legen Standards für wissenschaftliches Arbeiten und wissenschaftliche Integrität für das gesamt deutsche Wissenschaftssystem fest.
Die Vermeidung von Bias nimmt im Kodex als Ausdruck des guten wissenschaftlichen Handelns und Arbeitens eine zentrale Stellung ein und scheint in unterschiedlichen Kontexten auf.
Für wissenschaftliche Arbeitseinheiten sind Prozesse aufzulegen, die "nicht wissentliche Einflüsse" vermeiden helfen (Leitlinie 3). Im Falle von Bias sind Vorkehrungen zur Vermeidung zu treffen (hierzu beispielhaft auch der Film bzw. die Hinweise für die Vermeidung von Bias in wissenschaftlichen Urteilsbildungsprozessen oben auf dieser Webseite).
Im Rahmen der Begutachtung von wissenschaftlichen Anträgen stellen allgemeingültige Regelungen zum Ausschluss von Befangenheiten die Neutralität der Gutachter*innen als Kernelement eines redlichen Begutachtungsprozesses sicher (Leitlinie 16). Im Falle (des Anscheins) von Befangenheiten müssen diese offengelegt werden. Das Prinzip der Unbefangenheit der gutachtenden Personen und Gremienmitglieder wird durch die DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten individuell abgesichert. Werden Umstände, die den Anschein der Befangenheit begründen können, nicht offengelegt, kann dies als wissenschaftliches Fehlverhalten geahndet werden.
Für eine angemessene Leistungsbewertung ist überdies erforderlich, dass allein auf wissenschaftsadäquate Bewertungskriterien in sachangemessener Breite zurückgegriffen wird, die überdies den individuellen Lebenswegen und -umständen Rechnung trägt (Leitlinie 5).
Zu den Effekten von Vorurteilen in Begutachtungs-, Bewertungs- und Entscheidungsprozessen sowie in anderen Bereichen – z.B. in der Personalauswahl – gibt es zahlreiche Studien. Im Folgenden werden einige davon exemplarisch dargestellt.
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