Viertes Heisenberg-Vernetzungstreffen reflektiert Programmkonturen, fördert Austausch der Stipendiatinnen und Stipendiaten und diskutiert über Mobilität in der Forschung / DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek zieht positives Fazit zur Exzellenzinitiative und warnt vor „Narkose der Hochschullandschaft“ durch chronische Unterfinanzierung
Zehn Jahre nach Einführung der Heisenbergprofessur 2005 und fast vierzig Jahre, nachdem die ersten Heisenbergstipendien 1977 bewilligt wurden, kamen am 12. und 13. März über einhundert Geförderte in Bonn zusammen, um sich untereinander, aber auch mit der Geschäftsstelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über Karriere und Karriereförderung in der Wissenschaft auszutauschen. Blicken Sie in diesem Dossier auf zwei spannende Tage.
In ihrer Begrüßungsrede nutzte Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek die Gelegenheit, den Heisenberg-Stipendiatinnen und -Stipendiaten die DFG auch als wissenschaftspolitische Akteurin ins Bewusstsein zu rücken.
Dzwonnek betonte, die DFG sei als Interessensvertreterin der Wissenschaft gegenüber Bund und Ländern dabei „sicherlich nicht immer everybody’s darling“, da für sie als Forschungsförderorganisation und als Selbstverwaltungsorganisation für die Wissenschaft die wissenschaftliche Qualität der Vorhaben „ohne Abstriche“ der Maßstab der Beurteilung sei.
Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftspolitik, lobte Dzwonnek, hatten selten einen so hohen politischen Stellenwert wie derzeit. Dies manifestiere sich in den drei großen Pakten der zurückliegenden Jahre, die positive Veränderungen in das Wissenschaftssystem gebracht hätten: Der Pakt für Forschung und Innovation, der Hochschulpakt sowie die Exzellenzinitiative. Mit ihnen sei in den letzten zehn Jahren von der Politik ein Milliardenbetrag zur Verfügung gestellt worden, der die Rahmenbedingungen an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen tatsächlich verbessert habe. Gerade die Exzellenzinitiative, so die Generalsekretärin, habe die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands „erheblich gestärkt“. Eine hohe Sichtbarkeit sei entstanden, Deutschland werde wahrgenommen als „ein Land der guten Wissenschaft, in das es sich zu kommen lohnt“, signalisierte Dzwonnek.
Zugleich mahnte die DFG-Generalsekretärin, dass der Bund in die bisher ausschließlich von den Ländern geleistete Grundfinanzierung der Hochschulen „dringend einsteigen“ müsse, da der Sparkurs der Länder und die im Jahr 2020 greifende Schuldenbremse die deutsche Hochschullandschaft sonst „in Narkose verfallen“ ließen. Diese „chronische Unterfinanzierung“ könne nicht durch Drittmittel der DFG kompensiert werden – auch wenn der Druck auf das wissenschaftliche Personal, Mittel einzuwerben, de facto immer weiter steige. „Dieser Zustand macht große Sorgen“, sagte Dzwonnek mit Blick auf die gestiegene Abhängigkeit der Spitzenforscher von Drittmitteln, „denn klar ist: Je mehr Anträge bei uns eingehen, desto stärker sinken die Bewilligungschancen.“
Eine deutliche Position bezog Dzwonnek auch zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das in der aktuellen Diskussion vielfach für die prekären Arbeitsverhältnisse der Forscherinnen und Forscher verantwortlich gemacht wird. „Das ist Augenwischerei“, so Dzwonnek, „es handelt sich hierbei um kein rechtliches Problem, sondern um ein strukturelles. Und das muss auch strukturell gelöst werden.“ So nannte sie hier die Anhebung der Grundfinanzierung der Hochschulen als Lösungsentwurf, um Karrierewege planbarer zu machen – zum Beispiel durch den Ausbau von Tenure Track-Optionen und Dauerstellen im Mittelbau. Auf den personellen Wandel, wie ihn der wissenschaftliche Zeitvertrag möglich mache, seien deutsche Universitäten nach wie vor angewiesen, um innovativ zu bleiben. „Gleichzeitig brauchen die kreativen Köpfe Karriereperspektiven, damit sie in der Wissenschaft bleiben und nicht in andere Bereiche abwandern“, bekräftigte die Generalsekretärin gegenüber den Stipendiatinnen und Stipendiaten.
Eine rege Diskussion entstand unter den anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei der Frage, ob das Heisenbergprogramm aktuell ‚genau richtig‘ oder an bestimmten Eckpunkten nachzujustieren sei.
Nachdem durch die DFG-Geschäftsstelle aktuelle statistische Kennzahlen zum Programm vorgestellt wurden, bat Annette Schmidtmann, Leiterin der DFG-Geschäftsstellenabteilung „Allgemeine Forschungsförderung“, die Anwesenden um eine kritische Einschätzung zu Heisenbergstipendium und Heisenbergprofessur.
Einige Geförderte äußerten daraufhin den Wunsch, über die personenbezogene Förderung hinaus auch Mittel für eine Arbeitsgruppe oder zusätzliche Sachbeihilfen zu erhalten, und orientierten sich dabei an den Konturen des Emmy Noether-Programms für Nachwuchsgruppenleiterinnen und Nachwuchsgruppenleiter. Dem entgegneten andere, dass gerade die Förderung einer berufungsfähigen Einzelperson der unverkennbare Charakter des Heisenbergprogramms sei, das sich des eklatanten „Schwebezustands von einer Postdoktorandenstelle hin zur Professur“ annehme wie kein anderes Instrument im deutschen Raum. Sie fürchteten, dass eine Erweiterung der Fördermaßnahmen um gleich eine gesamte Arbeitsgruppe dazu führte, dass weniger Personen im Heisenbergprogramm gefördert werden können. Es spräche weiterhin nichts dagegen, sich als Heisenbergstipendiatin oder ‑stipendiat auch um weitere Sachbeihilfen durch die DFG zu bemühen, selbst wenn man sich in diesem Verfahren natürlich der starken Konkurrenz stellen müsse.
Ob „Lonesome Forscher“ oder bestens integriert, auch in diesem Punkt kam es zur Diskussion. Während die einen eine Außenseiterstellung an den Instituten beklagten, die sich aus der Sonderstellung als Stipendiatin oder Stipendiat ergebe, empfanden die anderen es – ganz im Gegenteil – als befreiend, nicht zu eng in die Arbeit in den Instituten eingebunden zu sein. Einig war sich der Saal darin, dass es sehr hilfreich wäre, die Fördergelder über die Universitäten zugewiesen zu bekommen anstatt als Selbständige bzw. Selbstständiger, damit sich die Gelder auch in der Drittmittelstatistik niederschlagen.
Auch die Heisenbergprofessur wurde von allen Seiten beleuchtet. So schätzen die einen, dass das Antragsverfahren auf eine Heisenbergprofessur die Möglichkeit eröffnet, sich eine Position nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten und damit bei der strategischen Ausrichtung eines Institutes Impulse zu setzen. Es könne außerdem enorm integrationsfördernd wirken, dass Heisenbergprofessorinnen und -professoren die zielführende Strategie gemeinsam mit den Instituten entwickeln müssen. Andere hingegen sahen vor allem die Schwierigkeiten, die mit einem so komplexen Antrags- und Entscheidungsprozess verbunden sind, in dem viele verschiedene Positionen abgewogen und in Einklang gebracht werden müssen.
Im Anschluss an die Debatte in der großen Runde der Geförderten fanden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in kleineren fachlichen Gruppen zusammen, um sich gegenseitig kennenzulernen und in lockerer Atmosphäre austauschen zu können. Noch vor dem Abendessen im Tagungsort Gustav-Stresemann-Institut gab es außerdem die Gelegenheit der persönlichen Beratung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DFG-Geschäftsstelle, die viele Teilnehmende nutzten, um Detailfragen zum Programm zu klären.
Am zweiten Tag des Heisenberg-Vernetzungstreffens stand eine breite Auswahl an Workshops auf dem Plan. Die Workshops wurden teils von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DFG-Geschäftsstelle geleitet, teils aber auch von Kolleginnen und Kollegen der KoWi (Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen) oder des Deutschen Hochschulverbands (DHV).
Wie schon bei den vorherigen Heisenbergtreffen, die in einem Turnus von zwei Jahren veranstaltet werden, wurden Workshops zu „Berufungsverhandlungen“, zum „Übergang vom Heisenberg-Stipendium zur Heisenberg-Professur“ oder ein Überblick über „EU-Förderinstrumente“ und Antragsmöglichkeiten für „Koordinierte DFG-Verfahren“ angeboten.
Besonders lebhaft war auch die Diskussion im Workshop über die ‚Dos and Don’ts‘ der „Gutachtertätigkeit“, der, unterstützt durch die DFG-Vizepräsidentin Marlis Hochbruck, einen Überblick über die vielen Dimensionen der Begutachtung von wissenschaftlicher Arbeit gab. Auf Anregung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des letzten Treffens wurde auch ein in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Hochschulverband neu gestalteter Workshop ins Programm aufgenommen, der sich mit den „Rechten und Pflichten der Professur“ auseinandersetze.
Zwischen den Workshops fand am Vormittag zudem eine Podiumsdiskussion zum Thema „Mobilität in der Wissenschaft“ statt, die von Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität Köln, moderiert wurde. Dabei wurde schnell klar, dass wissenschaftliche Mobilität kein Wert als solcher ist. So bezweifelte Katrin Auspurg, Soziologin an der Universität Frankfurt, dass Mobilität einen unmittelbaren Mehrwert für die Wissenschaft selbst mit sich bringt. Stattdessen sei Mobilität eher ein wichtiger Faktor für die Karrieren von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. „Mobilität wird oftmals als Commitment für die Wissenschaft bewertet und als Zeichen der Selbstständigkeit in der Postdoc-Phase“, so Auspurg. Die Soziologin unterschied zudem zwischen Mobilität und Internationalität – also zwischen Forschungsaufenthalten und -reisen auf der einen Seite und internationalen Publikationen und Kontakten auf der anderen Seite, für die man nicht zwangsläufig jahrelang im Ausland gelebt haben müsse.
Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, bestätigte diese Unterscheidung: „Die Kolleginnen und Kollegen, die mit internationalen Publikationen aufwarten können, die gemeinsam mit Partnern aus dem Ausland publizieren, die Netzwerke gebildet haben, die haben höhere Chancen in Stellenverfahren, auch wenn wir allein nach wissenschaftlicher Qualität auswählen. Meist bedingen sich diese Faktoren sowieso gegenseitig.“ Es gebe also eine gewisse Korrelation zwischen internationaler Erfahrung und fachlicher Qualität.
Wie DFG-Abteilungsleiterin Annette Schmidtmann ausführte, seien Auslandserfahrungen für die DFG keine Voraussetzung, die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erfüllen müssten. Gefragt seien hingegen internationale Erfahrung und internationale Kontakte. „Es gibt unterschiedliche Wege, sich Internationalität anzueignen – nicht zwangsläufig durch zweijährige Aufenthalte im Ausland, sondern zum Beispiel auch durch kürzere Reisen oder den Besuch von Tagungen“, erklärte Schmidtmann. In der jeweiligen Fachcommunity international gut vernetzt zu sein, sei aber sehr wohl eine Voraussetzung für Nachwuchswissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftler, um gefördert zu werden.
Auch Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, betonte, aus der Sicht seiner Organisation gehe es nicht ums Reisen an sich, sondern um das Dort-sein und um die „lebensverändernden Erfahrungen“, die man vor Ort machen könne. Der Psychologe Rainer Bromme wiederum verwies auf die zunehmenden „virtuellen Formen von Mobilität“: Internationale Wissenschaft sei eng verwoben mit digitalen Kommunikationswegen, das tatsächliche Reisen deshalb weniger wichtig. Wie sinnvoll ist Mobilität in der Wissenschaft denn nun? „Nicht jeder muss unbedingt nach Mobilität streben – Darwin, Humboldt, Goethe sind viel gereist, Gaus und Kant hingegen nie“, führte Ursula Gather am Ende der Diskussion prominente Beispiele an.