Am 2. und 3. April 2019 haben sich auf Einladung der DFG rund 130 Geförderte im Heisenberg-Programm im Gustav-Stresemann-Institut in Bonn getroffen.
In zahlreichen Formaten ging es um einen Austausch über die Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Eine abschließende Podiumsdiskussion beleuchtete „Dynamiken im universitären Kosmos“.
DFG-Präsident Peter Strohschneider begann seine Begrüßung am 2. April mit einem Bezug auf das Gustav-Stresemann-Institut, das er als „nett und funktional“ bezeichnete. Anhand dieser Zuschreibungen spannte er den Bogen zu dem Vernetzungstreffen, wie er sogleich erläuterte: „Als Geförderte erfahren Sie ja bereits eine funktionale Unterstützung durch die DFG – Sie haben also eine materielle Grundlage zu forschen und verfügen über rudimentäre Gelingensbedingungen erfolgreicher Wissenschaftskarrieren. Indes, nett wird diese Förderung erst durch Vernetzungstreffen wie dieses. Nett meint dabei das intellektuelle wie soziale Miteinander, auch über Fächergrenzen hinweg.“ Die DFG verstehe sich als Dienstleisterin der Wissenschaften und Förderorganisation im empathischen Sinn: So gehe es ihr nicht allein um die Allokation von Forschungsgeldern, sondern darum, die Vielfalt der fachlichen Perspektiven, Forschungsvorhaben und Fragestellungen in produktiver Weise in Beziehung zueinander zu setzen.
Strohschneider unterstrich, dass eine disziplinäre Vielfalt mehr sei als die Summe ihrer Teile. Dazu müssten Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine Haltung einnehmen und über ihr eigenes Fachgebiet hinausblicken. Eine solchermaßen „gebildete Wissenschaft“ brauche es, „weil wir sonst in der Wissenschaft nicht miteinander reden könnten, aber auch der Gesellschaft die Wissenschaft nicht erklären könnten.“ Es gebe schließlich eine ganze Reihe wissenschaftlicher Probleme, die mit Partikularwissen nicht in den Griff zu bekommen seien, so genannte „Grand Challenges“. Im Hinblick auf diese Herausforderungen beruhe der Fortschritt von Wissenschaft auf der Differenz vielfältiger wissenschaftlicher Spezialisierungen, die dann produktiv aufeinander bezogen werden müssten.
Der DFG-Präsident betonte deshalb am Ende seiner Rede in Richtung der Heisenberg-Geförderten: „Gute Wissenschaft ist nicht borniert! Sie bleibt offen und neugierig für die Leistungskraft anderer Spezialisierungen und – sie kennt ihre Grenzen.“ Dies sei gerade in Zeiten von grassierender Wissenschaftsskepsis von enormer Bedeutung.
Im Anschluss an die Begrüßung berichteten DFG-Vizepräsidentin Marlis Hochbruck und Armin Krawisch, Leiter der Gruppe Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen, Nachwuchsförderung, über aktuelle Entwicklungen und Themen, die die DFG und ihre Geschäftsstelle beschäftigen. So stellte Hochbruck zunächst den gerade entstehenden „DFG-Kodex zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ vor, der die bislang gültige Denkschrift ablösen soll. Sie als Vorsitzende der damit befassten Kommission nannte als Anlass der Überarbeitung der Denkschrift und der dazugehörigen Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten die „Causa Nestler“. Dieser Fall einer Wissenschaftlerin, die kurz vor der Verleihung des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises des wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschuldigt wurde, hatte Fragen aufgeworfen, wie solche Vorwürfe für alle Beteiligten sinnhaft zu behandeln seien. Gleichermaßen nannte Hochbruck aber die vielfältigen Veränderungen im wissenschaftlichen Arbeiten, etwa durch den digitalen Wandel oder Entwicklungen im Publikationswesen, die eine Anpassung der Papiere wie der Vorgehensweise erfordert hätten.
Armin Krawisch stellte danach das Förderprogramm für eine Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) vor: Die DFG übernimmt dabei Auswahl und Evaluation der Konsortien. Krawisch stellte den Umgang mit Forschungsdaten und Forschungssoftware als zentrales Element des Digitalen Wandels heraus. Obgleich sich dieser je nach Fachrichtung sehr unterschiedlich gestalte, sei eine fachübergreifende Infrastruktur notwendig, um Forschungsdaten in der Breite nutzbar zu machen.
Krawisch gab den Zuhörerinnen und Zuhörern zudem ein Update zum aktuellen Stand der Exzellenzstrategie, präsentierte neue Zahlen zur Chancengleichheit in DFG-geförderten Projekten und bereits umgesetzte und noch geplante Maßnahmen, die zur Chancengleichheit beitragen sollen. Außerdem stellte er das neue Förderangebot für die frühe Postdoc-Phase, das Walter Benjamin-Programm, vor. Krawisch schloss seinen Vortrag mit einem Hinweis auf die Fachkollegienwahl 2019, die über die Besetzung der Fachkollegien für die Amtsperiode 2020 bis 2023 entscheidet: Die Wahlfrist der online stattfindenden Wahl endet am 18. November 2019.
Eines der wesentlichen Ziele des Heisenberg-Treffens, das die DFG alle zwei Jahre ausrichtet, ist die Vernetzung unter den aktuell Geförderten; darunter sind Stipendiatinnen und Stipendiaten, Inhaberinnen und Inhaber von Heisenberg-Stellen und -Professuren. In diesem Jahr konnten die Geförderten in parallel stattfindenden Sessions von ihnen selbst eingebrachte Themen diskutieren: Wie gelingt die Einbindung der Heisenberg-Professur in die universitären Strukturen? Wie lässt sich Aufmerksamkeit für ein Projekt oder einen Forschungsansatz generieren und Wissenschaft einem breiteren Publikum vermitteln? Wie schafft man die Balance zwischen Betreuung, Förderung und Selbstständigkeit bei der Personalführung von Promovierenden und Postdocs? Insbesondere die Geförderten mit einem Heisenberg-Stipendium, aber auch die mit einer Stelle haben es teilweise schwer, an den Universitäten ihren Status zu vermitteln, und tauschten sich über hilfreiche Strategien aus. Zusätzlich trugen die Teilnehmenden aus ihren Erfahrungen an den verschiedenen Standorten „Tipps und Tricks“ aus Berufungsverfahren oder für das Engagement am Fachbereich zusammen.
Darüber gab es die Möglichkeit, sich in individuellen Sprechstunden von Ansprechpersonen der DFG-Geschäftsstelle zu verschiedenen Fragen beraten zu lassen, sowie Vorträge und Workshops zu Themen wie Berufungsverhandlungen oder EU-Förderangeboten wahrzunehmen. Alle Workshop-Themen finden sich auch noch einmal im Programm der Veranstaltung, das auf dieser Seite als Download zur Verfügung steht.
Exzellenzstrategie, Nachwuchspakt, Departmentstruktur – allein diese drei Schlagworte illustrieren, welchen Veränderungen die deutsche Universitätslandschaft zurzeit unterworfen ist. Wie beeinflussen
die tausend Tenure-Track-Professuren aus dem „Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ die Aussichten einer wissenschaftlichen Karriere? Sind Lehrstühle noch zeitgemäß? Und kommt die Lehre an den Universitäten im Vergleich zur Forschung zu kurz? Im Gespräch mit Moderatorin Cornelia Lossau versuchten vier Podiumsgäste, Antworten auf solche drängenden Fragen im Wissenschaftssystem zu finden.
Ulrich Radtke, seit 2008 Rektor der Universität Duisburg-Essen, betonte eingangs die Bedeutung von Berufungsverfahren, dies würden viele Universitäten unterschätzen. Für den Reputationsaufbau einer Einrichtung sei es wichtig, wie man die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen behandle, deshalb plädierte er dafür, sich für solche Verfahren – selbstverständlich auch bei Tenure-Track-Positionen – ausreichend Zeit zu nehmen. Christian Hof, der bei der Jungen Akademie Sprecher der Arbeitsgruppe Wissenschaftspolitik ist, ergänzte, dass insbesondere die Transparenz bei Berufungsverfahren wichtig sei, denn nicht immer werde offen mit Hauskandidaturen umgegangen. „Berufungen erfolgen inzwischen sehr strategisch. Da wird geschaut, wer wie viele Forschungsgelder mitbringt etc.“, fügte Hof hinzu.
Er warb zudem für die Einführung einer Departmentstruktur, wie sie die Junge Akademie vorgeschlagen habe, statt der in Deutschland üblichen Lehrstühle. Dazu könnte man etwa den bestehenden akademischen Mittelbau in Professuren umwandeln. Kurosch Rezwan, Professor an der Universität Bremen und Sprecher eines Graduiertenkollegs, konnte diesem Vorschlag zwar auch Positives abgewinnen, sah aber vor allem Nachteile: „Einerseits wirken Departmentstrukturen der Machtallokation an Lehrstühlen entgegen. Andererseits sind die Professuren innerhalb einer Departmentstruktur kaum mit eigenen Finanzmitteln ausgestattet, wenn sie nicht gerade Professor in Harvard sind.“ Deshalb müssten dann Professorinnen und Professoren fortwährend Fördergelder einwerben. Radtke ergänzte, dass in einer Departmentstruktur kaum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Professuren mehr zur Verfügung stünden.
„Nicht jeder muss Professor werden!“, folgerte Radtke. Eine Departmentstruktur könne, wenn überhaupt, nur flächendeckend in ganz Deutschland eingeführt werden, nicht etwa nur an einzelnen Unis. Er kritisierte zudem, dass man heute noch mit 40 Jahren als Nachwuchswissenschaftlerin oder -wissenschaftler gelten könne: „Wenn man bis dahin nicht berufen ist, sollte man auch über andere Karriereoptionen nachdenken. Das habe ich auch getan.“ Deshalb halte er auch das Tenure Track-Programm für sinnvoll, um Forschende schneller als bisher in Professuren zu bringen.
Heike Paul, Amerikanistin von der Universität Erlangen-Nürnberg und Leibniz-Preisträgerin 2018, betonte an dieser Stelle auch nochmal die besondere Rolle der Graduiertenkollegs der DFG, die die Ausbildung von Doktoranden und Doktorandinnen erheblich verbessert hätten. „Innerhalb solcher strukturierten Formen lernen die Promovierenden, wie man zusammenarbeitet, wie man zu Kompromissen kommt. Das hilft sehr für die spätere Karriere als Wissenschaftlerin.“
Die Debatte wandte sich nun dem Verhältnis von Forschung und Lehre an den Hochschulen zu. Hof argumentierte, dass die beiden eigentlich gleichberechtigt sein sollten, in der Praxis sehe es allerdings anders aus: „Die Lehre ist Recht und Pflicht eines jeden Hochschullehrers. Viele Teile der Lehre werden heute aber vom akademischen Mittelbau wahrgenommen, der gar nicht die Berechtigung dazu hat, eigene Lehre zu betreiben. Das gehört zu den Absurditäten des Wissenschaftssystems!“ Auch Radtke trat dafür ein, Lehre mehr wertzuschätzen und forderte „Lehrfreisemester“ analog zu den bestehenden Forschungsfreisemestern. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass in erster Linie gute Forscherinnen und Forscher berufen werden sollten, diese könnten lernen, wie man gute Lehre macht – und nicht umgekehrt. Auch diese These quittierten die Zuhörerinnen und Zuhörer mit einiger Unruhe.
Angesichts der unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven auf die Dynamiken des Wissenschaftssystems ist deshalb nur eines sicher: Es bleibt spannend. Umso wichtiger war der Appell, den Ulrike Eickhoff, Leiterin der Abteilung Programm- und Infrastrukturförderung der DFG-Geschäftsstelle, unmittelbar vor Beginn der Podiumsdiskussion an die Heisenberg-Geförderten gerichtet hatte: „Bringen Sie sich in die Gestaltung des Wissenschaftssystems ein!“